Inzwischen liegt uns eine Rede und ein Grußwort zum Bildungsprotest vor:
Rede von Elias Bala | BSV Bochum
»Es ist an der Zeit, einen Blick auf unser Bildungssystem zu werfen und ehrlich über seine Rolle in unserer Gesellschaft nachzudenken. Heute werden viele Reden gehalten, die sich auf konkrete Probleme in unseren Schulen konzentrieren. Doch ich möchte die Frage stellen: Ist Bildung wirklich die Lösung? Ist sie so entscheidend für den Erfolg, wie uns oft suggeriert wird? Ich denke: Bildung allein ist nicht der Kern der Lösungen aktueller Probleme.
Diese Aussage mag zunächst schockieren, doch es lohnt sich, genauer hinzusehen. Bildung wird bestenfalls überschätzt, schlimmstenfalls reproduziert sie soziale Klassen. Wir müssen uns eingestehen, dass nicht alle Herausforderungen der Welt durch Bildung gelöst werden können. Die Schule spielt zweifellos eine sehr wichtige Rolle. Doch erwartet nicht, dass durch Bildung alle gesellschaftlichen Probleme, sei es Arbeit, Wohnen, Klimakrise oder Diskriminierung gelöst werden können.
In Deutschland erleben wir, dass über vier Millionen Menschen in Berufen arbeiten, für die sie überqualifiziert sind. Bildung ist kein Garant zum Schutz vor Armut! Reichtum und Glück sind die wahren Schutzschilde vor der Bedrohung durch Armut, und nichts sonst.
Bildung und Wissen sind wunderbare Dinge, die uns zur Entfaltung unserer Persönlichkeit, zur Demokratie und zur Aufklärung führen können. Doch das derzeitige Bildungssystem erfüllt diese Aufgaben nicht mehr. Doch statt uns zu Arbeitskräften zu machen, sollte es uns die Zeit geben, uns beispielsweise in die Werke von Friedrich Dürrenmatt zu vertiefen, Vektoren zu studieren und uns der Geschichte der Frauenbewegung zu widmen.
Es ist ein häufiges Argument, dass Schüler*innen lieber praktische Fähigkeiten für ihre berufliche Zukunft erlernen sollten, anstatt Texte zu analysieren. Doch dies liegt daran, dass das Interesse an Bildung und Wissen in der Schule gebrochen wird. Wir müssen erwirken, dass Lernen nicht als Zwang empfunden wird, sondern als selbstbestimmter Weg.
Das Problem mit dem aktuellen Bildungssystem besteht darin, dass es Hoffnungen auf soziale Gleichheit weckt, die kaum erfüllt werden können. Die Schule sollte ein Ort sein, an dem wir gemeinsam über drängende Probleme wie die Klimakrise, Diskriminierung und soziale Ungleichheit nachdenken. Es ist an der Zeit, eigene Lösungen zu suchen und zu finden.
Der spanische Soziologe César Rendueles bringt es auf den Punkt: „Die Verfechter des Leistungsprinzips glauben, dass das egalitäre Potenzial der Bildung darin besteht, den Armen Waffen in die Hand zu geben, mit denen sie auf den Schlachtfeldern des Sozialdarwinismus konkurrieren können. Das ist völlig falsch.“ Die Schule hat die unersetzliche Aufgabe der Demokratiebildung, die sie derzeit nicht erfüllen kann. Leider kommt es viel zu selten vor, dass junge Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft über einen längeren Zeitraum zusammenkommen.
Das finnische Bildungssystem wird oft als Beispiel für eine erfolgreiche Reform angeführt. Flexibilität, keine Prüfungen, keine Hausaufgaben – der*die Schüler*in steht im Mittelpunkt. Doch diese Reform fand vor dem Hintergrund der Egalitarisierung der Gesellschaft statt. Es ist an der Zeit, uns zu fragen, ob auch wir eine neue Bildungsgleichheit brauchen.
In Anbetracht all dessen appelliere ich an uns alle, einen kritischen Blick auf unser Bildungssystem zu werfen. Lasst uns gemeinsam nach Wegen suchen, wie wir Bildung nicht als Mittel zur Reproduktion sozialer Ungleichheit, sondern als Instrument der Selbstbestimmung und Demokratie nutzen können. Es ist an der Zeit für Veränderungen, für eine Bildungsreform, die nicht nur auf theoretischen Überlegungen beruht, sondern unsere Gesellschaft tatsächlich voranbringt.«
Und hier das Grußwort GSW:
Grußwort der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Bochum zum Bildungsprotesttag am 13. März 2024 in Bochum
»Liebe Demo-Teilnehmenden,
wir als GEW Bochum möchten uns ausdrücklich der Initiative der BSV anschließen und freuen uns sehr darüber, beim Thema Bildungspolitik so tolle Bündnispartner*innen zu haben.
Bildung ist eine der wichtigsten Säulen unserer Demokratie. Dabei geht es nicht nur darum Englisch, Deutsch und Mathe zu lernen, um später Gelerntes im Beruf anzuwenden und damit unser Geld zu verdienen.
Erschrocken stellen wir fest, dass die Gemeinschaft der Despoten, Rechten und Antidemokrat*innen wächst. Gegen autokratische Regime hilft eine Gesellschaft, in der Demokratie auch aktiv gelebt wird.
Wenn es gut läuft, lernen wir in der Schule etwas über Klimawandel oder städtische Infrastruktur und demokratische Mitbestimmung.
Darum setzen wir uns als GEW besonders für eine gerechte und gute Bildung für Alle ein. Denn wer weiß, wie die Welt funktioniert, kann auch bei ihrer Gestaltung mitmachen. Das darf nicht nur für die Privilegierten gelten, sondern muss für Alle möglich sein.
Darum ist es besonders wichtig, dass Bildung bei uns in Schule sich diesen Werten auch anpasst und demokratischer wird. Demokratie und Menschenrechte sind nicht nur inhaltlich wichtig, sie müssen sich auch im Alltag der Schulen widerspiegeln, im Unterricht und bei gemeinsamen Aktivitäten in der Schule.
Um das zu gewährleisten, brauchen wir deutlich mehr Personal und Ressourcen an den Schulen. Die alte Parole der GEW „Ungleiches ungleich behandeln“ gilt immer noch. Besonders die Schulen, die Schüler*innen aus benachteiligten Familien bekommen, benötigen dringend mehr Unterstützung bei Personal, Ausstattung, aber auch in der schulischen Infrastruktur. Der Ganztag unterstützt alle Eltern, die berufstätig sind, alleinerziehend sind oder sich um weitere Carearbeit kümmern müssen. Dieser Ganztag muss so organisiert sein, dass es schön ist an diesem Ort zu sein. Das heißt, es muss gutes Essen geben, interessante Freizeitangebote, Sport und Kreatives. Wir können dort lernen uns in unserer diversen Gesellschaft zu organisieren.
Das Ganze geht nicht ohne gute Arbeitsbedingungen für alle, die an diesem Ort arbeiten. Ob als Lehrer*in, Sozialarbeiter*in oder Hausmeister*in.
Ob in der Pflege, oder im Verkehr, wenn es um den Zugang zu Infrastruktur geht, müssen wir zusammen unsere Forderungen stellen. Denn eine gute und funktionierende Infrastruktur ist die Grundlage für die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft. Die Zusammenarbeit des Pflegepersonals mit den Patient*innenverbänden hat gezeigt, dass dies ein starkes Bündnis ist, was einiges erreicht hat. Genauso wie die gemeinsame Kampagne von Fridays for Future und den Beschäftigten im Nahverkehr #wir fahren zusammen .
Wir freuen uns sehr über die Zusammenarbeit mit der BSV.
Wenn wir eine gemeinsame demokratische Zukunft gestalten wollen, gehört Schule und Bildung unbedingt dazu und wir sind alle in der Pflicht dafür zu kämpfen, dass davon alle profitieren können. Ob als Schüler*in, als Beschäftigte oder als Eltern.
Darum wünschen wir allen Teilnehmenden eine kraftvolle und gut gelaunte Demo, auch wenn einige von uns heute nicht dabei sein können. Es wird nicht unsere letzte Aktion bleiben. Wir bleiben dran.
Rebecca Sirsch
Für die GEW Bochum«
„Hallo zusammen,
mein Name ist Lars Kreutner, ich bin 18 Jahre alt und werde in wenigen Monaten mein Abitur am Heinrich-von-Kleist-Gymnasium schreiben.
Aber warum stehe ich heute hier? Weil ich verunsichert bin. Weil ich nicht weiß, ob ich wie geplant Mitte April mein Abitur schreiben kann, denn letztes Jahr gab es eine landesweite Panne bei den Prüfungen. Die vom Kultusministerium hochgeladenen Abi-Prüfungen konnten nicht heruntergeladen werden, so dass die höchste Abschlussprüfung in sechs (!) Fächern verschoben werden musste.
Wer verspricht mir, dass es dieses Jahr nicht wieder so sein wird? Wer kann mir die Hand ins Feuer legen, dass ich mein Abi in Geschichte am vorgesehenen Tag schreiben kann? Richtig: Niemand! Denn es kann immer passieren! Ich könnte mich auf einen Gegner vorbereiten, der dann doch nicht zum Kampf antritt.
Bildungsministerin Feller hat angekündigt, das Download-System für 2024 „optimieren“ zu wollen, um einen solchen Skandal in diesem Jahr zu verhindern. Aber will ich eine Optimierung? Eigentlich wünsche ich mir, dass unsere Bildung keine Optimierung mehr braucht! Lasst uns heute gemeinsam dafür eintreten, dass unser Bildungssystem nicht „punktuell optimiert“, sondern grundlegend verbessert wird! Vielen Dank!“
„Hallo auch von mir!
Mein Name ist Kina Wiemers und ich besuche zur Zeit die neunte Klasse des HvK-Gymnasiums.
Das derzeitige System „Schule“ kann meiner Meinung nach abdanken. Was meinen wir eigentlich, wenn wir von „Schule“ sprechen? Haben wir einen Ort im Kopf, an dem Schüler*innen die Dinge lernen, die sie lernen wollen und an dem eine faire, möglichst objektive Bewertung der eigenen Entwicklung gemacht wird? Oder haben wir eher den Status quo vor Augen? Denken wir an die Sortiermaschine „Bildungssystem“, die sich anmaßt, uns nach vier Jahren Schule in „akademisch brauchbar“ und „akademisch unbrauchbar“ einzuteilen?
Wir denken wahrscheinlich eher an das, was wir von der Schule und vom Bildungssystem erwarten. Und dann stellen wir fest, dass es einen Unterschied gibt zwischen dem, was wir wollen, und dem, was wirklich ist. Kämpfen wir dafür, dass das, was wir uns wünschen, Wirklichkeit wird: Eine gerechte Schule und Bildungsgerechtigkeit!“