Dienstag 28.03.23, 21:00 Uhr

Versteckte, massive Preiserhöhungen bei WasserWelten Bochum 5


Wir haben ja schon häufiger über die Aktionen und Stellungnahmen der Freibad-Initiativen und ihre Auseinandersetzungen mit den WasserWelten berichtet. Jetzt erreichte uns ein Leserbrief von David Kuhn, der die versteckten Preiserhöhungen der WasserWelten anprangert. Wir haben dazu die WasserWelten Bochum GmbH um eine Stellungnahme gebeten. Tatsächlich gibt es ab dem 1. April durch den Wegfall der 50er-Mehrfachkarten beim Bäder-Eintritt Preiserhöhungen von 61% (Familienkarte) bis fast 82% (1 Vollzahler:innen) .

Die WasserWelten sind eine Tochtergesellschaft einer städtischen Holding, deren Aufsichtsratsvorsitzender der Oberbürgermeister ist. Dass ein städtisches Unternehmen solche Preiserhöhungen durchsetzen kann, ist unserer Meinung nach ein Skandal. Wir dokumentieren im Folgenden den Brief und die Stellungnahme der WasserWelten.

Die Wasserwelten haben erst auf unsere Anfrage mitgeteilt, dass auch die Familienkarte mit 20 Prozent Rabat erhältlich ist. David Kuhn konnte das nicht wissen. In den von ihm beschriebenen Beispielen müssen zwei Erwachsene und zwei Jugendliche mit der Familienkarte für 50 Besuche jetzt 580 € statt bislang 360 € also 61,1 Prozent mehr bezahlen.

Wir haben auch die Ratsfraktion angeschrieben und um Stellungnahmen gebeten. Bisher gibt es keine Antworten.

Leserbrief: »Guten Tag liebe Redaktion, ich bin äußerst verwundert darüber, dass die Preiserhöhungen sowie insbesondere das neue Tarifsystem und die damit verbundene Abschaffung der 50er-Mehrfachkarten bei den WasserWelten Bochum auf so wenig öffentliches Interesse stößt. Denn für viele Nutzer versteckt sich dahinter eine massive Preiserhöhung um bis zu 81,8%.

Bislang war es möglich eine 50er-Mehrfachkarte zu kaufen. Für Vollzahler (ab 16 Jahren) kostete diese 110€. Sowie 70€ für Ermäßigte (u. a. Kinder im Alter 5 bis 15 Jahren). Mit diesen Karten konnten beispielsweise Familien die Freibadsaison ausgiebig nutzen und die Kinder in aller Ruhe das Schwimmen üben, ohne dass die Kosten exorbitant aus dem Ruder laufen.  

Doch damit ist nun Schluss! Die WasserWelten Bochum haben, ohne Vorankündigung, die attraktiven Mehrfachkarten mit sofortiger Wirkung abgeschafft. Zukünftig besteht lediglich noch die Möglichkeit der Erwerb verschiedener Geldwertkarten mit Rabatten im Rahmen von 5% bis 20% auf den regulären Eintrittspreis. Bei Nutzung der größtmöglichen Geldwertkarte Gold und den damit verbundenen 20% Rabatt belaufen sich die Gesamtkosten für 50 Tageskarten bei Vollzahlern auf 200€ (Rechenweg: 50 x 5€ – 20%) sowie bei Ermäßigten auf 120€ (Rechenweg: 50 x 3€ – 20%). Dies entspricht einer Preissteigerung von 90€ (81,82%) für Vollzahler sowie 50€ (71,43%) für Ermäßigte.  Flyer

Für eine 5-köpfige Familie (2 Vollzahler, 3 Ermäßigte) bedeutet dies eine Kostensteigerung von 330€.   Im Folgenden ein paar Fallbeispiele:

a) 1 Vollzahler Thomas möchte fünfzigmal im Freibad Hofstede dieses Jahr während der Freibadsaison schwimmen gehen. Die Jahre zuvor hat ihn der Eintritt als Vollzahler mittels einer 50er-Mehrfachkarte 110€ gekostet. Doch ab sofort kostet ihn der Eintritt, trotz Nutzung der neuen Geldwertkarte Gold mit 20% Rabatt, satte 200€. Eine Preissteigerung um 90€ beziehungsweise 81,82 %.  

b) 1 Vollzahler + 1 Ermäßigte Thomas nimmt seinen 8-jährigen Sohn Sebastian mit ins Freibad. Zuvor konnte Thomas für seinen Sohn einer 50er-Mehrfachkarte für Ermäßigte für 70€ kaufen. Neuerdings kostet dies, trotz Nutzung der neuen Geldwertkarte Gold mit 20% Rabatt, jedoch 120€. Eine Preissteigerung um 50€ beziehungsweise 71,43 %. Für Thomas und Sebastian zusammen bedeutet dies, dass Sie, statt wie bislang 180€, neuerdings 320€ zahlen müssen. Eine Preissteigerung um 140€ beziehungsweise 71,78 %.  

c) 1 Vollzahler + 2 Ermäßigte Die 11-jährige Tochter Eva-Maria möchte auch mit ins Freibad. Sie müssen weitere 120€ für Eva-Maria zahlen. Insgesamt werden für Thomas, Sebastian und Eva-Maria neuerdings 440€ fällig, statt wie bislang 250€. Eine Preissteigerung um 190€ beziehungsweise 76,00 %.

d) 2 Vollzahler + 2 Ermäßigte Mutter Britta kommt hinzu. Es werden weitere 200€ fällig. Insgesamt werden für Thomas, Sebastian, Eva-Maria und Britta neuerdings 640€ fällig, statt wie bislang 360€. Eine Preissteigerung um 280€ beziehungsweise 77,78 %.  

e) 2 Vollzahler + 3 Ermäßigte Der älteste Sohn Dietmar, 15 Jahre, gesellt sich hinzu. Es werden weitere 120€ fällig. Insgesamt wird für die fünfköpfige Familie neuerdings 760€ fällig, statt wie bislang 430€. Eine Preissteigerung um 330€ beziehungsweise 76,74 %. .«

Stellungnahme der WasserWelten

»Das neue Tarifsystem der WasserWelten Bochum, das die erste Preisanpassung seit 2014 beinhaltet, ist aufgrund der massiven Kostensteigerungen in den Bereichen Personal und Energie ab dem 01. April 2023 notwendig. Die Verschlankung des Tarifsystems, hin zu einem übersichtlichen Tarifgefüge, ist Teil der Umstellung.

Die Bäder der WasserWelten werden im Zuge des Bäderkonzeptes sukzessive saniert, modernisiert und zukunftsorientiert gestaltet. Auch in der Vergangenheit sind zahlreiche Neuerungen und Instandhaltungsarbeiten umgesetzt und durchgeführt worden. Als defizitäres Unternehmen ist es die unternehmerische Pflicht der WasserWelten Bochum, die Kosten bzw. Wirtschaftlichkeit, im Blick zu haben.

Das neue Tarifsystem ist unter wirtschaftlichen Aspekten,  aber dennoch auch weiterhin mit sozialverträglichen Angeboten ausgestaltet. Daher gibt es keine Preissteigerung für den ermäßigten Eintrittspreis. Dies betrifft eine Vielzahl von Menschen, wie z.B. Jugendliche unter 16 Jahren, Schüler, Auszubildende, Studierende, Menschen mit Behinderungen.

Um den Familien (2 Vollzahler + 2 Kinder) eine sozial verträgliche Variante zu bieten, wird die Familienkarte von 14,50 Euro rabatttierfähig angeboten, so dass bei Erwerb einer Bonuskarte Gold ein Eintrittspreis von 11,60 Euro für den ganzen Tag im Freibad fällig wird. Zudem erhalten alle Bochumer Kinder mit Ferienpass innerhalb der Ferienzeiten kostenlosen Einlass in die Bäder. Der Eintritt in die Bäder der WasserWelten wird zudem erst mit Vollendung des 6. Lebensjahres erhoben, so wird jungen Familien ein Badbesuch kostengünstig ermöglicht.

Die WasserWelten haben Verständnis für die Belastung der Bürger*innen, bitten aber auch um Verständnis, dass eine Tarifanpassung nach 9 Jahren erfolgen muss.«

Sehr weit reicht das „Verständnis“ der WasserWelten für die Bürger:innen, die ohnehin durch Inflation und Energiekosten gebeutelt sind, aber nicht. Auch bei der „günstigen“ Familienkarte von 11,60 werden für 50 Eintritte 220 € (= 66%) mehr fällig als bisher. Übrigens ist bisher der Preisliste nicht zu entnehmen, dass es einen Rabatt bei der Familienkarte gibt.

Die WasserWeltentarife:


5 Gedanken zu “Versteckte, massive Preiserhöhungen bei WasserWelten Bochum

  • Helga Hass

    Eigentlich ist die Rechnung ja noch viel schlimmer. Es fallen ja nicht nur die Mehrfachkarten weg, sondern auch sämtliche Zeittarife. Ich habe bisher 14 € für meine ermäßigte 2 h Zehnerkarte bezahlt, 1,40 € pro Durchgang. Nach neuem Modell zahle ich 5 € pro Durchgang mit maximal 20 % Rabatt, wenn ich mit 200 € (!) in Vorleistung gehe, also 4 € pro Durchgang. Das sind 285 %. Da ich nicht mit 200 € in Vorkasse gehen kann, bleibe ich also maximal bei Bronze mit 5 % Rabatt hängen. Mit effektiv 4,75 € pro Durchgang macht das 339 %! Und selbst wenn sie sich damit rühmen, den ermäßigten Einzeleintritt nicht erhöht zu haben, sind 3 € 214 % meines ursprünglichen Preises von 1,40 €. Und ich hatte nur die Zehnerkarte. Bei 50 oder 100 wäre der Unterschied entsprechend noch größer gewesen. Den Studierendenrabatt nach Alter zu begrenzen ist übrigens auch frech, mit 30 bin ich als Studentin ja nicht plötzlich Mittelschicht.

    • Helga Hass

      Ich merke, dass ich die Ermäßigung der Geldwertkarten unterschlagen habe. Nichtsdestotrotz beträgt die Bronze Variante dann 203 % des bisherigen Preises und bei Gold sind es immer noch 71 % zusätzlich.

  • Stefanie Görtz

    Ich finde den Wegfall der Mehrfachkarten und die damit verbundene exorbitante Erhöhung wahnsinnig frustrierend. Und sie wird auch noch schöngeredet, auch in der WAZ, ohne die verstecken Erhöhungen zu benennen (oder zu verstehen?)

    Ich möchte 40 Minuten am Tag schwimmen, 1-2x die Woche. So praktizieren es meiner Beobachtung nach bislang sehr sehr viele Menschen in Bochum. Dafür war die 50er-Karte perfekt. Eine gute und erschwingliche Möglichkeit regelmäßig Sport zu treiben. Das neue Preissystem ist an super vielen Nutzer*innen völlig vorbei entwickelt. (Absicht?!) Ich verstehe, dass Preise angehoben werden müssen, aber das jetzt ist so eine krasse Erhöhung- 130% – sagte der Bademeister heute in Linden-wenn man die 50er 1Stunden-Karte zugrunde legt. Das ist maximal unsozial. Wir brauchen keine teuren Tageskarten! Alle vermeintlichen neuen ‚Angebote‘ verpflichten dazu, erstmal sehr viel Geld auf den Tisch zu legen (200 Euro, damit man ‚nur‘ 4 statt 5 Euro bezahlen ‘darf‘ – wann soll sich das bitte nennenswert rechnen??? Oder 24,95 monatlich mit 12-Monatigen Bindung. Das ist wie ein teures Fitnessstudio).

    Ich hoffe sehr, dass evaluiert wird, wieviele Schwimmer*innen von diesen ‚Angeboten‘ wirklich Gebrauch macht und wie die Besuchszahlen sich jetzt entwickeln. Ich finde Schwimmbäder sind ein absolutes Gemeingut, wie Büchereien. Sie dienen der Gesundheit, dem Spaß, der Gemeinschaft- auch gerade für Menschen, die keine schicken, teuren Sportarten praktizieren können oder wollen. Dass die zuständigen Lokalpolitiker dies mittragen, finde ich unsäglich. Super sozialdemokratisch.
    Die Nachbarstadt Essen hat seit 2017 ein viel flexibleres, sozialeres Preissystem – an dem man sich in Bochum ein Beispiel hätte nehmen können.

    Vor dem Hintergrund erscheint der angekündigte Abriss und Neubau des Schwimmbads in Linden (und weitere) sehr schal. Wird hier schon mal über die krasse Preiserhöhung vorfinanziert?
    Super ärgerlich und frustrierend und ich hoffe sehr, dass die Entwicklung der Bäderpreise & Nutzung von den Medien wirklich überprüft und beobachtet wird.

  • Thorsten Boegel

    Liebe Bewegung in Bochum,
    die versteckte, massive Preiserhöhungen bei WasserWelten Bochum ist leider noch erheblich massiver als euer Artikel wiedergibt. Denn neben den besonders günstigen Mehrfachkarten, sind die Zeitkarten (1- bzw. 2-Stunden-Ticket) ab sofort für die Besuche im Hallenbad ebenfalls abgeschafft – wer brauch ein Tages-Ticket im Hallenbad ohne Sitzgelegenheit oder gar Cafeteria?
    Das bedeutet, Vollzahler zahlen nun für 1 Stunde schwimmen bei maximaler Rabattierung (Geldwertkarte gold) nun 4,- € / vor der Preiserhöhung (mit einer 50er Mehrwertkarte) aber nur 1,60 € – das ist eine Preiserhöhung von 150%. Personen mit Berechtigung auf Ermäßigung trifft es leider noch härter. Ermäßigte zahlen nun für 1 Stunde schwimmen bei maximaler Rabattierung (Geldwertkarte gold) 2,40 € / vor der Preiserhöhung (mit einer 50er Mehrwertkarte) aber nur 0,80 € – das ist eine Preiserhöhung von 200%. Auch könnte die Geldwertkarte gold für schlappe 200,- € für manche Person mit Berechtigung auf Ermäßigung einfach zu teuer sein. Für diesen Personenkreis bedeutet diese Schock-Preiserhöhung dann eine mehr als 3,5 fache Erhöhung! Zudem ist die schriftliche Aussage ´Daher gibt es keine Preissteigerung für den ermäßigten Eintrittspreis´ der Wasserwelten Bochum auch noch schlicht weg eine falsche und eine besonders beschämende dazu!
    Liebe Grüße – Thorsten

    • Andreas Burock

      Ich halte die Preiserhöhung ebenfalls für mehr als nur unangemessen.
      Bisher konnte ich mit einer Vorauszahlung von 80 EUR einer 50er-1-Stunden-Karte erwerben.
      Wenn ich jetzt eine Vorauszahlung in ähnlicher Höhe leiste, gewährt man mir 10% Rabatt.
      50 mal schwimmen á 1 Stunde inkl. Umziehen und Duschen, wie es neben mir auch viele andere praktizieren, soll mich also zukünftig 225 EUR statt 80 EUR, kosten, was bei meiner Nutzung einer Preiserhöhung von 180% entspricht.
      Hut ab vor der Chuzpe, unter dem Deckmäntelchen der vormals ach so unübersichtlichen Tarifstruktur und der gestiegenen Kosten diese Preiserhöhung durchzubringen.
      Die Früh-/Spät-schwimmer*innen Abonnement-Flatrate ist zudem mehr ein weiteres Instrument, dem Schwimmer in die Tasche zu greifen, als ihm seinen Sport zu ermöglichen. Wofür ist bei diesem Modell eine Jahresmitgliedschaft notwendig? Warum beschränkt man den Zugang auf 90 Minuten vor/nach der Öffnung, wo das Schwimmbad doch immer zu wechselnden Zeiten öffnet und schließt? In wessen Berufs- oder Lebensalltag soll das passen?
      Der Artikel der WAZ zu dem Thema zeigt nur, wie wenig Energie man bei diesem Blatt überhaupt in Recherche zu investieren bereit ist.

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