Samstag 25.02.23, 20:06 Uhr
Redebeitrag von Törk Hansen, attac Bochum, auf der Demonstration des Bochumer Friedensplenums und der DFG-VK am 24. 2. 2023

Eine Welt außerhalb von Europa und „unserem“ Krieg kommt nicht mehr vor


Törk Hansen, attac

Über die Wirkungen des Krieges wird dieser Tage viel gesprochen – darüber welche dramatischen Folgen der brutale Angriff Russlands auf die Ukraine für die Menschen in dem überfallenen Land haben – wie viele Ukrainer:innen sind seither gestorben, verletzt geflüchtet, wie viele Soldat:innen auf beiden Seiten. Diese Auswirkungen sind unmittelbar und brutal und mit jedem Tag wird die Dringlichkeit größer, diese Eskalation zu stoppen. Die russischen Führung mit ihrer aggressiven und nationalistischen Politik muss in die Enge getrieben werden – nicht mit noch mehr Munition – denn davon sterben die einfachen Soldat:innen, sondern mit konkreten und ernst gemeinten Vorschlägen für eine Deeskalation – einen sofortigen Waffenstillstand.

Es wird immer gesagt, im Krieg sterbe die Wahrheit zuerst und tatsächlich wissen wir nicht, was genau hinter den Kulissen und auf den Schlachtfeldern wirklich passiert. Schaut man auf die politische Debatte und die mediale Berichterstattung, dann kommt aus meiner Sicht noch eine dramatische Auswirkung hinzu: Eine Welt außerhalb von Europa und „unserem“ Krieg kommt praktisch nicht mehr vor. Nur noch dann, wenn es darum geht, eine UN-Resolution mit möglichst vielen Stimmen gegen Russland zu verabschieden. Die Sanktionen gegen Russland werden von den meisten Ländern nicht mitgetragen. Warum? Das UN-Generalkonsulat geht davon aus, dass weltweit 1,6 Milliarden Menschen und 94 Länder direkt von den Auswirkungen des Krieges betroffen sind – Versorgungskrisen unter anderem wegen der ausbleibenden Getreidelieferungen, Folgen der Inflation und des ruinösen Wettbewerbs der Industrieländer gegen den globalen Süden um die weltweiten Gasreserven.

In dem Schatten dieses Krieges werden andere Kriege fortgeführt – so im Jemen, wo weiter Menschen für den Kampf um Vorherrschaft regionaler Mächte sterben müssen. Oder in Syrien, wo die Türkei ohne den weltweiten Protest völkerrechtswidrig Grenzen verletzt und die Kurden mit Bombenhageln versieht. Weiter sterben Menschen im Mittelmeer, weil sie vor den Wirkungen der weltweiten Ungleichheit zu fliehen versuchen. Im Schatten dieses Krieges werden die Festungen Europa und Nordamerika kräftig ausgebaut.

Wir brauchen tatsächlich eine Zeitenwende – aber eine, die endlich auch die Interessen des globalen Südens so ernst nimmt, dass sie das politische Handeln bestimmt!