Samstag 17.07.21, 19:46 Uhr
Kundgebung gegen das geplante Versammlungsgesetz NRW am 17.7.2021 in Bochum

Redebeitrag von Felix Oekentorp, DFG-VK & Bündnis „Versammlungsgesetz NRW stoppen – Grundrechte erhalten!“


Felix Oekentorp

Liebe Freundinnen und Freunde,
Mitstreiter:innen für das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und somit Verfassungsschützer:innen der vertrauenswürdigen Sorte!

Diese Woche bekam ich mit der Post ein Buch. Das ist an sich nichts ungewöhnliches, und ich würde es auch nicht erwähnen, wenn dieses Buch nicht aus dem Innenministerium des Landes NRW gekommen wäre. Es handelt sich um den aktuellen Verfassungsschutzbericht. Drinnen, auf 400 Seiten aufgelistet, sind Akteure, Gruppen und Organisationen, die dem Herrn Reul nicht gefallen.

Die PKK, das Bündnis „ums Ganze“, dem das Festhalten am Feindbild AfD vorgeworfen wird (Seite 178), die Linksjugend solid (Seite 163), Ende Gelände, denen die Proteste gegen das Kohlekraftwerk Datteln vorgeworfen werden (Seite 184), das sind Gruppen, die aufgelistet sind.

Dabei handelt es sich um eine unvollständige Liste, mein Name taucht nicht auf, obwohl mir Herbert Reul dieser Tage bei einer digitalen Veranstaltung der CDU Bochum zu verstehen gegeben hat, dass er auch mich nicht mag. Auf BO-Alternativ war die Veranstaltung beworben mit „Frag den Reul!“

Warum ich von dem Buch berichte: Außen auf dem Cover stehen verschiedene Stichworte, zuvorderst benannt ist dort die Versammlungsfreiheit. Es scheint, als gehöre diese wie die im Innern benannten Akteure zu dem, was Herr Reul nicht mag.

Dass er die Versammlungsfreiheit nicht mag, belegt der von ihm und der schwarzgelben Regierungskoalition in den Landtag eingebrachte Gesetzentwurf. Diverse Stellungnahmen weisen auf erhebliche Schwächen in dem Entwurf hin, Andreas hat diese vorhin erwähnt und sie wurden gerade hervorragend szenisch dargestellt.

Andreas hat auch den Brokdorf Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zitiert. Und ich möchte bestätigen, dass es in meinem Fall recht hat: Ich bin ungebändigt und demokratisch!

Diese Details aus dem Versammlungsverhindernugsgesetz des Innenminister Reul sind fürchterlich. Dass wir gegen diesen Gesetzentwurf sind, haben wir bereits am 19.6. in Bochum zahlreich im Rahmen einer gelungenen Demo in Bochum bekundet. Ein dickes Danke dafür noch einmal allen Beteiligten.

Eine Woche später war dann in Düsseldorf eine zentrale Großdemo gegen diese Vorlage für ein NRW-Versammlungsverhinderungsgesetz.

Mit ca 8.000 Menschen waren wir auf der Straße. Zahlreiche inhaltliche Blöcke haben sich beteiligt, Betroffene des drohenden neuen Gesetzes. Es gab den Umweltblock mit den Klimaschützer:innen, den Jugendblock, zwei Fußballblöcke (Kölner und Düsseldorfer), den Jurist:innenblock ganz vorne in Roben, die Antifas, den Antikapitalistischen Block, den der Linken, und einige mehr.

Trotz der bunten und friedlichen Stimmung der Teilnehmer:innen lag eine Eskalation in der Luft. Der am Landtag geparkte gepanzerte Wasserwerfer (BO-2) kam zwar nicht zum Einsatz, machte aber deutlich, woher an dem Tag der Wind weht.

Der Demozug war schon auf der Rheinbrücke, manche der Teilnehmer:innen noch auf den Rheinwiesen, wo die Auftaktkundgebung gewesen war, da drangsalierten die Polizist:innen den Antifa-Block. Immer und immer wieder forderte unser Lautiwagen auf, dies sein zu lassen, aber vergebens.

Das weitere Geschehen ist bekannt, vielen von euch aus eigenem Erleben, vielen anderen Menschen durch die mediale Berichterstattung: die Polizei ließ eskalieren, der Antifablock wurde eingekesselt, über 100 Demonstrant;innen wurden verletzt, die letzten Gekesselten oder in Gewahrsam genommenen kamen erst mitten in der Nacht frei.

Möglicherweise war das ein Versuch von Herbert Reul, der Öffentlichkeit zu demonstrieren, dass ein hartes Gesetz gegen Demonstrierende nötig sei angesichts der Bilder von Gewalt auf dieser Demo. Denn für den Außenstehenden ist schwer erkennbar, von wem diese Gewalt ausgeht, und pauschal genießt die Polizei Vertrauen. Das ist ja auch notwendige Voraussetzung für das Funktionieren des staatlichen Gewaltmonopols.

Der Terror gegen die Demonstrierenden hätte wahrscheinlich noch nicht einmal in der Öffentlichkeit für Aufregung gesorgt, aber ein dpa-Journalist wurde ebenfalls von der Polizei verprügelt. Im Kölner Stadtanzeiger (und anderen Medien) wird die Situation so geschildert, dass dem Prügelpolizisten egal war, dass er die Pressefreiheit angreift.

Letztlich war das der Tropfen, der das Fass der Empörung zum Überlaufen brachte, Demonstranten verprügeln gehört zum Alltag und wird schon als normal wahrgenommen, Gewalt gegen Journalisten noch nicht..

Es gab auf Antrag von SPD und Grünen am 1.7. zwei Aktuelle Stunden im Landtag sowie eine davor stattfindende Sondersitzung des Innenausschuss. Hier fragte die Grüne Abgeordnete Verena Schaeffer den Innenminister, ob er wohl Anweisung an die Düsseldorfer Polizei gegeben habe für diesen robusten Einsatz. Dies wies Reul mit einer solchen (gespielten?) Empörung zurück, dass es schon wieder höchst unglaubwürdig wirkte. Dies wiederholte sich im Plenum des Landtags.

Inzwischen scheint das Gesetz nicht mehr so sicher den Landtag zu passieren. Anfang Juli verabschiedete sich der Landtag in die Sommerpause, und erst im September können die nächsten Schritte geschehen. Die FDP ist angesichts der öffentlichen Empörung von ihrer anfänglichen Zustimmung abgerückt, die deren Minister in der Landesregierung gegeben hatten.

Die Empörung bleibt: Wann und wo Laschet und Reul in NRW öffentlich auftreten, werden sie mit der Polizeigewalt auf der Demo für die Versammlungsfreiheit konfrontiert. Zuletzt auch beim digitalen Werkstattgespräch der Bochumer CDU und bei einem Spatenstich für ein Gebäude an der Uni Münster zu dem Laschet wegen einer angeblichen Autopanne erst gar nicht kam. Ihm war sicher gemeldet worden, dass zahlreiche Gegner:innen des geplanten Gesetzes am Ort waren.

Und inzwischen sind auch Klagen gegen die Polizeigewalt und die Behinderung der Demo eingereicht worden. Das Bündnis hat Klage gegen den unverhältnismäßigen Polizeieinsatz eingereicht. Das Anhalten der Demo, das Kesseln der etwa 330 Teilnehmer:innen und deren Ausschluss von der Demo sowie die mehrstündige Freiheitsentziehung der Menschen ohne Bereitstellung sanitärer Möglichkeiten ist Inhalt dieser Klage.

Mehrere Münsteraner Anti-Atomkraft-Inis haben ebenfalls eine gemeinsame Klage eingereicht. Hier geht es um die Rechtswidrigkeit der Freiheitsberaubung durch das Kesseln. Anwalt dieser Klägergruppe ist Wilhelm Achelpöhler, der auf der letzten Demo in Bochum am 19.6. geredet hat.

Und auch die Partei Die Linke hat nach rechtlicher Prüfung beschlossen, Klage gegen den Polizeieinsatz einzureichen, um feststellen zu lassen, dass der Polizeieinsatz ein illegaler Angriff auf die Versammlungsfreiheit gewesen ist.

Diese Klagen sind gut und richtig und notwendig. Denn mit dem unverhältnismäßigen Einsatz der Polizei und mit dem Verstoß gegen die gebotene Neutralität hat der Einsatz gegen die notwendigen Voraussetzungen für das staatliche Gewaltmonopol verstoßen. Herbert Reul hat dies billigend in Kauf genommen. Ich sehe darin einen klaren Verstoß gegen die Freiheitliche Demokratische Grundordnung. Und damit die Notwendigkeit, diesen Innenminister zu entlassen, wenn er nicht selber zurücktritt.

Und weil wir uns von diesen „Order against the Law“ (die Formulierung Law & Order wäre unpassend – diese Herrschaften stehen nicht auf der Seite des Rechts) Menschen um Herbert Reul nicht einschüchtern lassen, werden wir vor dem Ende der Sommerpause erneut eine landesweite Großdemo gegen diesen unerträglichen Gesetzentwurf machen: Ich bitte Euch, kommt alle am 28.8. wieder nach Düsseldorf. Helft mit, dieses fürchterliche Gesetzeswerk zu verhindern! Denn wenn es einmal verabschiedet ist, wird es verdammt schwer, es wieder loszuwerden.

Danke!