Erneut stehen wir hier, um den Opfern des rassistischen Terroranschlags in Hanau vor einem Jahr zu gedenken. Wir gedenken und trauern um
Gökhan Gültekin,
Sedat Gürbüz,
Said Nesar Hashemi,
Mercedes Kierpacz,
Hamza Kurtović,
Vili Viorel Păun,
Fatih Saraçoğlu,
Ferhat Unvar,
Kaloyan Velkov
Den Opfern und ihren Familien und Freund*innen gilt unsere Anteilnahme und unsere Solidarität.
Wir stehen heute auch hier, um gegen Rassismus und andere Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ein Zeichen zu setzen. In dem folgenden Text wird tödliche Gewalt gegen Menschen thematisiert. Bewusst wollen wir hier auf Namensnennung der Täter verzichten.
In den Jahren zuvor haben wir zusammen mit der Fanitfa an dieser Stelle immer wieder über die tödlichen Mischung von Rassismus, Antisemitismus und Antifeminismus hingewiesen, die auch der Täter von Hanau vor seinen Mordtaten in einem abstrusen Pamphlet veröffentlichte. Der Hass auf Frauen zieht sich auch durch die „Manifeste“ anderer rechtsterroristischer Mörder, wie bei dem des Täter von Halle, der Massenmörder von Christchurch und Utøya. Andere Attentäter wie der Amokläufer von Isla Vista, die Attentäter in Toronto und Montreal und Atlanta ermordeten gezielt Frauen. Ja auch dieses Jahr werden wir nicht müde, dies zu betonen.
Antifeminismus ist eine tödliche, menschenverachtende Ideologie und wird doch als solche nicht anerkannt folgerichtig sind genaue Zahlen der Todesopfer nicht bekannt.
Sogenannte Incels (ininvoluntary celibate = unfreiwillig zölibatär) haben nach Schätzungen seit 2014 allein in den USA und Kanada mehr als 50 Menschen umgebracht – und es ist kein wirklich neues Phänomen. Dennoch werden antifeministische Straftaten immer noch nicht systematisch erfasst.
Nun hat die Amadeo Antonio Stiftung folgerichtig und endlich auch eine Meldestelle für antifeministische Straftaten entwickelt. Und es zeigt sich wieder, wie weit Antifeminismus auch im Bürgerlichen / konservativen Milieu verankert ist. So wurde beispielsweise von Journalistinnen und Politikerinnen behauptet, diese Meldestelle wolle nur Männer an „den Pranger“ stellen. Das ist Täter – Opfer – Umkehr par excellence. Und das Schlimme: auch hier glauben die Täter wirklich, Opfer zu sein, einfach nur weil sie Angst haben, nicht mehr ohne Konsequenzen ihren antifeministischen Müll abladen und FLINTA nicht mehr ungefragt belästigen zu dürfen. Die Autorin und Incel-Expertin Veronika Kracher schrieb hierzu treffend auf Twitter: „Bürgerliche bis Neonazis titschen aus. Daraus spricht vor allem eins: die Wut, nicht mehr weiter Frauen und queere Menschen angreifen zu dürfen.“
Antifeminismus ist eine zentrale Ideologie im Rechtspopulismus und Rechtsextremismus, wird aber weniger stark als menschenfeindlich erkannt und gewertet. Feministinnen werden lächerlich gemacht, in den sozialen Netzwerken mit Hass, Mord- und Gewaltandrohungen überhäuft. Die Agitation gegen sexuelle Vielfalt und die Gleichwertigkeit aller Geschlechter ist auch in der sogenannten Mitte der Gesellschaft anschlussfähig.
Das Narrativ, dass der Feminismus die Existenz der „weissen“ Bevölkerung bedrohe und eine zentrale Ursache des sogenannten „großen Austausches“ sei, findet auch in der AFD und bis in weite Teile der CDU Zuspruch. So bläst die CDU nahe Denkfabrik Republik 21 mit antifeministischen Parolen zum Kulturkampf gegen „Wokeness“ und ernennt sich dabei zum „Sprachrohr der verstummten bürgerlichen Mitte“. Schließlich stelle die »woke Bewegung gerade die größte Gefahr für unsere Gesellschaft« dar, »mächtiger, als es jede rechtsextreme Bewegung derzeit sein kann«, verkündete die Autorin Judith Basad, nur zehn Tage nachdem in Bautzen wieder eine Flüchtlingsunterkunft gebrannt hatte – ach so…
Antifeminismus wird weiter gesellschaftsfähig gemacht und ist doch eine tödliche Ideologie.
Die ideologische Verschränkung von Antisemitismus, Rassismus und Antifeminismus, zeichnet dabei im Ganzen ein menschenfeindliches und antidemokratisches Bild einer Gesellschaft.
Der Mörder von Hanau tötete in kurzer Zeit 9 Menschen. 9 Menschen, die geliebt wurden und die von ihren Familien und Freund*innen schmerzhaft vermisst werden und um die wir heute trauern.
Wir stehen für eine Welt ohne Hassverbrechen, ohne Rassismus, Antisemitismus und ohne Antifeminismus. Ein Feminismus, der für alle Menschen kämpft, muss antirassistisch sein!