Freitag 31.10.25, 11:23 Uhr

Villa Kunterbunt wehrt sich gegen Räumung


Mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen reagieren die Bewohner:innen des Hauses „Auf den Holln 1-3“ in Bochum-Werne auf die Ordnungsverfügung der Stadt Bochum, ihr Haus bis zum 4. November zu verlassen. Die gestern eingereichte Klage richtet sich gegen die Ordnungsverfügung selbst, insbesondere aber gegen die Anordnung des sofortigen Vollzugs. In einem Vorab-Schreiben an die Stadt rügt der Anwalt der Bewohner:innen die Rechtswidrigkeit der Verfügung, da die Mängel, wegen derer nun die Unbewohnbarkeit des Hauses festgestellt werde, seit mehr als 14 Jahren bekannt seien und von der Stadt als Eigentümerin selbst hätten beseitigt werden müssen.

Das denkmalgeschützte Haus, früher in der Szene unter dem Namen „Der Holln“ bekannt, ist in den 80er Jahren besetzt worden, um es vor dem Verfall zu bewahren – wie viele andere damals auch. Damit ist es heute das am längsten besetzte Haus in Deutschland. Eigentümerin ist die Stadt Bochum, die irgendwann mit den Bewohner:innen eine Vereinbarung geschlossen hat: Die Stadt verzichtet auf Räumung – sie gewährt, juristisch ausgedrückt, den Gebrauch – die Bewohner:innen übernehmen die Instandhaltung selbst.

Durch eine solche „Übertragung von Leistungen“ kommt ein formloser, aber wirksamer Mietvertrag zustande, so dass die aktuellen Bewohner:innen heute dort legal leben. Normalerweise zahlen Mieter:innen Miete und bekommen als Gegenleistung eine Wohnung, die vo:n de:r Vermieter:in laufend instandgehalten wird. Hier gewährt die Stadt nur die Nutzung des Hauses, die Instandhaltung durch die Mieter:innen ersetzt die Mietzahlung.

Und darum dreht es sich: Das Haus hat Mängel, die laut einem Gutachten vom 17. September 2025 so schwerwiegend sind, dass das Haus nicht mehr bewohnbar ist und schnellstens geräumt werden muss. Der Rechtsanwalt der Bewohner:innen argumentiert, dass zwischen Gutachten und Ordnungsverfügung mehr als fünf Wochen vergangen seien, so dass jetzt die Anordnung eines sofortigen Vollzugs „rechtsmissbräuchlich“ sei.

Wichtiger aber sei, dass die Stadt selbst für den schlechten Zustand des Gebäudes verantwortlich sei. Sämtliche Mängel, auf die sich die Räumungsverfügung stützt, seien Jahrzehnte alt und schon in einem Gutachten aus dem Jahre 2011 festgehalten, ohne dass die Stadt als Eigentümerin tätig geworden sei. Ihr Pflicht zur Mängelbeseitigung sei auch nicht durch die Vereinbarung mit den Bewohner:innen erloschen, denn „da in § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB als Hauptpflicht von Vermietern die Instandhaltungsverpflichtung während der gesamten Überlassungszeit geregelt wird, darf der Kernbereich dieser Verpflichtung nicht auf die NutzerInnen übertragen werden“, so heißt es in dem Anwalts-Schreiben.

Ziel des Schreibens ist, „die Weiterführung der gerichtlichen Auseinandersetzung über die Wirksamkeit der Ordnungsverfügung dadurch zu ersparen, dass zunächst von Ihnen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügungen aufgehoben wird.“ Dies sei „auch geboten, um einen weiteren Schaden von der Stadt Bochum abzuwenden.“

bo-alternativ wird weiter berichten.