Freitag 17.12.21, 19:25 Uhr

Radentscheid feiert erfolgreiches Bürgerbegehren


17.000 Unterstützungsunterschriften rollen zum Oberbürgermeister

„Ja mir san mit’m Radl da“ erklang heute um 13 Uhr vor dem Rathaus. Die Umweltgruppe der Bochumer Symphoniker:innen hatte das Stück einstudiert. Sie ist eine von mehr als hundert Gruppen und Organisationen, die den Radentscheid unterstützen. Sie eröffneten ein kleines Fest unmittelbar vor der Übergabe von 17.000 Unterschriften an den Bochumer Oberbürgermeister. 12.000 Unterschriften hätten gereicht, um den Rat der Stadt zu zwingen, entweder freiwillig dem Bau eines flächendeckenden und sicheren Radverkehrsnetzes in Bochum zuzustimmen oder einen Bürgerbescheid einzuleiten, der dies verbindlich an Stelle des Rates beschließen kann. Heute wurde aber zunächst der „Etappenerfolg“ gefeiert. Mehrere Radaktivist:innen berichteten, wie es gelungen ist, trotz Pandemie in kurzer Zeit so viele Unterstützer:innen und Unterschriften zu gewinnen. Überraschender Weise hätten ganz viele Leute unterschrieben, von denen das nicht erwartet worden ist: Ältere Bürger:innen z. B., die früher viel Rad gefahren sind und die jetzt für ihre Enkel unterschrieben oder notorische Autofahrer:innen, die sich sichere Radwege für ihre Kinder wünschen.


Die mehr als 100 Teilnehmer:innen feierten ihren Erfolg, nahmen Glückwünsche von erfolgreichen Rad-Initiativen aus Köln und Essen entgegen und gaben den Staffelstab an eine Initiative aus Mönchenglabach weiter, wo im nächsten Jahr ein Radentscheid gestartet wird. Bevor das Lastenrad auf dem roten Teppich vor dem Rathaus mit den 17.000 Unterschrift heranrollte, zog Benedikt Edeler vom Radentscheid eine mit viel Beifall bedachte Zwischenbilanz der Arbeit der Radentscheid Initiative. Kristin Schwierz, eine der Verantwortlichen des Bürgerbegehrens, hatte ihn gefragt, wie er sich denn an diesem Tage fühle. Die Antwort im Wortlaut: „Vor 6 Monaten standen wir hier auf der Bühne, Kristin, und du hast mich gefragt, wie es mir geht, kurz bevor wir mit dem Sammeln starteten. Damals hatten wir als Initiative schon 10 Monate Vorbereitung hinter uns; unzählige Videokonferenzen bis spät in den Abend, viele intensive und meistens auch konstruktive Diskussionen. Jetzt sind wir schon fast anderthalb Jahre auf diesem Weg des RadEntscheid und es ist klar: es macht immer noch sehr viel Spaß, es ist immer noch das Richtige. Denn: wir bewegen etwas.

Benedikt Edeler


Und warum bin ich mir da so sicher, dass wir etwas bewegen? Als wir hier vor 6 Monaten standen, da konnten wir schon mit großer Zufriedenheit auf unseren Unterstützerinnenkreis blicken und auf die große Anzahl von Mitstreiterinnen und Mitstreitern. Rund 100 Vereine, Organisationen, Unternehmen und Verbände unterstützen uns, unterstützen die Verkehrswende und unterstützen den Umweltverbund in dieser Stadt.
Doch das Schönste ist: dieser Kreis wächst und wächst. Ständig konnten wir bei unseren Sitzungen neue Gesichter begrüßen, ständig haben wir gehört, dass nun auch diese Arztpraxis sammelt oder dass jener Verein auf dem Sportplatz die Unterschriftenlisten herumgehen lässt. Und ich bin mir sicher, wäre es so weiter gegangen, die Deutsche Post hätte irgendwann dem Botopia an der Griesenbruchstraße eine eigene Postleitzahl zugeordnet, weil so viele Briefe mit Unterschriften jeden Tag eingingen. Und das zeigt uns doch: wir haben eine breite, wir haben eine bunte gesellschaftliche Rückendeckung und das ist Spitze, darauf können wir stolz sein und an dieser Stelle nochmal ein ganz herzliches Dankeschön an alle, die uns beim Sammeln unterstützt haben. Ihr habt es für uns alle getan!
Stichwort „für uns alle“: wir haben ja nicht nur fast 17.000 Unterschriften gesammelt; wir haben auch fast genauso viele kürzere oder längere Gespräche mit Bochumerinnen und Bochumern geführt und dabei ganz unterschiedliches, aber doch meistens sehr positives Feedback bekommen. Und bei diesen Gesprächen haben wir doch immer wieder gemerkt: die Stärkung des Fahrradverkehrs hilft allen. Da war die alte Dame mit Gehhilfe, die selbst zwar kein Fahrrad fährt, sich aber freut, wenn sie sich seltener den Gehweg mit Rädern teilen muss. Da war der Herr mittleren Alters mit E-Bike auf der Erzbahntrasse, der eigentlich nur sonntags Fahrrad fährt, und eigentlich auch viel lieber Auto, aber der sich auch freuen würde, mal mit Rad zum Bäcker oder zum Arzt oder zur Skatrunde fahren zu können, oder da war die Studentin mit Rennrad aus Ehrenfeld, die am liebsten eigentlich alles mit dem Rad machen würde, sich aber nicht immer traut, weil es zu gefährlich ist. Das Ruhrgebiet ist vielleicht die vielfältigste Region Deutschlands und genauso vielfältig waren auch die persönlichen Geschichten, die wir beim Sammeln gehört haben, aber eines war doch immer gleich: eine verbesserte Radinfrastruktur würde all diesen Menschen helfen, denn sie macht eine Stadt sozialer, ökologischer und lebenswerter und ist damit ein zentraler Bestandteil der so dringend überfälligen Verkehrswende.
Eines muss uns klar sein: 17.000 Unterschriften bedeuten 17.000 individuelle Geschichten, warum die Verkehrswende für uns alle kollektiv der richtige Weg ist und 17.000 Unterschriften im Verbund mit über 100 unterstützenden Organisationen sind ein klarer Appell an Politik und Verwaltung: holt diese Verkehrswende endlich auch nach Bochum! Es ist Zeit, dass sich was dreht!
Doch bei aller Euphorie, bei aller Freude über den heutigen Tag. Unser Auftrag, den wir uns selbst gegeben haben, – unser Begehren – ist noch nicht erfüllt. Noch gibt es die Radwege nicht, die wir fordern. Heute werden wir mit der Übergabe von rund 17.000 Unterschriften den nächsten Schritt im Rahmen unseres Bürgerbegehrens einleiten. Heute spielen wir den Ball in das Feld der Verwaltung, die nun erstmal mit Nachzählen beschäftigt sein wird, und in das Feld der Politik, die nun über unsere Forderungen entscheiden muss. Doch das heißt nicht, dass wir als Initiative nun Pause haben. Egal, wie es nun ausgeht. Egal, ob die Politik nun unsere Forderungen annimmt oder ablehnt und damit einen Bürgerentscheid einleitet, unsere Arbeit geht weiter! Der RadEntscheid ist noch nicht vorbei! Wir haben – unabhängig von politischen Entscheidungen und Verwaltungshandeln – eine Debatte in Gang gesetzt! Wir werden gemeinsam als Initiative und in Kooperation mit unseren Unterstützerinnen und Unterstützern die Arbeit von Politik und Verwaltung weiter kritisch begleiten und für eine sozialere, ökologischere und lebenswertere Stadt kämpfen und mit diesem Ergebnis sind wir so stark wie noch nie!
Doch heute haben wir erstmal Grund zu feiern! Eine wichtige Etappe ist genommen! Es ist Zeit, dass sich was dreht! Danke!“