Sonntag 05.09.21, 07:52 Uhr

Alt-IG-Metaller:innen formulieren Erwartungen an die Parteien


Mitglieder des Seniorenausschuss der IG-Metall gingen am gestrigen Samstag durch die Innenstadt, um einen offenen Brief mit ihren Erwartungen an eine zukünftige Politik an den Infoständen der Parteien abzugeben. Sie waren verwundert, dass kein CDU-Infostand zu finden war. Der Brief hat folgenden Wortlaut: »Die Bochumer Seniorinnen und Senioren der IG Metall Ruhrgebiet Mitte wenden sich mit diesem offenen Brief an die Kandidatinnen und Kandidaten der in Bochum vertretenen demokratischen Parteien. Damit möchten wir, als aktiver Teil unserer Gesellschaft mit langjähriger Erfahrung als Interessenvertreter der organisierten Arbeitnehmerschaft, mit Ihnen ins Gespräch kommen und Anforderungen an die Bundespolitik aus der Sicht älterer Menschen formulieren und diskutieren.


Wir wollen deutlich machen, dass Seniorenpolitik allgemein eine wichtige Querschnittspolitik in allen wichtigen Politikbereichen sein sollte. Wir hoffen, Ihnen mit unseren Anforderungen eine wichtige Handreichung zu geben, Ihre Politik im neu zu wählenden Bundestag dementsprechend auszurichten und erwarten gern, auch gern öffentlich, Ihre Antworten auf unsere Anforderungen:

  1. Seniorinnen und Senioren sind ein Teil der Gesellschaft mit allen Rechten und Pflichten. Deswegen ist es für den demokratischen Zusammenhalt der Gesellschaft notwendig, die demokratische Teilhabe der Seniorinnen und Senioren gesetzlich zu regeln. Wir fordern, auf Bundesebene die Schaffung einer Rahmengesetzgebung, die die Grundzüge der Seniorenbeteiligung auf Landes- und Kommunaler Ebene regelt.
  2. Die Herausforderungen für die sozialen Sicherungssysteme werden in den kommenden Jahren größer. Ihre Leistungsfähigkeit und ihr hohes Leistungsniveau können nur durch solidarische Lösungen garantiert werden. Wir fordern eine solidarische Finanzierung aller Sozialversicherungszweige durch paritätische Beiträge und den Umbau der Gesetzlichen Krankenversicherung zu einer solidarischen Bürgerversicherung.
  3. Die soziale Absicherung im Alter ist ein Kernversprechen des Sozialstaates, das es zu erneuern gilt. Dafür brauchen wir einen Kurswechsel in der Rentenpolitik. Auskömmliche Renten müssen wieder vorrangiges Sicherungsziel des Sozialstaates werden. Wir fordern, das Rentenniveau zu stabilisieren und langfristig auf 53 Prozent anzuheben; gesicherte Altersübergänge zu schaffen und ein klares Nein zur Rente mit 67 oder 68; eine Verbesserung des Erwerbsminderungsschutzes; einen höheren Steuerzuschuss und systemgerechte Finanzierung „versicherungsfremder“ Leistungen
    und die Einbeziehung aller Berufsgruppen in eine solidarische Erwerbstätigenversicherung.
  4. Ältere Menschen sind von Verwerfungen auf dem Wohnungsmarkt besonders betroffen. Viele müssen durch geringe Rente und Versorgung sowie gebrochene Erwerbsbiografien mit weniger Geld im Alter auskommen. Die Versorgung mit bedarfsgerechtem Wohnraum in einer lebenswerten Wohnumgebung ist vielerorts gefährdet.
    Wir fordern, dringend gesetzliche Rahmenbedingungen für bezahlbare Mieten und Bundesprogramme, die Wohnungstausche bei bestehenden Mietverträgen ermöglichen. Auch die Förderung von altersgerechtem Wohnungsneubau und Umbau ist auszuweiten. Zudem brauchen wir die Einrichtung eines Katasters, der den Bedarf und Bestand von barrierefreien oder –armen Wohnungen in jeder Kommune festlegt.
  5. Die Gesellschaft wandelt sich tiefgreifend. Der ökologische und digitale Umbau ganzer Industrien und der Gesellschaft wird vorangetrieben. Dafür brauchen wir einen handlungsfähigen Staat, der Finanzmittel für den sozialverträglichen und nachhaltigen Umbau aufbringen kann.
    Wir fordern die Einführung einer progressiven Vermögenssteuer für Vermögen das über 1 Million Euro (Tarif für Singles) bzw. 2 Millionen Euro (Tarif für Ehegatten und Lebenspartner) hinausgeht; eine angemessene Besteuerung von Unternehmen, statt weiterer Senkung der Körperschaftssteuer sowie eine Reform der Einkommenssteuer, als Kernstück eines umverteilenden Steuersystems, das untere und mittlere Einkommen entlastet und höhere Einkommen stärker belastet.«