Mittwoch 15.02.23, 18:51 Uhr

Viele Hartz IV-Bescheide sind falsch


„Auch im Jahre 2022 mussten wir feststellen, dass mehr als die Hälfte der uns vorgelegten Hartz IV-Bescheide falsch waren“ so Anton Hillebrand von der Sozialberatung Ruhr e. V.. Weiter heißt es in der Mitteilung der Sozialberatung: »Da auch in den vergangenen Jahren immer ca. 50 % der uns vorgelegten Bescheide rechtswidrig waren, scheint es so zu sein als wenn es sich hier um einen Systemfehler handelt und nicht um einzelne Fehler von Sachbearbeitern etc.. Der Gesetzgeber hat zwar im Rahmen der Corona-Pandemie verschiedene Vereinfachungen vorgenommen, gleichwohl änderte sich an der Menge der Fehlbescheide nicht viel.

Bei erster Durchsicht der geänderten Regelungen zum 01.01.2023 („Bürgergeld“) scheint es so zu sein, als wenn die Gelegenheit zu einer grundsätzlichen Revision dieser völlig verfehlten Gesetzeskonstruktion nicht ergriffen worden ist sondern sozusagen alter Wein in neue Schläuche abgefüllt wurde. Eine Umdeklarierung eines schlechten Gesetzes macht dieses noch lange nicht zu einem guten Gesetz.

Für die Betroffenen ist einfach nicht erkennbar, dass die vielfach monierte „Verfolgungsbetreuung“ nunmehr beschränkt worden ist. Wir haben Fälle in der Beratung, wo z. B. eine Ehepaar, er Vollzeit, d. h. 40 Std./Woche, und sie 100 Stunden im Monat arbeitet, darüber hinaus noch Kinder zu betreuen sind, ewig „zur Erörterung der beruflichen Lage“ einbestellt werden. Dies ist völlig sinnlos, da diese Leute nicht viel mehr arbeiten können und wenn neue Jobs tatsächlich auf dem Markt zu finden wären, die entsprechend auch besser bezahlt werden, so kann man das mit einem kurzen Schreiben an die betroffenen Personen abhandeln. Dafür muss man sie nicht zwingen in die Behörde zu kommen.

Weiterhin fällt auf, dass es diverse Regelungslücken in den neuen gesetzlichen

Bestimmungen gibt. Bis zum 31.12.2022 waren Einkünfte von Schülerinnen und Schülern, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten und Einkommen in den Schulferien erzielt hatten, bis zu einem Betrag von € 2.400,00 brutto kalenderjährlich anrechnungsfrei (§ 1 Abs. 4 ALG II-V). Diese Regelung ist gestrichen worden und durch eine neue ersetzt worden, diese ist allerdings erst ab dem 01.07.2023 gültig. In der Zeit zwischen dem 01 Januar und 30. Juni 2023 gelten Einkommen, die bei Ferienjobs erzielt werden, als normales Einkommen, d.h. € 100,00 Grundfreibetrag und 20 % Erwerbstätigenfreibetrag. Dies ist eine deutliche Verschlechterung und es darf durchaus bezweifelt werden, dass der Gesetzgeber das so regeln wollte. Gleichwohl ist es nun erst einmal Gesetz.

Es gilt die beim Vereinsregistergericht Bochum hinterlegte Satzung in Verbindung mit der Beitragsordnung.

Weitere Regelungslücken, ob gewollt oder nicht, sind bei der Anrechnung von Einkünften aus dem Jugendfreiwilligendienst oder Bundesfreiwilligendienst entstanden.

Bis zum 30.06.2023 ist das Taschengeld für Absolvierende des freiwilligen sozialen Jahres und der sog. Bufdis in Höhe von € 250,00 anrechnungsfrei. Dies gilt für unter und über 25jährige. Bei etwaig höheren Beträgen ist zusätzlich der Erwerbstätigenfreibetrag in Abzug zu bringen. Der Erwerbstätigenfreibetrag wird von dem Betrag errechnet, der € 100,00 übersteigt.

Ab dem 01.07.2023 ist bei unter 25jährigen zunächst der erhöhte Grundfreibetrag in Höhe von € 520,00 abzuziehen. Bei den über 25jährigen gibt es keinen erhöhten Grundfreibetrag, weder die vorgenannten € 520,00 noch die € 250,00 Freibetrag, die vorher galten, sondern nur die gleichen wie bei anderer regulärer Arbeit. Es bleiben also nur € 100,00 anrechnungsfrei zzgl. 20 % Erwerbstätigenfreibetrag bis € 520,00 brutto, ab € 520,00 brutto € 100,00 plus 30 %.

Diese Regelungen gelten nicht für das SGB XII (Sozialhilfe), dort gilt weiterhin ein Freibetrag von € 250,00. Warum hier zwischen SGB II und SGB XII differenziert wird ist allerdings nicht ohne weiteres nachvollziehbar und eine Begründung ist nicht zu erkennen.

Eine weitere fragwürdige Geschichte ist die Anrechnung von Geldgeschenken an Minderjährige anlässlich von Firmung, Kommunion, Konfirmation, Jugendweihe, Bar Mizwa oder ähnlicher vergleichbarer religiöser Feste. Bis zum 31.12.2022 war die geltende Rechtslage so, dass Geldgeschenke anrechnungsfrei waren solange sie das sog. Schonvermögen, also mindestens € 3.100,00, nicht überstiegen. Dies ergab sich aus § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a SGB II. In der neuen Bürgergeldverordnung ist unter § 1 Abs. 1 Nr. 12 auf diese Regelung verwiesen worden. Diese Regelung gibt es allerdings nicht mehr, da das Schonvermögen jetzt in § 12 Abs. 2 geregelt wurde. Rein theoretisch bedeutet das, dass diese Geldgeschenke damit nicht mehr unter das Schonvermögen fallen.

Das SGB II und auch das SGB XII sind völlig verunglückte Rechtsnormen, die nicht umsonst viele hundert Male in der relativ kurzen Zeit ihrer Existenz geändert wurden. Anstatt dies zum Anlass zu nehmen, zu sagen, wir ändern das so ab, dass alle damit gut klar kommen, wurde an einem völlig verunglückten Gesetz herumgebastelt und einfach nur viele neue Fehler eingebaut.

Was wir brauchen ist eine gesetzliche Norm, die die diversen sozialen Unterstützungen diverser Gesetze zusammenfasst, von Kindergeld über Wohngeld bis SGB II und SGB XII, und so bemessen ist, dass die Menschen tatsächlich davon leben können. Gesetzestechnisch wäre hierbei darauf zu achten, dass sie widerspruchsfrei wird was man im Moment nun wirklich nicht von den gesetzlichen Regelungen sagen kann. Das von der jetzigen Ampelkoalition so hoch gelobte Bürgergeld ist nicht wirklich überzeugend.«