Das gemeinsame Treffen des „Rat von unten“ und der Strategiewerkstatt „Kaffee auf“ war ein Ort des lebendigen Austauschs darüber, wie die emanzipatorische Bewegung in Bochum sichtbarer und wirkmächtiger werden kann. An einem der Thementische wurde sehr konkret darüber gesprochen, wie eine gemeinsame Einmischung in die Kommunalwahlen im September aussehen könnte und wie nötig das ist, wurde in einem vorangegangenen Beitrag von zwei stadtpolitisch Aktiven überdeutlich: »Der Slogan „Hier wo das Wir noch zählt“ begrüßt die Ankommenden auf den Bahnsteigen am Bochumer Hauptbahnhof. Er ziert die Fassade eines Parkhauses, an dessen Fuß ein eingezäuntes leeres Baugrundstück liegt. Der Slogan und der Ort, an dem er zu lesen ist, stehen ikonisch für den Zustand dieser Stadt und seiner politischen Klasse: Stillstand, leere Versprechungen und die Weigerung, sich der Herausforderung, die Zukunft zu gestalten zu stellen.
In Bochum werden öffentliche Schwimmbäder geschlossen, Schulen vergammeln, KiTa-Plätze fehlen, bezahlbare Wohnungen verschwinden, nutzbare Bausubstanz wird abgerissen, Grünflächen zugebaut und von einer notwendigen Verkehrswende ist nichts zu erkennen. Auch Leuchtturmprojekte wie das entstehende „Haus des Wissens“ werden an der in der Fläche zerstörten Infrastruktur nichts ändern.
Die politisch Verantwortlichen scheinen in einer Parallelwelt zu leben, in der es Armut, Wohnungsnot, kollabierende Verkehrssysteme und den Klimawandel nicht gibt, oder nicht ernst genommen werden. Die seit 25 Jahren regierende rot-grüne Rathauskoalition ist mut- und einfallslos. Sie verwaltet die alternativlos erscheinenden „Sachzwänge“ und hat keinen wirklichen Gestaltungswillen. Dass sie an diesem Zustand der Lähmung nichts ändern will, zeigt der Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters, den sie bei der Kommunalwahl 2025 in Rennen schickt: Ein pensionierter Polizeipräsident, dessen Kernkompetenz darin bestehen soll, dass er Verwaltung kann. Auch von der CDU-Opposition und ihrem OB-Kandidaten – einem importierten Verwaltungsbeamten aus dem Rheinland – sind keine Innovationen zu erwarten.
Die politische Klasse in Bochum hat sich selbst und diese Stadt abgewirtschaftet. Sie versteckt Unvermögen und Mangel hinter Einzelmaßnahmen, die mit viel Wortgeklingel und flankierenden Marketing inszeniert werden: hier ein kleines Stück neuer Radweg und dort ein neuer Trinkbrunnen. Was aber hat jemand, der in Wattenscheid-Leithe wohnt, von einem Trinkbrunnen in der Innenstadt? Es fehlen übergreifende Konzepte, die der Schlüssel für eine multifunktionale und flächeneffiziente Sozial-, Siedlungs-, Verkehrs-, Frei- und Grünraumplanung sein können und die den Anforderungen an eine lebenswerte und resiliente Stadt für alle gerecht werden. Darüber kann auch nicht hinwegtäuschen, dass vielen dieser Einzelmaßnahmen der Stempel „Bochum Strategie“ aufgedrückt wird. Die „Bochum Strategie“ ist nur ein Zauberwort und kein gesamtstädtisches Konzept, das den gemeinwohlorientierten Versorgungsauftrag der Stadt als Gemeinwesen fokussiert. Es muss um die Bedürfnisse der Menschen gehen, die hier leben und nicht um die Profilierung als lächerlichen „Hot Spot der Livekultur“.
Die Unzufriedenheit der Bochumer:innen wird im Mängelmelder, in den Bezirksvertretungen, in den sozialen Medien oder in der WAZ sichtbar. Das ist nicht immer freundlich oder konstruktiv. Aber eine Stadt, die Beteiligung immer so organisiert, dass kaum jemand etwas davon mitbekommt oder tatsächlich mitgestalten kann, darf sich nicht wundern. Partizipation findet in der Regel als Showveranstaltung statt. Entscheidungen, die das Gesicht der Stadt für die nächsten 50 Jahre oder länger bestimmen, dürfen jedoch nicht ohne Konsultation der Stadtgesellschaft alleine von einem Rat bestimmt werden, der für vier Jahre gewählt wird – auch wenn sich die Ratsmitglieder gerne auf ihre demokratische Legitimation als gewählte Vertreter:innen berufen.
Bochum hat eine starke Zivilgesellschaft: Bürger:inneninitiativen in vielen Stadtteilen, Organisationen, Gruppen und Netzwerke, die sich mit den Themen Wohnen, Stadtentwicklung, Mobilität oder Ökologie und Klimawandel beschäftigen. Ihr Engagement und ihre Expertise sind beeindruckend. Sie setzen Impulse, formulieren konkrete Alternativen und mischen sich in die Stadtpolitik ein. Aber ihre zivilgesellschaftliche Initiative ist nicht willkommen und wird von Politik und Verwaltung als lästige Störung abgekanzelt oder ignoriert. Es ist unfassbar, wie die Ratsmehrheit den Bochumer Radentscheid aus formalen Gründen abgewehrt hat oder mit welcher Arroganz der Macht sie der Initiative für den Erhalt des Freibades in Höntrop begegnen.
Bei der Implementierung von verbindlichen Beteiligungsstrukturen, die in anderen Städten längst etabliert sind, liegt Bochum Lichtjahre zurück. Sie sind einfach nicht gewünscht. Denn dafür bräuchte es Mut, Ehrlichkeit, Visionen und die Breitschaft zu Innovation und Experiment. In Reallaboren könnten stadtpolitische Maßnahmen erprobt werden. Wie erreichen wir die besten Lösungen? Wie wird aus Konflikt Kompromiss? Wie wird aus unterschiedlichen Lösungen ein Weg, den alle gut finden? In aktuellen europäischen Leitlinien zur Stadtplanung, wie der „Neuen Leipzig-Charta“, werden solche Aushandlungsprozesse, an denen Politik, Verwaltung und Bürger:innen beteiligt sind, als Koproduktion bezeichnet. Dafür fehlt in Bochum nicht nur der politische Wille, sondern Politik und Verwaltung sind hier auch von einer tiefen provinziellen Ahnungslosigkeit geprägt.
Wir sind Teil der Bochumer Zivilgesellschaft und wir wollen diese Stadt nicht mehr nur aushalten müssen, sondern verändern. Wir sind oft wütend und frustriert, aber unser Engagement hat Leidenschaft und Kontinuität. Wir wollen etwas. Das ist unsere Stärke.
Bochum braucht Bewegung. Wir fordern dazu auf, den unbeweglichen rot-grünen Machtblock aufzubrechen zugunsten von wechselnden Mehrheiten, die an der Sache interessiert sind und nicht an parteipolitischer Profilierung oder an Fraktionszwänge gebunden. Wir wollen eine andere politische Kultur in dieser Stadt. Eine demokratische Kultur, die zuhört und Bewohner:inneninteressen einbezieht. Wir wollen eine Stadt, die sich als Gemeinwesen begreift und nicht als Konzern. Wir wollen eine Stadt die in soziale Infrastruktur investiert und sich um die Daseinsfürsorge ihrer Bewohner:innen kümmert. Eine Stadt, die den Klimawandel ernst nimmt und sich resilient aufstellt.
Nutzen wir die Kommunalwahlen 2025 als Bühne, um uns einzumischen, Alternativen aufzuzeigen und Forderungen zu stellen. Das geht nicht alleine. Eine Wirkung erfahren wir, wenn wir uns als Akteure der Zivilgesellschaft in unserer Unterschiedlichkeit aufeinander beziehen und das Gemeinsame hervorheben. Dafür brauchen wir Neugierde, Offenheit und Vertrauen. Ideen und Expertise haben wir reichlich. Bewegen wir Bochum!«
Wer Interesse an einer aktiven Mitarbeit an dem Projekt der kommunalpolitischen Einmischung hat wendet sich bitte an die E-Mail-Adresse der Strategiewerkstatt hier