Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,
wir sind wütend, manchmal sind wir unvorstellbar frustriert und nicht selten sind zumindest einige von uns unendlich traurig über den Zustand unseres Planeten, über unsere Art mit ihm umzugehen und zuvorderst über die Tatsache, dass so wenig und so wenig Ausreichendes unternommen wird, um an dieser Diagnose etwas zu ändern. Aber all dies sind auch die Gründe dafür, dass wir kampfbereit sind:
Denn, die übermorgen zu wählende Bundesregierung ist die letzte, die noch die Weichen zum Einhalten des Pariser Klimaschutzabkommens stellen kann. Diesen oder ähnlich lautende Sätze lesen und hören wir so häufig, sagen und fühlen wir bereits so lange, dass der Satz anfängt, schal in unserem Mund vor sich hinzugammeln.
- Zwar besagt dieser Satz einerseits, dass wir noch die Möglichkeit haben zu handeln, dass wir noch die Möglichkeit haben, dramatischere Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels zu stoppen.
- Aber er besagt andererseits auch, dass in der Vergangenheit die Bundesregierungen und die verantwortlichen Teile der Wirtschaft und der Medien auf dramatische Weise zu wenig im Kampf gegen die Klimakrise unternommen haben.
Und so ist es nicht verwunderlich, dass Angela Merkel bei ihrem letzten Auftritt in der Bundespressekonferenz ihre eigene Politik eher resignativ mit der Feststellung kommentiert hat, dass “gemessen an dem Ziel, deutlich unter einem Anstieg von 2 Grad Celsius zu bleiben oder möglichst nah an 1,5 Grad Celsius heranzukommen, nicht ausreichend viel passiert” ist.
Liebe Mitstreiter*innen, „nicht ausreichend viel passiert“ – das ist eine wenig schöne Umschreibung und eine dramatische Untertreibung für das jahrzehntelange Nichtstun. Entscheidende Kreise aus Politik, Wirtschaft und Medien waren informiert, aber wollten nur unzureichend handeln. Was vor 30 Jahren noch ein gut begründetes Szenario der Klimamodelle war, ist heute als Realität längst eingetreten: der menschengemachte Klimawandel bedroht unsere Lebensgrundlage und was aus meiner Sicht viel entscheidender ist, die Lebensgrundlage unserer Kinder und Enkelkinder.
In den Wahlprogrammen der aktuell im Bundestag vertretenen Parteien finden sich vorrangig Lippenbekenntnisse zum 1,5-Grad-Ziel, das unterstreicht die aktuelle Studie des IdW. Auch wenn einige Parteien punktuell konkrete Pläne entwickelt haben, wie sie unser Land in Richtung auf Klimaneutralität bringen wollen, so weist die angeführte Studie doch deutlich darauf hin, dass selbst diese Pläne – würden sie denn tatsächlich umgesetzt – bestenfalls für das 1,75-Grad-Ziel ausreichen würden.
Schauen wir uns jedoch die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels schon heute bei einem Anstieg von ca. 1,2 Grad an, so wird deutlich: Es gibt keine Alternativen: Wir müssen JETZT handeln. Fast 50 Grad Celsius in Kanada. Flächenbrände in Kalifornien. In Sibirien sorgten mehrere Hitzewellen für auftauende Permafrostböden und für die seit langem größten Wald- und Torfbrände. Und schauen wir auf die von Starkregen und Unwettern verursachten Hochwasser im Juli dieses Jahres bei uns! Schauen wir auf die Zerstörungen direkt vor unserer Haustür, in Bochum Dahlhausen, in Witten, in Hagen, in unzähligen anderen Städten von NRW, Rheinland-Pfalz, in Belgien und in den Niederlanden! Wir können uns beim besten Willen nicht mehr einbilden, dass das nichts mit uns zu tun hat! Und so bestätigt auch der neueste IPCC-Bericht eindeutig den Zusammenhang zwischen dem Auftreten dieser Ereignisse und dem Klimawandel. Und das sind nur erste, vergleichsweise harmlosen Anzeichen eines drohenden Klimakollaps.
Die Wissenschaft erhebt bereits seit mehreren Jahrzehnten ihre Stimme gegen den menschengemachten Klimawandel. Es sind einzig und die Entscheidungsträger*innen in Medien Wirtschaft und Politik, die die Warnungen und Mahnungen nicht ernst nahmen. Und so müssen wir jetzt umso dringlicher handeln! Wir müssen unser Wirtschaften und unser Leben klimaneutral gestalten. Wir brauchen natürliche CO2-Senken, um die Regenerationskräfte unserer Erde zu schützen und zu stärken. Gleichzeitig müssen wir unsere Städte umgestalten, um in einer bereits jetzt überhitzten Welt leben zu können. Hier macht die aktuelle Studie der BKK überdeutlich, dass bei gleichzeitig fortschreitender Überalterung unserer Gesellschaft die Gruppe, die gesundheitlich von Hitze betroffen sein wird, immer weiter anwachsen wird.
Wir haben also eine gewaltige Aufgabe vor uns. Dies gilt nicht nur für uns hier in Deutschland. Es ist eine weltweite Aufgabe die es zu bewältigen gilt. Und als Industrienation haben wir eine moralische Pflicht gegenüber denjenigen Nationen, die ihren Wohlstand nicht mit dem historischen Rucksack der übermäßigen Nutzung und Ausbeutung von Ressourcen aufgebaut haben.
Vor uns steht eine gewaltige Menschheitsaufgabe. Und gerade deshalb ist dies nicht der Augenblick zu resignieren. Auch weil eine Vielzahl von Wissenschaftler*innen uns aufzeigt, dass wir die notwendigen Möglichkeiten haben, Schlimmeres zu vermeiden. Wir haben das Wissen und die technischen Möglichkeiten, um unser Leben nicht länger auf die Nutzung fossiler Energieträger aufzubauen. Wir haben das Wissen und die Möglichkeiten, die Landwirtschaft biodynamisch umzustellen. Wir haben das Wissen und die Möglichkeiten, um unser Bauwesen grundlegend zu modifizieren und auf die Nutzung von mehr CO2-absorbierendes Holz auszurichten (anstatt dieses zu verbrennen).
Und es gibt bereits viele Menschen, die sich stark engagieren und ihre Lebensweise, ihr Unternehmen und ihre Kommunen umorganisiert haben. Was wir aber JETZT brauchen, ist eine nachhaltig agierende und planende Politik, die für alle anderen feste Leitlinien vorgibt, wie die nachhaltige Umstellung unserer gesamten Gesellschaft gelingen kann. “Politik ist das, was möglich ist”, sagte Frau Merkel bei der Vorstellung ihres in Teilen verfassungswidrigen Klimaschutzgesetzes. – Wir sagen ABER: Politik muss endlich das viel zu lange Überfällige tun!
Die nächste Bundesregierung ist die letzte, die noch die Weichen zum Einhalten des Pariser Klimaschutzabkommens stellen kann.
Ich wünschte, wir müssten sie nicht weiter ständig daran erinnern! Das zu erreichen, liegt übermorgen in unserer Hand.