Donnerstag 19.05.22, 18:23 Uhr

Mietenwahnsinn in Bochum – Erinnerung an 5 verlorene Jahre 1


Das Netzwerk »Stadt für Alle« schreibt: »Heute vor fünf Jahren wurde das Haus Herner Str. 131 (Foto) besetzt. Das denkmalgeschützte Gebäude stand damals seit einem dreiviertel Jahr komplett leer. Es gab massiven Instandhaltungsstau, Schimmelprobleme und kaum noch sichtbares Handeln der Vermieterin. Die mehrwöchige Besetzung beendete diesen Zustand.

Wir unterstützten zusammen mit vielen anderen Gruppen die Forderungen der Besetzer*innen, die die Stadt zum Handeln aufriefen. Leider tat die Stadt dafür wenig: Das Gebäude wurde zwangsversteigert und landete bei einem gewinnorientierten Vermieter. Zwar wurden so Wohnungen gerettet, jetzt aber zu Preisen von über 10 € pro m², also rund 50 % über dem Mietspiegel, vermietet. Für die meisten Bochumer*innen unbezahlbar!

Die Stadt handelte hier wie so oft in der städtischen Wohnungspolitik nicht proaktiv. Damals wie heute stehen viele Wohnungen leer, haben Instandhaltungsstau, werden in Ferienwohnungen und Büros umgewandelt oder ohne Not zugunsten teurer Neubauten abgerissen. Gleichzeitig ist der Bedarf an günstigem Wohnraum weiterhin groß. In Bochum fehlen rund 25.000 Wohnungen für Menschen mit kleinen Einkommen.

Dabei stehen der Stadtpolitik Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung, wie zum Beispiel eine aktive Wohnungsaufsicht oder eine Zweckentfremdungssatzung. Bisher wird davon wenig Gebrauch gemacht, sondern alle Kraft auf überwiegend teuren Neubau verwendet.

Die Hausbesetzung machte 2017 sichtbar, was eine fehlende Zweckentfremdungssatzung bewirkt. Ohne diese war die Stadt kaum handlungsfähig, um gegen den Leerstand in der Herner Straße vorzugehen. Aufgrund des öffentlichen Drucks beauftragte der Rat der Stadt Bochum die Verwaltung einen Entwurf für eine Zweckentfremdungssatzung zu erstellen. Diese Satzung wurde breit diskutiert und auch von einigen Bezirksvertretungen unterstützt. Leider sorgte anscheinend die Intervention von Stadtbaurat Bradtke und OB Eiskirch dafür, dass sich in der SPD die Gegner*innen einer proaktiv handelnden Stadt durchsetzten. Eine Ratsmehrheit stimmte gegen die Einführung einer Zweckentfremdungssatzung.

Die Folgen sehen wir heute sehr genau, in massiv steigenden Mieten oder Umwandlungen von Wohnungen in Büros, wie beim Lohring Hochhaus. Es ist höchste Zeit, dass die Debatte um eine Zweckentfremdungssatzung und weitere aktive Bestandsmaßnahmen neu geführt wird!«

Links zum Nachschlagen:

Infos zur Zweckentfremdungssatzung:
https://www.stadt-fuer-alle-bochum.net/wp-content/uploads/2017/09/Info-Flyer-Zweckentfremdungssatzung.pdf

Zum Lohring-Hochhaus
https://www.waz.de/staedte/bochum/bochum-was-jetzt-mit-dem-lohring-hochhaus-passiert-id232621593.html

Zur Besetzung an der Herner Straße
https://www.waz.de/staedte/bochum/letztes-angebot-an-die-besetzer-des-hauses-herner-strasse-131-id211090163.html

Positionspapier FÜR EINE SOZIALE UND ÖKOLOGISCH ZUKUNFTSFÄHIGE WOHNUNGSPOLITIK IN BOCHUM
https://www.mieterverein-bochum.de/2022/05/16/positionspapier-zum-download/


Ein Gedanke zu “Mietenwahnsinn in Bochum – Erinnerung an 5 verlorene Jahre

  • Funny

    Ach jetzt verstehe ich die Motivation der BesetzerInnen der Hernerstraße vor fünf Jahren.
    Die Besetzung war eine symbolische Aktion für einen Kapitalismus-light.
    Deswegen dieser Vermummungszirkus an den Fenstern und das die BesetzerInnen auch so widerstandslos, heimlich und kommentarlos aus dem Haus rausgegangen sind, als dieses versteigert wurde. (Vermutlich sind sie ebenso heimlich bei den Jusos oder den Jungen Grünen eingestiegen. – Witz)

    Ach ja die guten alten 70er Jahre. Da hieß es noch im Frankfurter Westend im Jahr 1973 in einem Wohnkollektiv: „Wir haben Häuser besetzt, nicht um auf einen sozialen Ausrutscher dieses Gesellschaftssystems hinzuweisen, sondern um der Spekulation und Ausbeutung den Kampf anzusagen! … Wir werden weiter Häuser besetzen, weil wir Wohnungen brauchen, aber nicht um auf Missstände hinzuweisen, sondern um dem kapitalistischen System den Kampf anzusagen, das es ermöglicht, dass leere Häuser dastehen. Wir haben Häuser besetzt, um damit zu zeigen, dass es der Aufhebung der Besitzverhältnisse und dieses Rechtsstaats bedarf, um die Interessen der Bevölkerung, ihr Recht auf vernünftigen Wohnraum, gegen die Interessen des Kapitals durchzusetzen! Wir werden die Häuser verteidigen und damit dokumentieren, dass dieser Staat auch weiterhin mit Gewalt und Terror das Recht des Kapitals gegen die Interessen der
    Bevölkerung durchzusetzen gewillt ist. Wir werden damit dokumentieren, dass das Recht dieses Staates immer nur das Recht des Besitzenden meint, und das dieses Recht in Frage gestellt und gebrochen werden muss, um der Bevölkerung zu „ihrem Recht“ zu verhelfen.“
    (Zit. nach Stracke, 1980)
    Ja diese alte HausbesetzerInnen-Mentalität – dahin ist sie! Nur noch fake für greenwashing capitalism!

Kommentare sind geschlossen.