Im Jahre 2006 wurde die Sozialberatung Bochum gegründet und im Oktober 2008 wurde sie in Sozialberatung Ruhr umbenannt. „Mittlerweile hat sie nach eigenen Angaben 10.000 Beratungen für ihre Mitglieder durchgeführt und schreibt: »Hintergrund für die Gründung des Vereins war, dass den Gründungsmitgliedern aufgefallen war, dass in erheblichem Umfang fehlerhafte Bescheide durch die damalige ARGE Bochum erlassen wurden. Daran hat sich leider nicht allzu viel geändert; ungefähr die Hälfte aller Bescheide weisen Fehler auf. Nach wie vor sind Fragen zu dem Rechtskreis SGB II (Hartz IV) die häufigsten Fragen.
Hier geht es um das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Bedarfsgemeinschaft, die Höhe der zu übernehmenden Miete und die Anrechnung von Arbeitseinkommen oder anderweitigen Einkünften. Dies war im Prinzip vor 15 Jahren auch schon so und es ist bitter zu sehen, dass sich nichts, aber auch gar nichts positiv für die Menschen geändert hat.
Es fällt allerdings auf, dass in früheren Jahren die Leute eher Fragen zu den Freigrenzen bei Vermögen hatten, da sie aus der Zeit vor Hartz IV noch Rücklagen hatten. Dazu gibt es aktuell kaum Fragen, was nach unserer Auffassung daran liegt, dass die Menschen immer ärmer werden und die irgendwann vorhandenen Vermögenswerte aufgebraucht wurden um die Unterdeckung durch die Regelsätze bei Hartz IV zu kompensieren. Ein Großteil der Menschen muss aufgrund der nicht vollständigen Übernahme der Mietkosten hier zuschießen. Gleiches gilt für notwendige Anschaffungen, Unterdeckung beim Strom etc. Die Regelsätze sind evident zu niedrig. Ebenfalls zu niedrig sind die Angemessenheitsgrenzen bei den Mieten und hier speziell in Bochum und z. B. auch in Gelsenkirchen. Insgesamt ist festzustellen, dass die Gesamtkonstruktion des SGB II eine völlige Fehlkonstruktion ist und durch ein besseres menschenförderndes System zu ersetzen ist. Man kann das SGB II durchaus als „Verelendungsförderungsgesetz“ bezeichnen.
Es sollte auch in diesem Zusammenhang gerade vor der anstehenden Bundestagswahl nicht vergessen werden, dass dieses Gesetzesmonstrum seinerzeit von SPD und Grünen ersonnen und in Kraft gesetzt wurde. Allerdings kann man nicht wirklich feststellen, dass die Union sich heftig dagegen gewehrt hätte, sodass diese drei Parteien durchaus als Hartz IV-Befürworter gesehen werden müssen.
Bezieher von Leistungen wie SGB II, SGB XII etc. gehen überdurchschnittlich häufig nicht zur Wahl. Wenn man sich die Frage stellt, warum dies so ist, gibt es im Kern zwei Erklärungsmöglichkeiten: Zum einen kann man es damit erklären, dass die Menschen sagen „man kann ja sowieso nichts ändern“ und die Politiker sehen zu, dass sie ihre Interessen durchsetzen notfalls mit regelrecht korrupten Mitteln und arme Leute sind für sie nur Ballast. Oder aber die Leute sind mit ihrem individuellen Problem dermaßen überlastet, dass einfach kein Raum mehr dafür ist, sich mit anderen Fragen auseinanderzusetzen.
Für die letztere Auffassung spricht, dass insbesondere im Bereich der Sozialleistungsgesetze eine schon fast monströse Bürokratie dem einzelnen Leistungsempfänger gegenübersteht, die sozusagen mit einem Strich dem Leistungsempfänger seine kompletten Lebensnotwendigkeiten wie Miete, Nahrungsmittel etc. entziehen kann. Leistet die Behörde nicht, ist der Leistungsempfänger gezwungen, letztendlich den Rechtsweg zu beschreiten und sich in eine Welt zu begeben, deren Voraussetzungen für den einzelnen nur schwierig nachzuvollziehen sind.
Ein running gag bei den Sozialgerichten landauf, landab ist der Hinweis eines klagenden Leistungsempfängers, er sei nicht in der Lage auszurechnen wie hoch sein Leistungsanspruch sei.
„Ob ein Gesetz ein gutes Gesetz ist, wenn diejenigen, die es betrifft es nicht verstehen, dürfte höchst zweifelhaft sein“, so Anton Hillebrand von der Sozialberatung Ruhr e. V. „Wenn man verhindern will, dass ein ganzer Teil der Bevölkerung sich nicht frustriert von der Politik und diesem Staat abwenden soll, dann sollte man auch keine Gesetze machen, die die Menschen nicht verstehen und es tunlichst unterlassen, Stammtischweisheiten als politische Einsichten zu verkaufen wie Herr Spahn das seinerzeit getan hat, indem er gesagt hat: „Hartz IV ist keine Armut“. Wenn darüber hinaus die Menschheitsaufgabe der Verhinderung des Fortschreitens der Klimakatastrophe auch in den ärmeren Gesellschaftsschichten akzeptiert werden soll, dann müssen die damit einhergehenden Mehraufwendungen sozial kompensiert werden. Dies wird zwar immer wieder betont, aber es fehlt an jeglichem konkreten Gesetzesvorschlag, wie dies geschehen soll.
Gleiches gilt im Kern für die Kosten der Corona-Krise, die letztendlich auch aufgebracht werden müssen und arme Menschen gehen davon aus, dass sie es wieder sein werden, die die Hauptlast zu tragen haben. Die Politik ist aufgerufen, sich von allgemeinsten Plattitüden (Programmsätzen) zu verabschieden und konkret zu sagen, wie die Kosten der Klimawende und der Corona- Krise getragen werden können, ohne dass dies zu weiteren sozialen Verwerfungen führt.«