Samstag 18.02.23, 17:09 Uhr
3 Jahre Hanau Gedenkdemonstration am 18.02.2023

Redebeitrag der Seebrücke Bochum


Wir stehen heute alle hier in schmerzhafter Erinnerung an das rechtsextremistische Attentat in Hanau vor 3 Jahren.

Wir als Seebrücke Bochum möchten unsere Solidarität mit den Opfern und Angehörigen aussprechen.

Wir erinnern heute an Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov, die von einem angeblichen „Einzeltäter“ aus rassistischem Hass erschossen wurden.

Bis heute weist die Aufklärung des Attentats erhebliche Mängel auf!

Klar ist jedoch: Die rassistische Rhetorik von Reul und Konsorten vor dem Attentat, in welcher Shisha-Bars monatelang als Orte von organisierter Kriminalität geframed wurden, trug stark dazu bei, welche Orte sich der rechtsextreme Attentäter für seinen Anschlag aussuchte.

Auch in Bochum wird die Assoziation von Shisha-Bars mit der sogenannten Clan-Kriminalität politisch befeuert und ein Image-Schaden durch die als fremd empfundenen Wasserpfeifen-Gaststätten befürchtet: so fanden etwa im Bermudadreieck Razzien mit enormen Personalaufgebot und Medienrummel statt, die letztlich lediglich unverzollten Tabak fanden. Das hielt die rot-grüne Ratskoalition im vergangenen Jahr jedoch nicht davon ab, neue Shisha-Bars im Bermudadreieck zu untersagen und diese somit unter Generalverdacht zu stellen oder zumindest als extrem störend zu markieren.

Ein weiteres Beispiel des rassistisch geführten Diskurses ist die Diskussion um die Ereignisse in der Silvesternacht 2022. Hier wurde auf der Basis von falschen Zahlen, die von der Berliner Polizei herausgegeben wurden, eine breite gesellschaftliche Debatte geführt, die ebenfalls sofort massive rassistische Dynamiken annahm.

Es wurde der falsche Eindruck vermittelt, dass die Vorfälle an Silvester praktisch ausschließlich von jungen migrantischen Männern ausgegangen wären. Zuerst hieß es, dass es in Berlin-Neukölln 145 festgenommene Tatverdächtige gäbe, von denen nur 45 Deutsch seien. Anschließend musste die Berliner Polizei ihre Zahlen jedoch korrigieren: So wurden lediglich 38 Personen nach Krawallen festgenommen, von denen 25 Deutsch seien.

Währenddessen ignorierten breite Teile der Öffentlichkeit ganz selbstverständlich, dass es deutschlandweit zu Ausschreitungen in der Silvesternacht gekommen war. Besonders brutale Angriffe von Rechten und Reichsbürgern auf Sanis, Feuerwehr und Polizei in Sachsen und Franken, wurden einfach nicht problematisiert.

Hier möchte ich Mohamed Chahrour zitieren: „Deutsche Ingenieurskunst besteht im Grunde darin, richtig gute Autos – und aus allem eine „Ausländer-Raus“-Debatte zu bauen“ (Instagram: mo.chahrour).

Wenn Friedrich Merz nun mit rechter Rhetorik gegen Migration und Menschen auf der Flucht Stimmen am rechten Rand versucht abzufischen, wenn CDU-Politiker*innen im Angesicht des Ukrainekrieges immer wieder nebulös von „2015 dürfe sich nicht wiederholen“ schwafeln, schüren sie ganz bewusst Hass gegen geflüchtete Menschen und sind mitverantwortlich für Attentate auf Geflüchteten-Wohnheime und Menschen mit Migrationshintergrund.

Solche rassistischen Rhetoriken und Dynamiken befördern Rechtsextremismus, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und somit weitere Attentate wie in Hanau.

Seit der Wende 1990 töteten rechtsextreme Täter in Deutschland laut der Amadeu Antonio Stiftung bis heute mindestens 219 Menschen. Die Dunkelziffer wird weit darüber hinaus liegen!

In Zeiten, in denen rechtsextreme Reichsbürger einen Umsturz in Deutschland planen, die Zahl der Waffenscheine und Beitritte in Schützenvereine bedenklich ansteigt und Regierungen weltweit autoritärer und repressiver gegen ihre Bevölkerungen vorgehen, ist so eine Rhetorik wie in Deutschland nach Silvester 2022 einfach nur brandgefährlich!

An die Politiker*innen gerichtet, die populistisch auf dem Rücken von geflüchteten Menschen versuchen, der AFD den Rang abzulaufen, sagen wir: Wir vergessen nicht! Wir werden Euch für jedes brennende Wohnheim, für jeden getöteten Menschen zur Rechenschaft ziehen. Erst kamen (Eure) Worte, dann folgten Taten!

Wir können nach wie vor nicht darauf vertrauen, dass Justiz und Exekutive grundlegende Menschenrechte schützen. Antifaschismus bleibt Handarbeit!

Alerta! Alerta! Antifascista!