Freitag 08.09.23, 16:23 Uhr

Kritische Zugänge


Die Fachschaft Orientalistik der Ruhr-Uni Bochum wartet aktuell mit einer vielversprechenden Veranstaltungsreihe auf. Mit der Projektwoche „Kritische Zugänge – Arabistik und Islamwissenschaft“, verfolgt sie das Ziel, die Pluralität der „arabisch-islamischen Welt“ einem breiten Publikum zu vermitteln. Dabei soll nicht nur aufgezeigt werden, dass es innerhalb des Islams eine große Vielfalt gibt, sondern auch, dass die „arabisch-islamische Welt“ weit mehr ist als Islam. So beschäftigt sich die Reihe unter anderem mit den Themen Rassismus und Postkolonialismus, Gender und Sexualität.

Die Fachschaft schreibt: »Kommt gerne vorbei und diskutiert mit uns oder schaltet euch online dazu. Alle Vorträge findet ihr zusätzlich im Livestream:
https://www.youtube.com/@philolotsenrub3302
Für weitere Ankündigungen schaut hier
https://www.ruhr-uni-bochum.de/orient/mam/kritische-zugaenge.pdf)
oder auf Instagram
@fachschaft_orientalistik_rub

 

Montag, 16.10., 16:00, GABF 04/257
(Englisch) Reflections on Gender, Queerness and Middle Eastern Studies: Where Are We?
Serena Tolino

This presentation reflects on the importance of historicizing our understanding of gender, focusing on research on Queerness within Islamic and Middle Eastern Studies. After an overview of the main directions of research in LGBTQI+ studies between the 1990s and today in our field, I will reflect on the importance of including historical perspectives, but also reflections on positionality, activism and social change when thinking about gender in our field.

 

Montag, 16.10., 18:00, GABF 04/257
Verschwörungsnarrative im türkischen Nationalismus. Zur Rolle von Antisemitismus und antiarmenischem Rassismus in der Türkei und in Deutschland
Ismail Küpeli

Der türkische Nationalismus in Deutschland hat sich im Kontext der hiesigen Gesellschaft verändert und ist damit eine von zahlreichen nationalistischen Ideologien der vielfältigen Migrationsgesellschaft in Deutschland. Dabei sind aus der Ideologie des türkischen Nationalismus in der Türkei verschiedene Narrative in den türkischen Nationalismus in Deutschland übertragen und angepasst worden, die für Verschwörungserzählungen im Kontext des antiarmenischen Rassismus und des Antisemitismus relevant sind. Bei dieser Übertragung kommt es auch zu Veränderungen in Ausformulierung und Funktion der einzelnen Narrative und zu Verschiebungen im Verhältnis zwischen antiarmenischem Rassismus und Antisemitismus.

In seinem Vortrag analysiert Dr. Ismail Küpeli die ideologischen Entwicklungen des türkischen Nationalismus mit Fokus auf Rassismus und Antisemitismus und zeigt Ansätze auf, wie diese antidemokratischen und antipluralistischen Ideologien zurückgedrängt werden können.

 

Dienstag, 17.10. 16:00, GABF 05/608
Die Umayyadenmoschee in Damaskus: Transkulturalität und Kritik
Hanna El Kabbout

Wie können Transkulturalität und die damit verbundenen Transformationsprozesse verstanden werden? Wie kann die Architekturgeschichte der Großen Umayyadenmoschee in Damaskus durch relevante arabische Quellen analysiert werden?

Der Vortrag untersucht die transkulturelle Dimension der Architektur und die Position der zeitgenössischen Autoren, die darüber geschrieben haben. Konkret wird das Konzept der Transkulturalität hinterfragt und überlegt, wie es im Kontext der Umayyadenmoschee diskutiert, erklärt und kritisch bewertet werden kann. Damit werden die komplexen kulturellen Dynamiken, die die Architektur der Moschee und die sie umgebenden Diskurse prägten, beleuchtet.

 

Dienstag, 17.10. 18:00, GABF 05/608
„Verwobenheit von Rassismus und Heteronormativität“ am Beispiel Queer of Colors bzw. Queers mit Rassismuserfahrungen
Zülfukar Cetin

Der Vortrag basiert auf der Dissertationsarbeit von Zülfukar Çetin „Homophobie und Islamophobie. Intersektionale Diskriminierungen am Beispiel binationaler schwuler Paare in Berlin“. Im Vortrag geht Zülfukar Çetin auf die Verwobenheit von Heteronormativität und Rassismus sowohl theoretisch als auch empirisch ein. Während ein Schwerpunkt auf den Erfahrungen von queeren Personen in Deutschland liegt, stellen die Heteronormalisierung und Orientalisierung, wie Rassifizierung der queeren of Color, einen anderen Schwerpunkt dar.

Abschließend liest Zülfukar Çetin Interviewauszüge aus seinem Buch. Hierbei handelt es sich um Berichte über Diskriminierungserfahrungen mit Homophobie, Rassismus, sozialen Benachteiligungen und mehrdimensionalen Diskriminierungen, womit die Interviewten in ihrer Lebensgeschichte und in ihrem Leben konfrontiert sind.

 

Mittwoch, 18.10. 16:00, GABF 04/255
Die Blütezeit des Islams im Licht der religiösen Vielfalt: Ein wissenschaftsgeschichtlicher Zugang
Vicky Ziegler

Ab dem neunten Jahrhundert unserer Zeitrechnung erlebte die islamisch geprägte Welt eine von Bagdad ausgehende kulturelle und wissenschaftliche Blüte. An dieser hatten nicht nur Muslim*innen Anteil, sondern ebenso Gelehrte, die anderen Glaubensrichtungen angehörten bzw. Lehren vertraten, die vom sunnitischen Islam abweichen. Im Vortrag soll anhand der Vitae von vier bedeutenden Gelehrten die religiöse Vielfalt jener Epoche genauer beleuchtet werden. Hierbei handelt es um den aus Basra stammenden Juden Māšāʾ Allāh b. Aṯārī (fl. 8./9. Jahrhundert), der seine Forschung der Astrologie widmete, um die sagenumwobene Gestalt Ǧābir b. Ḥayyān (815?), deren ihr zugeschriebene alchemische Schriftenkorpus eine starke šīʿītische Prägung aufweist, um den bedeutenden Übersetzer Ḥunayn b. Isḥāq (gest. 873), der der nestorianischen Kirche angehörte, und um den aus Ḥarrān stammenden Mathematiker und Übersetzer Ṯābit b. Qurra (gest. 901). Der Vortrag gewährt somit Einblick in die vielfältigen Hintergründe von Gelehrten, die einen wesentlichen Beitrag zum Wissenschaftsbestreben in der islamisch geprägten Welt leisteten.

 

Mittwoch, 18.10. 18:00, GABF 04/255
Postkoloniale Kritik in der Arabistik und der Islamwissenschaft
Nils Riecken

Forderungen nach Dekolonisierung, Fragen nach der Legitimität post- und dekolonialer Kritik sowie nach dem Umgang mit der Kolonialzeit, etwa in Form von Erinnerungskultur, Reparationen und der Restitution von Kulturobjekten, sind derzeit in aller Munde. Doch meistens stehen dabei Afrika und Südamerika als Orte kolonialer Geschichte und Theoriebildung im Mittelpunkt und weniger die arabisch geprägte Region Nordafrikas und des östlichen Mittelmeerraums. Welche Potentiale hat postkoloniale Kritik für die Arabistik und die Islamwissenschaft? Um dies zu erkunden, fragt der Vortrag zunächst danach, was „postkoloniale Kritik“ ist und wie Debatten in der Region selbst als Beiträge zu post- und dekolonialer Kritik begriffen werden können. Des Weiteren ist auf die verschiedenen Kritiken einzugehen, die an post- und dekolonialen Perspektiven vorgebracht worden sind. Vor diesem Hintergrund soll schließlich die Definition von Arabistik und Islamwissenschaft als „kleine Fächer“ kritisch hinterfragt und gezeigt werden, inwiefern beide im Zentrum deutscher Geschichte und Gegenwart anzusiedeln sind (etwa im Hinblick auf die Geschichte des deutschen Kolonialismus, die „Islamdebatte“ und so genannte Integration und Fragen deutscher Identität). Nach dem Vortrag sollen die vorgestellten Thesen mit dem Publikum kritisch diskutiert werden.

 

Donnerstag 19.10., 16:00, GB 02/160
Homosexualität in muslimischen Kontexten
Ali Ghandour

Dieser Vortrag unternimmt eine eingehende Analyse der verschiedenen Aspekte von Homosexualität in muslimischen Kontexten. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der kritischen Auseinandersetzung mit theologischen Positionen, um ein umfassendes Verständnis dieser Sichtweisen zu ermöglichen. Zunächst wird das Spektrum theologischer Positionen und deren kritische Interpretation diskutiert. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Untersuchung der vielfältigen theologischen Positionen innerhalb der muslimischen Traditionen, die ein differenziertes Bild der religiösen Perspektiven auf Homosexualität zeichnen. Anschließend wird die Entwicklung des Diskurses über Sexualität in muslimischen Gesellschaften in den Blick genommen. Veränderungen und Entwicklungen sowie die damit verbundenen Herausforderungen im Umgang mit Homosexualität werden thematisiert, um ein breiteres Verständnis der Thematik zu ermöglichen. Zusätzlich wird die Geschichte der gleichgeschlechtlichen Liebe und Erotik unter Muslim:innen erörtert. Historische Kontexte und kulturelle Einflüsse werden analysiert, um die Vielfalt der Erfahrungen und Identitäten innerhalb muslimischer Gemeinschaften besser zu verstehen. Auf diese Weise wird ein umfassendes Bild der verschiedenen Aspekte und Nuancen von Homosexualität in muslimischen Kontexten gezeichnet.

Donnerstag 19.10., 18:00, GB 02/160
Verortung und Verschiebungen immaterieller Archive in der Kunst
Havin al-Sindy

Immaterielle Archive unterliegen dominanten und repressiven Machtverhältnissen in antisemitischen und rassistischen Gesellschaften. Neben der Frage, was immaterielle Archive sind, sollte auch die Positionierung und die Perspektive auf diese untersucht und sichtbar gemacht werden. Wie werden immaterielle Archive in der Kunst eingebunden und verwendet? Wer hat den Zugang zur Sichtbarmachung dieser Archive? Denn auch in immateriellen Archiven können sich in subtilen Ausdrucksformen implizite Bedeutungen verbergen, die in den Diskurs eingebettet rassistische und antisemitische Prozesse unterstützen. Der Umgang migrantischer Personen im westlichen Kontext mit diesen Archiven wird oft in Zusammenhang mit ihrer Geschichte, Identität und der Bewahrung dieser dargestellt und im Diskurs vermittelt. Es ist wichtig zu beachten, dass beim Umgang mit immateriellen Archiven die Verortung (z.B. im Museum, in Büchern, auf Podiumsdiskussionen, in europäischen Städten) eine Rolle spielt. Wie entstehen und verändern sich diese Positionen, wenn immaterielle Archive geografisch verschoben werden und die Besprechung westlichen Machtverhältnissen unterzogen wird?

Im Workshop werden wir gemeinsam mit den Teilnehmer*innen über immaterielle Archive und das Verbot dieser nachdenken, sie hinterfragen und weiterentwickeln.

 

Freitag 20.10. 16:00, GB 02/160
Der Umbruch der ägyptischen Mädchenbildung im Jahr 1873. Mit Fokus auf die al-Suyufiyya Schule
Rana El Kabbout

Im Vortrag untersuche ich diachron in drei großen Hauptkapiteln die Auswirkungen der ägyptischen Modernisierungs- und Reformpolitik auf das Bildungswesen für Frauen am Beispiel der 1873 staatlich eröffneten Mädchenschule as-Suyūfīya in Kairo. Zentrale Fragestellung der Arbeit ist es, inwiefern es durch die Eröffnung dieser Schule und damit der breiteren Öffnung des Bildungswesens, für Frauen zu einem gesellschaftlichen Umbruch gekommen ist und wie sich dadurch der Diskurs um Mädchenbildung in Ägypten gewandelt hat.