Donnerstag 17.03.22, 18:49 Uhr
Diskussion über die Position der Friedensbewegung

Friedenspolitik? 17


Es war eine teilweise sehr emotionale Diskussion, die am gestrigen Abend in der KoFabrik stattfand. Thema war die Position der Friedensbewegung angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine und der gigantischen Aufrüstungspläne in Deutschland. Als Diskussionseinstieg wurden Auszüge aus einem Vortrag von Andreas Zumach gezeigt. Zum Video. Relativ große Übereinstimmung bestand darin, dass die Dämonisierung von Putin falsch ist. Auch wenn er für einen verbrecherischen Krieg verantwortlich ist, wird es unumgänglich sein, mit ihm über Waffenstillstand und Frieden zu verhandeln. Umstritten war, ob die Friedensbewegung Vorschläge machen darf, wie sich die ukrainische Regierung verhalten soll: z.B. einen neutralen Status akzeptieren oder gar die Waffen niederzulegen, um weiteres Blutvergießen und die weitere Verwüstung des Landes zu stoppen. Oder ist jetzt absolute Solidarität mit den Menschen in der Ukraine vorrangig, die dies offensichtlich nicht wollen?

Und was kann die Friedensbewegung gegen den Rüstungswahn in Deutschland machen? Sicherlich wäre es hilfreich darzustellen, welche sinnvollen zivilen Maßnahmen allein mit den Milliarden Eurobeträgen finanziert werden könnten, die jetzt zusätzlich in den Militärhaushalt strömen sollen. Viele Fragen standen gestern im Raum. Warum z. B. empört und beängstigt uns der Krieg in der Ukraine, während wir den Überfall der Türkei auf kurdische Gebiete in Nordsyrien oder den Krieg Saudi-Arabiens im Jemen kaum wahrnehmen? Weil zu erwarten war, dass viele Fragen offen bleiben, hat das Friedensplenum gestern einige Lesetipps verteilt. Hier die Onlineversion.


17 Gedanken zu “Friedenspolitik?

  • Asterisco

    Schade, dass ich zur Lohnarbeit verdammt war, über eine „Dämonisierung“ des Diktators hätte ich doch gerne streiten wollen.
    So bleibt es offensichtlich dabei, dass die Friedensbewegung ein Problem hat, wenn man sich nicht zweifelsfrei gegen einen faschistischen Kriegsverbrecher stellen kann.
    Die Friedensbewegung sollte nicht auf Putin setzen, sondern auf das russische Volk, das sich endlich gegen den Psychopathen erheben muss.

    • Martin Budich

      Völlig falsch, ich – und wahrscheinlich sehr viele in der Friedensbewegung – bin der Ansicht, dass man z. B. auch den verbrecherischen totalitären Monarchen, Salman ibn Abd al-Aziz, in Saudi-Arabien nicht dämonisieren, sondern mit ihm verhandeln sollte, dass er den Krieg im Jemen beendet. Das Gleiche gilt für Erdogan. Ohne Verhandlungen wird er die türkischen Truppen nicht aus den kurdischen Gebieten in Syrien zurückziehen. Vielleicht hast Du ja am Wochenende Zeit, Dir das Video mit den Auszügen des Vortrags von Andreas Zumach anzusehen und zu seinen Argumenten einen inhaltlich noch qualifizierteren Kommentar zu schreiben, warum Du seine Argumentation falsch findest.

      • Asterisco

        Ich werde mir das Video auf jeden Fall anschauen, aber ich glaube nicht, dass ich meine Meinung ändern werde. Es gibt Menschen, mit denen kann man nicht verhandeln. Und ich glaube auch nicht, dass Putin noch in der Lage ist, zu verhandeln. Selbst sein Sicherheitskabinett hat Angst vor ihm. Vielleicht kann man mit der russischen Generalität verhandeln – oder mit der zweiten, dritten und vierten Reihe, das mag sein. Aber das kann nicht alles sein, davon wird das russische Volk nicht befreit. Ich bin der festen Meinung, dass Putin ein Ende gesetzt werden muss.

      • Norbert Hermann

        Dämonen in die Hölle

        Selbstverständlich sind Putin, Erdogan, der saudische König … Dämonen. Teufel sozusagen, oder seine Handlanger. Zur Hölle mit ihnen allen! Sie befinden sich aber in erlauchter Gesellschaft: Das russische Verhalten in der Ukraine und in Tschtschenien (Grosny) entspricht dem, was der Begründer der Friedensforschung, Johan Galtung, 2002 „Geofaschismus“ nannte. Er meinte damit allerdings den Ãœberfall der USA auf Afghanistan: „… auf der Weltebene faschistisch, obwohl es zu Hause demokratische Züge hat. Es ist ein Fehler zu glauben, bei Demokratie im Inland gibt es keinen Faschismus.“ (https://taz.de/Kanzler-Schroeder-ist-der-einzige-Proamerikaner/!1086565/).

  • Elke

    Guten Morgen,

    ja, auch ich fand die Zeit sehr ungünstig, konnte wegen „Abbeitt“ nicht kommen. Kann daher nichts zum konkreten Ablauf sagen. Neben Uhrzeit und Ort (parallel fand eine Veranstaltung der Radwende statt) wunderte mich, der geplante Ablauf. Ein 1 1/2 stündiger Videovortrag, somit keine Möglichkeit mit dem Vortraghaltenden ins Gespräch zu kommen, eine eher anstrengende Form; im Stil – habe kurz bei You Tube reingesehen – merkwürdig wenig einladend, jedenfalls für mich. 10 Fragen sollten beantwortet werden, davon 5 geschlossen Fragen (nur mit ja und nein zu beantworten) und 5 offene Fragen, die eine Bewertung vornehmen sollten, nicht als persönliche Bewertung formuliert, sondern in eher allgemeiner Form (wie ist zu bewerten …).

    Fühlte mich tatsächlich spontan an die auf den Mensentischen herumliegenden Flyer verschiedener linker Gruppierungen erinnert, erinnerte an Lenins Verständnis von Demokratie (von oben nach unten). Es wirkte auf mich als sollte eine Gruppe auf etwas eingeschworen werden, statt basisdemokratisch es aus sich zu entwickeln.

    Die wirtschaftliche Perspektive (ein autokratisches Regime wurde über Jahre von Westeuropa „fett gefüttert“) und möglich Ansätze an diesem Punkt tauchen nicht auf. Meiner Einschätzung nach ( so mal eben eine Einschätzung zur Weltlage zu schreiben – schon etwas komisch) lässt sich dieser Krieg nur über sehr stark wirkende, wirtschaftliche Sanktionen beenden. Ich wünsche mir Kundgebungen, Netzaktionen, viele Menschen in der Größenordnung der 80er Jahre (ja soviel Sentimentalität darf sein), die genau dies fordern.

    freundliche Grüße,
    Elke

    • Heiko

      Deinen Wünschen kann ich mich nur anschließen.
      Den Vortragenden habe ich in Bochum schon live erlebt. Deine Einschätzung eines autoritären und wenig demokratischen Menschen teile ich.

  • Roter Matrose

    à propos ‚Dämonisieren‘. Was schlagen die Diskutanten vor ? was sollte mit Andrij Melnyk geschehen, dem Botschafter der Ukraine in Deutschland, der u.a. meinte, man solle aufhören, „das Asow-Regiment zu dämonisieren“, diese „mutigen Kämpfer“ verteidigten „ihre Heimat“ ?

  • Ralf Feldmann

    Es ist wenig hilfreich, die Diskussionsveranstaltung von außen zu kritisieren, ohne da gewesen zu sein. Der Zumach- Vortrag war als Aufschlag auf 35 Minuten verkürzt, die Diskussion selbst dauerte fast viermal so lange. Wen dies an Lenin erinnert, dem werden in Wirklichkeit Zumachs Fragen oder vorläufige Antworten nicht gefallen und sollte besser inhaltlich argumentieren. Das geschah eindreiviertel Stunden lang aus verschiedenen Perspektiven und mit unterschiedlichen Meinungen.
    Und das werden wir fortsetzen. Gegen eine Regierung, die als Antwort auf diesen Krieg auf Hochrüstung setzt, Atomwaffen für unverzichtbar hält und dies ,wie Annalena Baerbock vor der UNO, als menschenfreundlichste Morgengabe für die jüngst im Krieg geborene Mia verkaufen will.
    Ob Putin nun Dämon, Teufel oder schlicht Verbrecher ist, meinetwegen alles zugleich. Wer den schrecklichen Krieg schnell beenden will, wird mit ihm und seinen Lakeien verhandeln müssen. Die ersten Kompromisse liegen auf dem Tisch. Die Alternative wäre weiteres Leid, weiterer Tod. Nach wievielen Toten soll dann Frieden sein? Und: In unserem Interesse ist auch dieser Krieg nicht!

    • Elke

      P.S.:

      Lieber Ralf,

      bitte lies meinen Text genau. Ich habe nicht über die Diskussion bzw. Veranstaltung geschrieben, sondern über den Einladungstext sowie über den ersten Eindruck des You Tube Videos, lG Elke.

      Einladungen sollen einladen, die Gruppe ansprechen, die man/frau/mensch dahaben möchte. In einer Einladung zeigt sich auch der/die Einladende (neudeutsch könnte mensch dies Wording nennen)

      Mein Wunsch (in diesem Kontext ein seltsamer Begriff) wäre eine lautstarke Friedensbewegung, die die Finanzierung des Ukraine-Konfliktes über Nordstream 1 stoppt oder dies wenigstens fordert. In meiner Wahrnehmung ist dies momentan der so gut wie einzige Weg das Morden schnell/kurzfristig/ überhaupt zu stoppen. Ich vermisse „meine“ Friedensbewegung und frage mich, wo dieses breite Bündnis geblieben ist.

  • Carola

    Wer an der Veranstaltung teilgenommen hat, fragt sich, wie kommen Menschen, die nicht daran teilgenommen haben, dazu sich etwas auszumalen, was nichts mit der realen Veranstaltung zu tun hat. Und das kritisieren sie dann. Funktionieren so Trolle im Netz? Bei der Debatte um die Dämonisierung ging es nicht darum, wie schrecklich Putin ist, sondern ob es klug ist, die Verantwortung für das Verbrechen auf eine Person zu reduzieren. Das erschwert Verhandlungen und versperrt den Blick auf Strukturen und gesellschaftliche Prozesse.

    • Asterisco

      „Bei der Debatte um die Dämonisierung ging es nicht darum, wie schrecklich Putin ist, sondern ob es klug ist, die Verantwortung für das Verbrechen auf eine Person zu reduzieren.“

      Na das hört sich schon ganz anders an. Schon allein aufgrund des „humanitären“ Völkerrechts ist Putin natürlich nicht alleiniger Kriegsverbrecher, denn wer als Soldat:in Bomben auf Krankenhäuser wirft oder auf Fliehende schießt, kann sich nicht auf den Befehl berufen, weil man als ausgebildete:r Soldat:in weiß, dass es sich hierbei um ein Kriegsverbrechen handelt.
      Gleiches gilt für Putins Krisenstab, der auch keine völkerrechtswidrigen Befehle ihres Präsidenten ausführen dürfen.

      Aber zum Thema Verhandlungen: Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass Putin noch zu Verhandlungen fähig ist.

    • Elke

      Liebe Carola,

      bitte lies meinen Text genau. Ich habe nicht über die Diskussion bzw. Veranstaltung geschrieben, sondern über den Einladungstext sowie über den ersten Eindruck des You Tube Videos, lG Elke.

      Einladungen sollen einladen, die Gruppe ansprechen, die man/frau/mensch dahaben möchte. In einer Einladung zeigt sich auch der/die Einladende (neudeutsch könnte mensch dies Wording nennen)

      Mein Wunsch (in diesem Kontext ein seltsamer Begriff) wäre eine lautstarke Friedensbewegung, die die Finanzierung des Ukraine-Konfliktes über Nordstream 1 stoppt oder dies wenigstens fordert. In meiner Wahrnehmung ist dies momentan der so gut wie einzige Weg das Morden schnell/kurzfristig/ überhaupt zu stoppen. Ich vermisse „meine“ Friedensbewegung und frage mich, wo dieses breite Bündnis geblieben ist.

  • Ralf

    Du nimmst mir die Worte aus dem Munde, noch bevor mir mein eigenes Gehege meiner Zähne wieder ins Wort fällt (Zitat Heinz Erhardt ca. 1964).
    Danke!

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