Dienstag 20.02.24, 09:53 Uhr
4 Jahr Hanau, Dr. Ruer-Platz, 19.2.2024

Uli Borchers, Bochumer Bündnis gegen Rechts


4 Jahre nach den Morden in Hanau wissen wir fast Alles über Vorgeschichte und Hergang der Morde:
wir kennen den Täter und seinen Vater, der Vater teilt die Ansichten seines Sohnes !
wir kennen den Ablauf
wir kennen das „Bekenntnis“ des Täters und die Begründung für sein Verhalten : sein rassistisches Weltbild, sein Hass auf Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte

Wir sind in der Lage, diese Morde zu bewerten, einzuordnen in alle anderen gewalttätigen rechtsextremistischen Anschläge der letzten Jahrzehnte. Rostock – Lichtenhagen, Eberswalde Mölln, Solingen, Hünxe, Dortmund (!), Kassel (!), Halle,

nur Stichworte für Orte, an denen Rechtsradikale mit Brandsätzen Wohnungen und Häuser in Brand gesetzt haben und es Tote gab.

Immer von diesen Anschlägen betroffen waren Kinder, Frauen und Männer anderer Herkunft, Nationalität und Hautfarbe.

Die Verbrechen des NSU gehören in diese Bilanz und die dokumentierte Zahl von ca. 200 Frauen und Männern, die insgesamt seit 1992 durch Rechtsradikale getötet worden sind.

Zu diesen gehört auch Josef-Anton Gera, der 1997 auf dem Westpark-Gelände von Neonazis so schwer verletzt wurde, dass er an den Verletzungen starb.

Wie aber geht es eigentlich den Überlebenden des Anschlags und den Familienmitgliedern, die Bruder, Schwester, Tochter verloren haben?

Wie verarbeiten sie ihre Erlebnisse?

Was haben sie gemacht und was machen sie heute?

Ich weiß nicht viel darüber, aber das was ich weiß, will ich hier sagen:

-Armin Kurtovic, Vater von Hamza Kurtovic, setzt sich besonders für die Aufklärung des Attentats ein.

Dazu gehört auch die Beantwortung der Frage, warum am zweiten Tatort der Arena Bar, der Notausgang versperrt war.

Der Untersuchungsausschuss hat nämlich festgestellt, dass sein Sohn bei zu öffnender Tür noch leben könnte.

In einem kürzlich veröffentlichten „Offenen Brief“ verlangt er, „endlich auch die Fehler von Behörden und Polizei aufzuklären, zuzugeben und nicht zu vertuschen“ (FR  17.2.2024)

-Cetin Gültekin hat ein Buch über sich und seinen Bruder Gökhan geschrieben.

Es ist die Geschichte seiner Eltern, die aus der Türkei nach Deutschland gekommen sind,

seine langjährigen Erfahrungen mit Rassismus

und die Versäumnisse, die bei der Aufklärung zu Tage getreten sind.

-Said Etris Hashemi beschreibt in seinem Buch („Der Tag an dem ich sterben sollte.“), wie er überlebt hat, wie er sich engagiert gegen Rassismus und in der „Initiative 19.Februar“.

Diese Initiative von Überlebenden, Familienmitgliedern und UnterstützerInnen hat übrigens Bemerkenswertes erreicht:
-sie hat erreicht, dass es im Hessischen Landtag überhaupt einen Untersuchungsausschuss zu den Morden gegeben hat
-sie hat herausgefunden, „dass 13 der 20 bei der Erstürmung des Täterhauses am 19.Februar 2020 eingesetzten SEK-BeamtInnen in einer rechten Chatgruppe waren“ (FR 5.1.2024)

-aber die Initiative hat nach 4 Jahren auch herausgefunden, dass es fast so gelaufen ist, wie immer:es besteht kein ernsthaftes Interesse daran, den strukturellen Rassismus in Behörden anzugehen.

„Ohne die Angehörigen, die Initiativen und die Arbeit von JournalistInnen wäre nichts an die Öffentlichkeit gekommen. Nicht das Versagen des Notrufes, nicht der verschlossene Notausgang in der ArenaBar…und auch nicht der unerträgliche Umgang mit den Angehörigen“ (Heike Kleffner FR 5.1.2024).

Es wäre alles genauso gelaufen, wie wir es aus den Ermittlungen zu den NSU-Morden kennen!

Unsere Proteste in Bochum und anderswo richten sich gegen die Deportationspläne der AfD und die rechtsradikale Partei insgesamt.

Wir konzentrieren uns auf die AfD, aber meinen den Rechtstrend in der Gesellschaft. 

Unsere Kritik am Rechtstrend wird die derzeitige Regierung und Teile der bürgerlichen Parteien nicht auslassen.

Diese Kritik ist immer dann gerechtfertigt, wenn politische Entscheidungen Rassismus in der Gesellschaft nicht verhindern, sondern fördern und verfestigen.

Wenn wir bei dieser Einstellung bleiben, für eine solidarische Gesellschaft einzutreten und dies bei jeder Gelegenheit zeigen, dann unterstützen wir die Überlebenden der Hanau-Morde unmittelbar. Uli Borchers
19.2.2024