Samstag 11.03.23, 19:02 Uhr

Der indigene Gefangene Leonard Peltier ist nun seit 47 Jahren in Haft


Die Rote Hilfe Bochum, Amnesty International Bochum und Radio El Zapote laden am Donnerstag, den 16.3. um 19 Uhr im Sozialen Zentrum zu einer Lesung mit Michael Koch ein. Er ist Mitautor des Buches „Ein Leben für die Freiheit: Leonard Peltier und der indianische ­Widerstand“. In einem Beitrag in der Jungen Welt schreibt er: »Der 78jährige indigene Gefangene Leonard Peltier, ein Aktivist des American Indian Movement (AIM), ist seit dem 6. Februar 1976, also seit 47 Jahren in den USA inhaftiert. Damit zählt der zu »zweimal lebenslänglich« Verurteilte zu den bekanntesten und mit am längsten inhaftierten politischen Gefangenen der Welt. Seit 1977 hat keiner der seitherigen US-Präsidenten den »Nelson Mandela der Indigenen Völker« begnadigt – sei es aus Überzeugung oder wegen fehlender Courage.

Aufgrund weltweiter Solidarität wächst derzeit allerdings der Druck auf Präsident Joseph Biden. Dabei gäbe es gleich mehrere Gründe für eine solche Entscheidung: sein Alter und seinen Gesundheitszustand, seine Einstufung als vorbildlicher Häftling und nicht zuletzt die mehr als berechtigten Zweifel an seiner Schuld und der Rechtmäßigkeit seiner Verurteilung und Inhaftierung.

Vorgeworfen wird Peltier, für den Tod von zwei FBI-Agenten verantwortlich zu sein, die im Juni 1975 überfallartig in ein AIM-Schutzcamp für bedrohte Oglala-Lakota rasten und dabei gemeinsam mit einem jungen AIM-Aktivisten bei einem Schusswechsel starben. Ursache für diese Gewalteskalation waren anhaltende Morde an traditionellen und sich politisierenden jungen Lakota der Pine Ridge Reservation in South Dakota im Auftrag der damaligen Stammesregierung. Dieser Terror fand unter den Augen von Polizei und FBI statt, unter anderem mit deren Waffen und Munition.

Nachdem zwei Mitangeklagte vom Vorwurf des Mordes freigesprochen wurden, konzentrierte sich das FBI auf die Verfolgung Peltiers, der nie geleugnet hat, an dem Schusswechsel beteiligt gewesen zu sein, aber bestreitet, für den Tod der beiden Beamten verantwortlich oder gar selbst der Todesschütze zu sein. Seine Verhaftung, Verurteilung und anhaltende Inhaftierung basiert auf gefälschten Beweisen, erpressten Zeugenaussagen sowie Unterschlagung von Entlastungsmaterial. Die Verurteilung wegen zweifachen Mordes wurde später in Mitwisserschaft und Mittäterschaft umgewandelt, das Strafmaß blieb.

Seither haben sich weltweit Millionen Menschen für Peltiers Freiheit engagiert, darunter namhafte Politiker, Nobelpreisträger und Menschenrechtsgruppen. Bislang erfolglos, denn vor allem das FBI kontert die Forderungen seit 1976 mit den immer gleichen Argumenten. Dabei werden längst widerlegte Beschuldigungen als unumstößliche Beweise ausgegeben und Peltier als »kaltblütiger, skrupelloser Killer« diffamiert, der keinerlei Reue zeige – so zuletzt 2022 vom gegenwärtigen FBI-Direktor Christopher Wray.

Das hat nun die ehemalige FBI-Mitarbeiterin Coleen Rowley veranlasst, dem FBI und dessen Führung öffentlich alte Rachegelüste vorzuwerfen. Doch nicht nur Rowley verlangte in jüngster Zeit Peltiers Haftentlassung. 2020 forderte dies auch die damalige Kongressabgeordnete und heutige US-Innenministerin Debra Haaland. Unterstützt wird diese Forderung seitdem von elf Kongressabgeordneten und sieben Senatoren, von an Peltiers Prozessen und Berufungsverhandlungen beteiligten Richtern und Staatsanwälten, darunter auch der die damalige Aufsicht führende Staatsanwalt James Reynold. Reynold hatte US-Präsident Biden bereits im Juli 2021 um Haftentlassung gebeten und dies im November 2022 bei der Abschlusskundgebung des »Leonard Peltier’s Walk to Justice« vor über 2.000 Teilnehmenden in Washington DC wiederholt. Ein 17seitiger Report der UN-Arbeitsgruppe zu diskriminierenden Inhaftierungen kritisierte Rechtmäßigkeit des Verfahrens und forderte Peltiers Haftentlassung. So lautet auch der einstimmig gefasste Beschluss des Nationalkongresses der Demokratischen Partei, Peltiers Freiheit in das Partei- und Wahlprogramm 2024 aufzunehmen und ihn aufgrund seines Alters, Gesundheitszustandes sowie der Zweifel an seiner Schuld sofort zu begnadigen.

Aus Europa haben sich jüngst der 2022 verstorbene Präsident des EU-Parlaments David Sassoli und das Stadtparlament von Genf für Peltier eingesetzt. Und wie im vergangenen Jahr kooperieren anlässlich des Jahrestages seiner Inhaftierung wieder Menschenrechtsgruppen europaweit mit Mahnwachen, Kundgebungen, Informationsveranstaltungen, mit Radio- und Zeitungsbeiträgen oder online mit Livestreams. Die 2021 begonnene Postkartenaktion wird weitergeführt. Mittlerweile sind 60.000 Karten aus 15 Staaten auf dem Weg ins Weiße Haus. Unter dem Motto »Europe for Peltier« gibt es eine neue Unterschriftenkampagne. Postkarten und Unterschriftenlisten können gratis unter lpsgrheinmain@aol.com bestellt werden. Und rechtzeitig zu dem traurigen Haftjubiläum wurde Peltier erstes Ehrenmitglied der European Alliance for the Self Determination of Indigenous Peoples, ein Zusammenschluss von sieben NGOs aus vier Staaten Europas. Der Kampf um seine Freiheit geht also unvermindert weiter.«

Michael Koch ist Menschenrechts- und Umweltschutzaktivist und Mitgründer von Tokata-LPSG Rhein-Main e. V., einem Verein zur Unterstützung indianischer Jugend-, Kultur- und Menschenrechtsprojekte. Gemeinsam mit Michael Schiffmann ist er Mitautor des Buches »Ein Leben für die Freiheit: Leonard Peltier und der indianische ­Widerstand« (Traumfänger-Verlag).

Weitere Infos: leonardpeltier.de

Das Soziale Zentrum öffnet um 18.30 Uhr. Der Vortrag beginnt um 19 Uhr.

Infos der Roten Hilfe
Infos von Amnesty International