Sonntag 18.07.10, 20:00 Uhr
Attac Bochum zum Prozess gegen bo-alternativ:

Tortenprozess als symptomatische Posse


Attac Bochum schreibt in einer Pressemitteilung: »Der Tortenprozess wegen der Veröffentlichung eines Plakats bei bo-alternativ.de ist eine gefährliche aber typische Posse, die Zeit, Geld und Nerven kostet. Offenbar soll genau das erreicht werden, denn ein Ende des Streits um den angeblichen Aufruf zur Gewalt wäre schon nach dem Freispruch für den verantwortlichen Redakteur im ersten Prozess möglich gewesen. Nun also zum dritten Mal. Hintergrund: Ein Plakat, auf dem die Spielfigur „Bomberman“ statt der von ihr üblicherweise benutzten Bombe eine Torte mit dem Antifa-Logo mit Wunderkerze schultert und auf dem zum Bochumer Anti-Naziprotest am 28.10.2008 mit „Kein Zuckerschlecken für Nazis“ aufgerufen wurde, hatte das Online-Medium auf seinen Seiten veröffentlicht. Die Bochumer Staatsanwaltschaft klagte den Redakteur wegen Aufrufs zur Gewalt an. Vor einem Jahr erfolgte der erste Freispruch im Bochumer Amtsgericht, doch der Staat ging in Revision vor dem Oberlandesgericht Hamm, das den Fall nach Bochum zurück verwies. Am 21. Juli stehen Staat und Medium erneut vor Gericht – hoffentlich mit vielen Zuschauern und Berichterstattern.
Gefährlicher Widerstand
Denn das Bochumer Beispiel zeigt, wie hier ein bekannter linker Aktiver und ein linkes, alternatives Medium mundtot gemacht und verunsichert werden sollen. Anders ist das Ziel dieser Staatsanwälte und ihr verzweifeltes Prozessieren nicht zu erklären. In Zeiten der erneuten Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus durch eine verängstigte Staatsregierung soll offenbar ein engagierter Lokalberichterstatter durch dauernde Prozesse zermürbt werden. Wenn sich „systemrelevante“ Leit- und Mainstream-Medien keine Kritik an herrschender Sozial-, Wirtschafts- und Geopolitik erlauben, sind kleine, unbeugsame „Medien-Dörfer“ wie bo-alternativ.de besonders auffällig. Gerade die kleinen, lebensnahen Geschichten und Informationen eines Blogs wie bo-alternativ.de über die lokalen Auswirkungen herrschender Politik und den Widerstand dagegen sind dem Staat offenbar ein Dorn im Auge.
Diese inzwischen permanente Bochumer Posse – der dreimalige Tortenprozess war nicht der erste und wahrscheinlich auch nicht der letzte Versuch – ist auch ein Zeichen für die wieder zunehmende Repression gegen aufklärende, alternative und widerständige Medien. Das ortsansässige Labournet.de war ebenfalls schon Ziel der staatlichen Zermürbungstaktik. Eines jedoch muss auch den Staatsanwälten klar sein: Immer hat ein solcher Straf- und Verfolgungswahn nur das Gegenteil des Beabsichtigten ausgelöst, nämlich mehr Öffentlichkeit, Solidarität und Widerstand. Beobachter und Sympathisanten alternativer linker Politik und Medien sollten und werden sich nicht verunsichern lassen: Gerade mit zunehmender Repression wächst der Widerstand.
Wichtige Alternative
Dennoch bedauern wir, dass für diesen Wahn kostbare Zeit-, Personal- und Geldressourcen eingesetzt werden. Wer nur einmal eine Nazi-Demo aus der Nähe beobachtet hat, wundert sich, dass deren rassistische, antisemitische und nationalistische Hetze weder zur Auflösung der Versammlung noch zu weiterer staatlicher Verfolgung führt. Stattdessen werden Antifaschisten, Bildungsstreikende und ihre Medien kriminalisiert. Wir freuen uns daher, dass sich der zuständige Redakteur durch solche Angriffe weiterhin nicht entmutigen lässt – er und alle Beteiligten haben unsere volle Unterstützung. Alternative Medien abseits des Mainstreams sind offenbar im elften Jahr ihres Bestehens wichtiger denn je.
Deshalb rufen wir dazu auf, möglichst zahlreich zum Prozess am Mittwoch, den 21. Juli 2010, um 9:00 Uhr im Bochumer Amtsgericht, Raum C 134 zu erscheinen, und sich diese Posse einmal näher anzusehen.«