Donnerstag 30.01.25, 09:43 Uhr

Ein politisches Trauerspiel 6


Die gestrige Entscheidung im Bundestag hat bei einer Reihe von Bochumer:innen eine besondere Betroffenheit ausgelöst. Dass Merz keine Hemmung hat, mit der AFD zu paktieren, ist ein unglaublicher Tabubruch. Er ist davon überzeugt, dass es eine Stimmung unter den Wähler:innen gibt, die er für sich ausschlachten kann. Für seinen Antrag stimmten in namentlicher Abstimmung 348 Abgeordnete. Gegenstimmen: 344. Es fehlten 5 Gegenstimmen, um Merz scheitern zu lassen. Von der Gruppe von Sahra Wagenknecht hat niemand gegen Merz votiert. Acht Abgeordnete des BSW enthielten sich, zwei gaben keine Stimme ab. Das BSW hat Zünglein an der Waage gespielt und Merz und der AfD den Abstimmungssieg ermöglicht. Sevim Dagdelen und Christian Leye als MdB und Amid Rabieh als stellv. Bundesvorsitzender des BSW waren vor nicht langer Zeit in Bochum angesehene linke Politiker:innen.

Drei Wochen vor der Bundestagswahl verhelfen sie der AfD zum größten parlamentarischen Erfolg ihrer Geschichte. Wie können Menschen, so schnell so weit nach rechts abdriften? Mittlerweile ist das nicht mehr wirklich überraschend. Am Montag dieser Woche schrieb schließlich die WAZ: »Offen für den harten migrationspolitischen Kurs des Unions-Kanzlerkandidaten ist Amid Rabieh, NRW-Vorsitzender des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW): „Wir stimmen mit Merz überein, dass die unkontrollierte Migration endlich gestoppt werden muss. Aber vieles, was Merz vorschlägt, ist reine Symbolpolitik und wird das Problem nicht lösen“, sagte Rabieh. „Wer den Menschen weismacht, dass wir unsere Grenzen komplett kontrollieren können, macht ihnen etwas vor.“ Es sollten nur noch jene in Deutschland Anspruch auf ein Asylverfahren und damit auf Sozialleistungen haben, die belegen könnten, dass sie nicht aus einem sicheren Drittstaat eingereist seien.«

Bei seiner Bewerbung für einen Platz auf der Landesliste der Linken bei der letzten Landtagswahl schrieb er noch: »Während die soziale Ungleichheit in NRW jedes Jahr wächst, etabliert der Rechtspopulismus sich als neue politische Kraft und baut Flüchtlinge als ein gesellschaftliches Feindbild auf. Als Linke ist es unsere Aufgabe, überzeugende Antworten in der Flüchtlingspolitik zu geben und diese mit der sozialen Frage zu verbinden. Dies geht nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg, sondern nur in gemeinsamen politischen Aktionen mit Geflüchteten und sozialen Bewegungen. Als jemand, der selbst vor den Folgen des Iran-Irak-Krieges fliehen musste, sind die Themen Flucht und Migration für meine Politisierung maßgeblich gewesen und bis heute neben einer konsequente Antikriegshaltung Schwerpunkte meiner politischen Arbeit.«

Wenn das BSW in Bochum noch keinen Ortsgruppe gegründet hat und mit noch keinen Infostand in Erscheinung getreten ist, dann mag das auch daran liegen, dass Dagdelen, Leye und Rabieh nicht ihren ehemaligen Genoss:innen und Mitstreiter:innen begegnen möchten. Vielleicht schämen sie sich aber auch nicht und sind nur einfach abgehoben und machtverliebt.


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6 Gedanken zu “Ein politisches Trauerspiel

  • Ralf Feldmann

    Anders als heute war Amid Rabieh damals noch stolz auf seine Solidarität mit den Geflüchteten und schrieb: „ Über viele Monate habe ich … Proteste Geflüchteter mit organisiert. Gemeinsam mit Flüchtlingsinitiativen aus NRW und Schutzsuchenden u.a. aus Syrien, Afghanistan und dem Iran werden wir auch in den kommenden Monaten für gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe und gegen Abschiebungen in NRW demonstrieren.“ Jetzt will das BSW schnelle Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan.

    Heute müsste Rabieh gegen sich selbst demonstrieren. Seine Erfahrungen als Migrant führen ihn nun im BSW zu der Forderung, Menschen – mit dem Schicksal seiner eigenen Familie – an den Grenzen Europas in Lager einzusperren, aus denen heraus sie dann auf sich allein gestellt ihr Asylverfahren betreiben können, oder sie dafür in Drittländer, auch nach Afrika, zurückzuschieben. Und wenn sie es an die Grenze bei Passau schaffen würden, sollen sie ohne jede rechtliche Prüfung zur Vermeidung von Sozialleistungen, sagt Rabieh der WAZ, in das sichere Drittland Österreich zurückgewiesen werden. Oder pingpong in ein Niemandsland, wenn Österreich – nicht erst mit einem Bundeskanzler Kickl – eine Rücknahme verweigern würde. Ein besonderer Charakter an der Spitze des BSW.

    Die Enthaltungen des BSW sicherten dem Rechtsblock aus CDU, AfD und FDP erstmals eine Mehrheit im Bundestag. Ein paar Stunden nach dem Gedenken an die Befreiung der Opfer des deutschen Menschenvernichtungsstaats – für die AfD ein Vogelschiss der Geschichte, für das BSW kein Grund, ihrer menschenfeindliche Politik zu folgen. Ihr seid von Sinnen Christian Leye, Amid Rabieh und Sevim Dagdelen.

  • Lothar

    Echt jetzt? Die Namen Sevim Dagdelen, Christian Leye und Amid Rabieh stehen für die Erfolgsgeschichte der inhaltsfernen Karrierelinken in einer Partei, die in ihren Namen schon den Alleinvertretungsanspruch für dir linken Menschen in Deutschland erhebt. Dazu ist doch diese ganze Partei verkommen – Karrieresprungbrett. Jetzt auf diese drei Gestalten zu schimpfen. Was soll das? Weil man eine antifaschistische und antirassistische Vita dadurch erhäht, dass man andere als Abtrünnig bezeichnet. Ja, das kennen wir schon. Wenn man mit dem Zeigefinger auf jemanden zeigt, zeigen vier Finger zurück.

    • Ferdinand

      Es mag ja sein, dass es für eine Parteikarriere ein gewisses Maß an Eitelkeit braucht. Ohne eine linke Partei ist die Lage der gesellschaftlichen Linke aber sicher auch nicht besser. (oder verstehe ich einfach nict, was Lothar will?)

    • Martin

      Wie naiv kann man denn sein. Klar, auch Merz hat ja nur einen Antrag eingebracht und kann ja nichts dafür, dass die AfD dafür stimmt, was sie schließlich seit langem fordert. Ein Politprofi, wie Wagenknecht konnte ja auch nicht ahnen, dass die AfD-Abgeordneten sich nach der Abstimmung in den Armen liegen und ihren Sieg feiern…
      Vor zwei Jahren hätten die drei BSW Führungsleute aus Bochum noch dem Satz zugestimmt: Faschismus ist keine politische Meinung, sondern ein Verbrechen. Und heute?