Samstag 21.12.24, 21:05 Uhr

Antifa – Schulter an Schulter, wo der Staat versagte! 1


Das offene AntifaCafé schreibt: »Direkt zu Jahresbeginn wird in Bochum erneut der Antifafilm von Leftvision gezeigt. Diesmal lädt die Antifalinkebochum und das Offene AntifaCafé in das altehrwürdige Metropolisbochum. Wir wollen den knapp 200 Personen umfassenden Kinosaal zu Jahresbeginn voll machen und Antifas aus dem Ruhrpott die Möglichkeit bieten gemeinsam erneut oder zum ersten Mal diesen tollen Film zu sehen. Eintritt wird gegen einen Spendenpreis erfolgen. Die Kinokarten sind demnächst erhältlich.«
16.1.2025 18 Uhr Metropolis im Hauptbahnhof


Ein Gedanke zu “Antifa – Schulter an Schulter, wo der Staat versagte!

  • Clement M.

    Mein Kommentar zu diesem Film: Don`t believe the hype!
    Wer einen Film sehen möchte in dem eine sich um sich selbst drehende jugendaffine Szene ihren eigenen machistischen und a-historischen Mythos strickt, dann ist er in dem Film „Antifa – Schulter an Schulter, wo der Staat versagte“ gut aufgehoben.
    Die mehr oder weniger gelungenen Interviews von ehemaligen AktivistInnen der 90er Jahre sollen Authentizität und Integrität erzeugen, unterstreichen aber in ihren Aussagen und in der Auslassung diverser Fragestellungen nur die dynamisch zusammengeschnittenen Actionszenen von Bengalos, Transparenten, wehenden Fahnen und vermummten DemonstrantInnen. Hier wird reduziert um ein Mutmach – Effekt von vermeintlicher Stärke zu erzeugen. Die Geschichte der antifaschistischen Bewegung und ihrer diversen Schattierungen wird in diesem Film nicht erzählt. In „Antifa – Schulter an Schulter, wo der Staat versagte“ wird die Geschichte der antifaschistischen Bewegung der 90er Jahre in der BRD zurechtgestutzt, verfremdet und für einen in die Zeit 2023/2024passenden Agit-Prop und Mutmach-Film verwandelt. Lernen tut man hier Nichts.
    Man lernt Nichts über die Hintergründe und Strukturen der Antifabewegung(en), die Verwurzelung, Einbindung und Vernetzung ihrer AktivistInnen in andere linke Bewegungen und somit Antifaschismus nicht wie heute als Babbel existiert, sondern ein integrierter Bestandteil gesellschaftlicher Utopien von linken Bewegungen war. Man lernt Nichts über Antifa-AktivistInnen aus der migrantischen Gesellschaft, den Antifa-Gencliks und anderen. Ebenso Nichts über die Mitgliedern diverser Subkulturen oder des proletarischen Milieus, die meist demo-fern und abseits aktiv waren und die in ihrer Militanz den bürgerlichen Antifamilieu weit voraus waren, sowie von den Nazis mehr gefürchtet wurden als die Gruppen, die sich „Antifaschistische Aktion“ nannten und die hier im Film so angepriesen werden. Am ehesten zu vergleichen waren diese proletarischen, subkulturellen und migrantischen Milieus und Antifa-Bereiche mit den Edelweisspiraten von 1933 – 1945. Aber diese wichtigen Milieus und Gruppen gibt es in diesem Film nicht. Soziale und kulturelle Verankerung, das was die antifaschistischen Bewegung(en) damals so stark gemacht hat ist eine komplette Leerstelle in diesem Film. Es gibt in diesem Film auch nicht die Frage des Internationalismus und einer revolutionären Perspektive, was viele damals noch bewegte. Hier geht es nur um Anti-Nazi und ACAB-pictures. Mehr nicht. Gesellschaftliche Utopien – ein der wichtigsten Dreh- und Angelpunkte des Antifas und auch der unterschiedlichen Segmentierung unter ihnen – auch das eine Leestelle. Die Frage nach Anti-Sexismus und Patriachat, die damals auch geführt wurde, gerade auch über das machistische Auftreten und die Gewaltfokussierung. Dies beantwortet der Film dadurch, dass er gerade diesen Gewaltfetisch betreibt und die Frage nach Inhalten und Form gar keinen Raum gibt. Welche Strukturen wurden aufgebaut, wo, wer hat sie getragen? Nur in diesen lautstarken Szene-Hauptstädten (aus denen die Interviewten stammen) oder gab es auch in der Bundesrepublik Provinz-Antifas (die wohl die Mehrzahl darstellten)? Nur das Apabiz als Archiv-, Recherche-, Publikations- und Bildungsprojekt? Das nenne ich Hauptstadtzentrierung von Filmemachern aus der Hauptstadt. Auch nicht ein Kommentar dazu welche Nazis, sich wie und unter den Bedingungen eines wiedervereinten Deutschlands aufstellten. Welche Kampagnen gab es dagegen von den unterschiedlichen Antifas, warum, wie, und waren sie erfolgreich? Diese und diverse Frage ergeben sich beim Betrachten des Films.
    Das großspurige Versprechen einen Ein- oder Ãœberblick über die antifaschistische Bewegung zu geben, löst dieser Film nicht ein. Die MacherInnen bewerben ihren Film mit: “Zum ersten Mal sprechen fünf Antifa-Aktivist:innen ausführlich über die Hintergründe und Praktiken einer ungewöhnlich professionellen Bewegung, die der aufblühenden Neonaziszene im wiedervereinigten Deutschland nach 1989 entgegentrat.“ Nein, das tut dieser Film mit dem schrecklichen Titel „Antifa – Schulter an Schulter, wo der Staat versagte“ nicht.

    Meine Bewertung zu diesem Film fällt nicht positiv aus: Sehnsuchtsort – rechtes Pogrom.
    Der Film hat weniger mit linker Geschichtsschreibung, denn mit „Antifa-Porn“ zu tun. Man gruselt sich im heimlichen Genuss an rohen Bildern rechter Gewalt, die man bei Poppkorn im sicheren Kinosessel empfindet. Ein Sehnsuchtsort von Gefahr und Gewalt wird erzeugt, wo die Antifa wie Superman einfliegt. Interviewbeiträge, Dramaturgie und Schnitttechnik legen dies einem nahe. Pupertierende Omnipotenzphantasien. Emotionale kicks für eine um sich selbst drehende Jung-Macker-Antifa-Babbel. Leider nicht mehr.
    Wer einen Mutmach-Film in schweren Zeiten braucht. Wem martialische Musik, wehende Fahnen und Banner, markigen Sprüche und machistisches Poosen gefallen, der sollte sich mit Mate und Bio-Popp-Korn im Januar zum public-viewing im Kinosessel sein Wirgefühl abholen.
    Wer aber etwas über die Gruppen und Strukturen der 80er und 90er Jahre erfahren will, sollte sich woanders umtun. Und wer generell aus der Geschichte der unterschiedlichsten Länder, Zeiten und antifaschistischen Bewegungen und Gruppierungen lernen will, aus den Niederlagen, den Siegen, den Abstürzen, den Mühen der Ebenen, dies um den Faschismus zu besiegen, der oder die sollte zunächst eine Erkenntnis für sich sichern: „Don`t believe the hype“.

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