Erklärung der roten Antifa Bochum:
Sonntag 10.02.08, 02:34 Uhr

Vernunft statt Fackeln! – Anmerkungen zu Nokia


Als die Nachricht verbreitet wurde, dass das Nokia-Werk in Bochum schließt, ließ die öffentliche Empörung nicht lange auf sich warten. Es ist nachvollziehbar, dass die Schließung des Werkes bei den Angestellten und ihren Angehörigen Entsetzen auslöst. Ohne das Einkommen aus Lohnarbeit lebt es sich nun mal schlecht in Deutschland. Auch die Art und Weise, wie kurzfristig die Werksschließung bekanntgegeben wurde, macht die Sache für die Betroffenen nicht einfacher. Doch trotz dieser berechtigten Kritik, geht der Großteil der Kritik in die falsche Richtung.
So glaubt Sevim Dagdelen, MdB für die Linkspartei, festzustellen: „Es ist ein Unding, dass ein hoch profitabler Großkonzern wie Nokia seine Gier nach immer höheren Profiten auf dem Rücken der Beschäftigten austrägt. Das Werk in Bochum schreibt schwarze Zahlen – aber offensichtlich reicht das den Bossen von Nokia nicht.“ Die Äußerung der NPD-Bochum zu Nokia „Durch die menschenverachtende Globalisierung und dem damit verbundenen Streben kapitalistischer Großunternehmen nach immer höheren Gewinnmaximierungen, sind die Folgen dieser Entwicklung für den einfachen Arbeitnehmer aus dem Blickwinkel geraten.“, klingt dagenen noch vergleichsweise moderat. Rolf Lange, Kreisprecher der Linkspartei, schließt inhaltlich an: „Hier zeigt sich wieder deutlich, dass die menschliche Arbeitskraft zum Spielball von Profitinteressen eines Großkonzerns wird.“ Zumindest letzeres ist zwar richtig, aber nicht besonders neu und auch nur ein Teil der Wahrheit. LohnarbeiterInnen zählen im Kapitalismus eben nur als Träger der Ware Arbeitskraft. Prinzipiell besteht da auch kein Unterschied zwischen dem Tante-Emma-Laden und dem internationalem Großkonzern. Tante Emma mag es persönlich mehr treffen, wenn sie ihren Angestellten, mit dem sie täglich persönlich zusammengearbeitet hat, entlassen muss. Dennoch folgt sie der gleichen kapitalistischen Logik wie Nokia, BenQ oder andere Großkonzerne: „Im großen und ganzen hängt dies aber auch nicht vom guten oder bösen Willen des einzelnen Kapitalisten ab. Die freie Konkurrenz macht die immanenten Gesetze der kapitalistischen Produktion dem einzelnen Kapitalisten gegenüber als äußerliches Zwangsgesetzt geltend.“ (Karl Marx, Kapital Bd.1, MEW23 S. 286)
Prominente Mitglieder aller großen Parteien rufen nun gar zum Boykott von Nokia-Handys auf. Ein solches Verhalten zeugt von (Standort-)Nationalismus und verkürzter Kapitalismuskritik. Es stellt sich schließlich die Frage, warum deutsche Arbeiter ein größeres Recht auf materielle Absicherung haben als rumänische. Der Weg von „kaltblütiger Managementmentalität“ (SPD, Regionalverband-Ruhr), „Gier nach immer höheren Profiten“(Linkspartei) über „Subventions-Heuschrecken“(Jürgen Rüttgers, Ministerpräsident von NRW, CDU) hin zur latent antisemitschen Unterscheidung zwischen „raffendem“ und „schaffendem“ Kapital ist nicht weit. Die NPD findet mit Äußerungen wie „Die Wirtschaft muß dem Volke dienen und nicht das Volk der Wirtschaft“ also nahtlos Anschluss. Dass die ‚deutsche Tradition‘ eines Fackelmarschs aufgegriffen wird, dürfte selbige ebenfalls freuen.
So verständlich die Frustration der Nokia-Angestellten über die Verschlechterung ihrer Lebenssituation ist, so notwendig ist es, statt des Verhaltens einer einzelnen Konzernleitung, das große Ganze – also den Kapitalismus – zu kritisieren. Wer an einer ernsthaften Kritik am Bestehenden interessiert ist, findet unter www.antifa-nrw.de den Aufruf zu einer antikapitalistischen Demonstration am 1.3. um 14 Uhr in Bochum.