Liebe Antifaschist*innen,
Liebe Kolleg*innen,
Antifaschismus gehört zum Grundkonsens von Gewerkschaften – nicht erst seit ihrer Zerschlag durch den deutschen Faschismus am 2. Mai 1933.
Unsere Kernaufgabe ist es, gegen die Logik der Vernutzung von Mensch und Natur das Leben in den Mittelpunkt unseres gewerkschaftlichen Handelns zu stellen.
Wer vom Faschismus redet, darf vom Kapitalismus nicht schweigen!
Ich heiße Katharina Schwabedissen. Ich bin Bochumerin und in den Städten Essen, Mülheim und Oberhausen als Gewerkschaftssekretärin zuständig für Krankenhäuser und den Sozial- und Erziehungsdienst: Kitas, OGSen, Beratungsstellen.
In wenigen lohnförmigen Arbeitsbereichen zeigt sich so deutlich wie hier, die ganze Menschenverachtung des Kapitalismus, die der Boden ist, auf dem Faschismus wächst.
Zu behaupten, dass diese Betriebe erst in der Coronapandemie zu vermeintlichen Krisenorten wurden, ist eine Lüge. Seit Jahrzehnten werden sie auf Kosten von Beschäftigten, Patient*innen, Kindern, Eltern, Angehörigen nicht ausreichend finanziert. Zu wenig Personal, schlechte Infrastruktur, lange Wartezeiten – wir kennen das alle.
Von Nelson Mandela stammt die Aussage, dass man den Zustand einer Gesellschaft an ihrem Umgang mit ihren Alten, Kranken und Kindern erkennen könne. Es ist schlecht bestellt um den Zustand unserer Gesellschaft.
Aber woran liegt das? Es ist doch absurd, dass in einem der reichsten Länder der Erde frühkindliche Bildung, die Gesundheitsversorgung, die Altenhilfe vor dem Kollaps stehen. Und genau das erleben wir aktuell. Nichts ist mehr sicher in diesem Bereich: Kitas schließen Gruppen, die dringend benötigt werden. Wir erleben hier in NRW gerade eine Welle von kalten Insolvenzen, die zu Klinikschließungen führen, in Gebieten, in denen die Notfallversorgung schon jetzt in Frage steht. Aktuell wird ein Landeskrankenhausplan umgesetzt, der davon ausgeht, dass in den nächsten Jahren 570.000 Fälle nicht mehr stationär, sondern ambulant versorgt werden. Dafür werden weder die Strukturen, noch das Geld bereit gestellt, das nötig wäre, um eine gute, zeitgemäße Versorgung sicher zu stellen. Es gibt auch keinen Plan, wie das aussehen könnte. Es gibt offenbar weiterhin die Idee, dass der Markt es regeln wird.
Wir wissen, dass der Markt es nicht regeln wird. Es ist ein weiterer Versuch der Umverteilung von öffentlichen Geldern in private Taschen.
Warum erzähle ich das alles?
Faschismus entsteht, wenn die sozialen Garantien des Lebens nicht mehr garantiert sind – immer mehr Menschen davon betroffen sind. Daraus wächst Angst und Wut. Dann gibt es zwei Möglichkeiten:
1. Für diese Garantien zu streiten – das machen wir mit jedem Arbeitskampf um mehr Personal, mehr Gehalt. Und darum ist es so wichtig, sich in Gewerkschaften zu organisieren! Organisiert euch!
Die zweite Möglichkeit wählen alle, die nach unten treten und nach oben buckeln. Dann wird Menschen auf der Flucht ihr Recht auf ein selbstbestimmtes Leben abgesprochen. Sie ertrinken im Mittelmeer, werden in Lager gesperrt, erhalten Lebensmittelkarten, müssen in Sammelunterkünften leben und bekommen nur eine Basisversorgung, wenn sie krank werden. Auch das müssen die Kolleg*innen, die in der sozialen Arbeit arbeiten, aushalten.
Dann wird die Bürgergeldempfänger*in zur Konkurrentin um preiswerten Wohnraum, Kitaplätze, gute Arbeit.
Dabei wissen wir alle, dass die Frage nach Wohnraum, Sozialleistungen, Kitaplätzen, guter Versorgung bei Krankheit und im Alter keine Frage mangelnder Gelder ist. Es gibt schlicht nicht den politischen Willen. Der Mangel ist gewollt. „
Zwei Zahlen aus dem Bundesetat 2024 machen das deutlich: fast 52 Milliarden Euro sind eingestellt für den Kriegsetat. Für Gesundheit gibt es weniger als 17 Milliarden Euro.
Es gibt kein Sondervermögen für Bildung. Es gibt kein Sondervermögen für Gesundheit. Hier werden die sozialen Garantien des Lebens aktiv von den Regierenden in Frage gestellt.
Vor zwei Jahren haben in NRW alle sechs Unikliniken für mehr Personal 11 Wochen lang streiken müssen. 11 Wochen Streik von Beschäftigten, damit sie ihre Patient*innen gut versorgen können, ohne dabei selbst krank zu werden. Sie kamen ein einziges Mal mit ihrem Streik in die Tagesschau: Als sie im sogenannten Schwarzbuch aufgeschrieben haben, was eigentlich unsagbar ist: Das Personalmangel tötet – jeden Tag. Die Fürsorge, die hier jeden Tag professionell geleistet wird, hat niemanden interessiert. Spannend war nur der Skandal.
Wenn wir verhindern wollen, dass Menschen die AFD oder andere reaktionäre Partei und Organisationen unterstützen, dann müssen wir hier mit unserem Widerstand beginnen und für die sozialen Garantien des Lebens kämpfen. Dann gehört das Leben in den Mittelpunkt des Handelns und nicht der Profit – und zwar das Leben aller, überall.
Wenn unsere Regierungen es ernst damit meinen, eine „Brandmauer gegen Rechts“ aufstellen zu wollen, dann ist das jetzt ihre politische Aufgabe! Dann muss die Schuldenbremse weg und der Ausbau der sozialen Infrastruktur her: Hier bei uns und in den Ländern, auf deren Kosten unser Reichtum entstanden ist.
Antifaschismus ist mehr als ein Lippenbekenntnis. Es ist der aktive Widerstand gegen die Ausbeutung von Mensch und Natur. Wir stehen vor der Entscheidung, ob nach den Demonstrationen einfach weiter gemacht wird wie vorher – oder ob sie der Auftakt sind für eine grundlegende Abkehr von einer Politik, die das Soziale auf Plakate druckt und dann Milliarden in die Wirtschaft steckt und Kliniken, Kitas und Altenheime darüber kaputt gehen.
Die Kolleg*innen in diesen Betrieben werden das allein nicht verhindern. Sie sind längst an ihren Grenzen angekommen. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe. Übernehmen wir sie! Unterstützt die Streikenden im ÖPNV, im Handel, an den Flughäfen, in den Klinken – überall.
Denn genau wie Antifaschismus bleibt Sozialpolitik tägliche, solidarische Handarbeit!
Glück auf!