Samstag 25.09.21, 13:55 Uhr
Redebeitrag von Seebrücke Bochum beim Klimastreik am 24.09.2021 in Bochum

Klimawandel als Fluchtursache und die Abschottung Europas


Als Seebrücke Bochum unterstützen wir den Klimastreik, denn wir wissen: Die Folgen des Klimawandels und der Erderwärmung zwingen schon jetzt viele verzweifelte Menschen, ihre Heimat zu verlassen, weil ihnen ihre Existenzgrundlagen entzogen worden sind und sie dort nicht mehr überleben können.

„Der Klimawandel könnte zum Hauptfluchtgrund werden“, warnte Antonio Guterres bereits 2009. Laut Oxfam werden jedes Jahr 20 Millionen Menschen aufgrund von klimabedingten Katastrophen innerhalb ihres Landes vertrieben.

Die Internationale Organisation für Migration schätzt, dass die Anzahl der Klimaflüchtlinge weltweit in den nächsten 30 Jahren auf 200 Millionen anwachsen wird, wenn sich der menschengemachte Klimawandel so wie bisher fortsetzt. Andere Schätzungen halten selbst 1 Milliarde Umweltflüchtlinge für realistisch.

Naturkatastrophen in steigender Häufigkeit, anhaltende Dürreperioden, Wald- und Buschbrände, Verschiebung der Regenzonen, Überschwemmungen, Dauerregen, Versalzung von Weideland, Äckern und Trinkwasser durch steigende Meeresspiegel, Zyklone usw. zerstören ganze Siedlungsgebiete, Landstriche und landwirtschaftlich nutzbare Flächen. Die Folgen sind Hungersnöte, Wassermangel und oft bewaffnete Konflikte. Betroffen davon sind u.a. die Länder, aus denen weltweit die meisten Flüchtlinge kommen. Für den Krieg in Syrien z.B. war die schlimmste Dürre seit 100 Jahren ein Brandbeschleuniger.

Bangladesch zählt zu den Ländern, die am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind.Durch den Anstieg des Fluss- und des Meeresspiegels wird Bangladesch in den nächsten 30 Jahren bis zu 20 % seiner Landmasse verlieren. Heute schon genügt ein einziges Unwetter oft, um ganze Dörfer zu vernichten, die Felder versalzen und alle Infrastruktur zu zerstören. 2017 wurde Bangladesch daher zum größten Herkunftsland von Geflüchteten, die Europa auf dem Seeweg erreichten. Jedoch ist Bangladesch erst der Anfang. Jedes Land der Welt wird von den Auswirkungen des Klimawandels und des steigenden Meeresspiegels früher oder später betroffen sein.

Beispiel östliches Afrika: Im Süden Madagaskars versengte die gegenwärtig stärkste Trockenheit seit 40 Jahren ganze Landstriche, mit Effekten, die man auf der Nordhalbkugel gar nicht kennt: Pflanzen zerfielen einfach zu Staub. Als Folge sind 1,2 Millionen Menschen unterernährt, 14000 sind laut Bericht der Welthungerhilfe ohne Eingriff von außen vom unmittelbar bevorstehenden Tod bedroht. Allein der Klimawandel macht aus hilflosen Menschen stille Wesen aus Haut und Knochen, die aus Verzweiflung Insekten, Lehm und lose Blätter essen.

Beispiel Westafrika: Fangflotten der EU ruinieren die Fischbestände und zwingen die Fischer, ihre Heimatländer zu verlassen.

Der rücksichtslose Abbau von Öl und Bauxit z.B. in Nigeria bzw. Guinea verseucht Boden, Luft und Nahrungsmittel.

Landgrabbing und Nutzung großer Anbauflächen für den Futtermittelexport in Länder des reichen Nordens vertreibt Bauern von ihren Äckern. Widerstand wird oft mit Gewalt beantwortet.

Hier zeigt sich das zerstörerische Ausmaß der globalen Ungerechtigkeit: Die globale Erwärmung wird verursacht durch den Hunger nach Ressourcen und die Nutzung fossiler Energieträger in den reichen Industrieländern und durch den damit verbundenen Ausstoß klimaschädlicher Emissionen.

Die furchtbarsten Auswirkungen des Klimawandels haben die ärmsten Staaten des globalen Südens zu tragen, die keine Mittel haben, diese Folgen aufzufangen. Und doch leben in ihnen die meisten Binnenvertriebenen oder Flüchtlinge aus Nachbarstaaten. Ebenso ist der strukturell ungleiche Welthandel eine der Ursachen für die Armut in diesen Ländern.

Doch gerade in Ländern mit großem Reichtum an Bodenschätzen leidet die Bevölkerung Hunger und Not. Bestechliche regierende Cliquen bereichern sich am Ausverkauf ihrer Ressourcen, anstatt die Armut zu bekämpfen.

Militärische Aufrüstung und Waffenexporte, auch durch die Bundesrepublik Deutschland, dienen häufig dazu,um Proteste der Zivilbevölkerung blutig zu unterdrücken. Oder aber sie werden zur Abwehr von Flüchtlingen eingesetzt, wie in den Staaten südlich der Sahara – offensichtlich ganz im Sinne der europäischen Abschottungspolitik…

In den letzten Wochen ist durch die Situation in Afghanistan wieder ins Bewusstsein gerückt, dass durch die Erderwärmung verursachte Dürren, Waffen, Krieg und Hungersnöte eng miteinander einhergehen und Fluchtursachen produzieren. Auch die zynische Untätigkeit der Bundesregierung und anderer am Krieg beteiligter Staaten, die Schutzbedürftige gleichgültig ihrem Schicksal überlassen, mussten wir mit Entsetzen beobachten.

Die Ärmsten dieser Welt werden als Erste heftig durch die Erwärmung getroffen, an der sie unschuldig sind. Die Hauptverursacher bestreiten die Berechtigung des Fluchtgrunds Klimawandel und schotten sich ab.

Diejenigen, die sich auf den gefährlichen Weg nach Europa machen, nehmen Tod in der Wüste, Ertrinken im Mittelmeer und Folter in libyschen Lagern auf sich. Nur wenige kommen in Europa an. Die Außengrenzen der EU sind mörderisch. Hier werden sie als Wirtschaftsflüchtlinge kriminalisiert, illegalisiert und abgeschoben. Obwohl der UN-Migrationspakt von 2018 erstmals „Klimaflucht“ als Migrationsursache nennt, ist diese noch nicht in international geltendes Recht aufgenommen worden.

Die reichen Industriestaaten als Hauptverursacher des Klimawandels müssen jedoch endlich ihrer Verantwortung für dessen Auswirkungen gerecht werden.

Gemeinsam mit euch wollen wir deshalb für eine klimagerechte Zukunft kämpfen. Lasst uns den Klimawandel verhindern und als Fluchtursache bekämpfen. Lasst uns gleichzeitig für die Menschen kämpfen, die bereits auf der Flucht sind und immer wieder entrechtet werden.

Für ein selbstbestimmtes Kommen und Bleiben. Kein Mensch ist illegal!