Norbert Hermann von Bochum-prekär hat einen Offenen Brief an Heide Ott, die Leiterin des Amtes für Soziales und Wohnen der Stadt Bochum geschrieben. Hierin heißt es: »In der WAZ Bochum vom 04.09.2012 (1) wird berichtet über einen „sprunghaften“ Anstieg der Asylbewerber_innen in Bochum – von 348 auf über 400 (vierhundert – das sind 52 zusätzlich!). Sie werden mit der Behauptung zitiert, die meisten Asylbewerber_innen des laufenden Jahres stammten aus Ex-Jugoslawien und nicht aus „Krisengebieten“: „Das sind ganz viele, das ist das Gros“. „Einige kommen schon zum dritten oder vierten Mal wieder“.
In der Sitzung des Sozialausschusses wiederholten Sie diese Aussagen. Für mein Empfinden klangen Ihre Worte dabei dramatisierend, empört, gar wie beleidigt.
Mich erinnert dieser Vorgang an den unseligen Titel der Zürcher „Weltwoche“ vom April dieses Jahres (2). Ich frage mich, was dieser Ton soll, und ob das der Leiterin eines Amtes für Soziales und Wohnen angemessen ist. Eine Anfrage beim Statistischen Bundesamt hat zudem ergeben, dass der Anteil der Flüchtlinge aus Staaten des ehemaligen Jugoslawiens in der ersten Jahreshälfte bundesweit gerade mal 12 % beträgt. Und das auf insgesamt sehr niedrigem Niveau: in diesem Jahr werden möglicherweise die Zahlen von 2002 wieder erreicht. Himmelweit entfernt von den Zahlen zu Anfang der neunziger Jahre. Auf meine Frage, wie die Verteilung in Bochum aussehe, sagten Sie allerdings: „Das weiß ich nicht“.
Die WAZ berichtet, diese Entwicklung „kommt etwas überraschend für Bochum …“ Das wundert mich, denn unter Fachleuten sind diese Tendenzen lange ersichtlich. Für die Zukunft ist mit einem starken Anwachsen der Zuwanderung aus verschiedenen Teilen der Welt zu rechnen. Sie sind freundlich und menschlich aufzunehmen. Das gilt insbesondere auch für die unfreiwillige Minderheit der Roma: nach Berichten von Amnesty und des Menschenrechtskommissars des Europarates ist für sie Ex-Jugoslawien durchaus “Krisengebiet“: die Lage sei katastrophal, es fehle an allem Notwendigen, an medizinischer Versorgung und gesellschaftlicher Integration. Hier besteht eine besondere Verantwortung. Die Politik der Europäischen Union und der Europäischen Kommission zielt auf eine verstärkte soziale Einbeziehung und Teilhabe.
Ich erinnere mit Freude eine Sitzung des Arbeitskreises Asyl nach den Brandanschlägen in Rostock vor zwanzig Jahren, wo unter Anwesenheit des damaligen Sozialpfarrers Walter festgestellt wurde, dass Bochum doch eine „flüchtlingsfreundliche Stadt“ sei.
Das verfassungsrechtlich geschützte und unteilbare Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum erfordert, dass die Stadt Bochum sich rechzeitig auch auf die Wohnungsbedarfe einstellt. Ob die Pläne einer Auflösung der Flüchtlingswohnungen in der Krachtstr. 9 – 27 unter diesem Gesichtspunkt weiterverfolgt werden können halte ich für mehr als fraglich. Ein Teilabriss und eine Teilvermarktung macht aber keinen Sinn.
Ich hoffe und wünsche, dass die Stadt Bochum den kommenden Anforderungen fachlich und menschlich besser gerecht wird als vor zwanzig Jahren.
(1) http://www.derwesten.de/staedte/bochum/stadt-sucht-raeume-fuer-asylbewerber-id7057506.html »
(2) http://taz.de/Das-Kind-vom-Weltwoche-Cover/!92597/
Donnerstag 13.09.12, 15:00 Uhr