Dienstag 15.02.22, 10:06 Uhr

Bleiberecht statt Abschiebung um jeden Preis


Der Flüchtlingsrat NRW fordert aus aktuellem Anlass die Nutzung aller Spielräume zugunsten von betroffenen Geflüchteten. Auslöser ist ein weiterer aktueller Fall einer drohenden Abschiebung. Der Flüchtlingsrat in seiner aktuellen Pressemitteilung: »Sevine Muradi und ihrer Familie droht die Abschiebung nach Aserbaidschan. Am Freitag, 11.02.2022 wurde Frau Muradi in der Ausländerbehörde des Kreises Siegen-Wittgenstein verhaftet, als sie für ihre anstehende Ausbildung zur Frisörin eine Ausbildungsduldung beantragen wollte. Dabei sollen die Ausländerbehörden laut einem NRW-Erlass alle Spielräume nutzen, um eine Ausbildungsduldung zu erteilen.

„Es ist inakzeptabel, dass Menschen in der Hoffnung auf ein Bleiberecht bei der Ausländerbehörde vorsprechen und stattdessen in Abschiebungshaft genommen werden“, sagt Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats NRW. „Das Land NRW muss von den Kommunen nachdrücklich einfordern, dass geltende Erlasse eingehalten werden.“
NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) kündigte am Samstag an, den Fall zu überprüfen. Nach aktuellem Stand soll Sevine Muradi gleichwohl heute Abend abgeschoben werden, ihr Ehemann und die drei gemeinsamen Kinder aller Voraussicht nach morgen.
„Minister Dr. Stamp will nach seiner Definition ‚gut integrierten‘ Menschen ein Bleiberecht ermöglichen“, so Birgit Naujoks weiter. „Dass die Ausländerbehörde trotz der Prüfungsankündigung der obersten Aufsichtsbehörde an der Abschiebung festhalten möchte, zeigt jedoch, dass die bislang ergriffenen Maßnahmen wie Erlasse und Förderprogramme nicht ausreichend wirken.“
Zu befürchten ist, dass manche Ausländerbehörden weiterhin zulasten von Betroffenen entscheiden, obwohl es andere Möglichkeiten gäbe. So auch, dass Abschiebungen von Menschen vollzogen werden, die nach den Plänen der Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag vom geplanten Chancen-Aufenthaltsrecht profitieren könnten.
Dies zeigt sich z.B. am Fall des 24jährigen Ebrima M., der am Mittwoch, 09.02.2022, in der Ausländerbehörde Wuppertal festgenommen wurde. Er lebt seit sieben Jahren in der Stadt, ist dort verwurzelt und erwerbstätig. Mit den angekündigten Neuregelungen hätte er Anspruch auf ein Bleiberecht. Auf öffentlichen Druck hin wurde die Abschiebung ausgesetzt und Ebrima M. aus der Abschiebungshaft entlassen. Nun befasst sich der Petitionsausschuss des Landtags mit seinem Fall.
Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein haben deshalb sogenannte Vorgriffserlasse auf den Weg gebracht. Sie sollen sicherstellen, dass niemand mehr abgeschoben wird, der künftig von den Verbesserungen beim Bleiberecht profitieren wird.
„Wenn die Abschiebungen bis zum Inkrafttreten der neuen Regelung ungehindert weitergehen, wird das Versprechen der amtierenden Bundesregierung zur Farce“, betont Birgit Naujoks. „Es wird dringend Zeit, dass das Ministerium unserer Forderung aus Januar nach einem solchen Vorgriffserlass nachkommt.“«