Schön dass ihr alle da seid etc
Wir gehen heute gemeinsam auf die Straße anlässlich einer Abstimmung, die am 19. Mai im deutschen Bundestag stattgefunden hat. Dabei wurden zwei Anträge zur Änderung des menschenunwürdigen Transsexuellengesetzes in ein modernes und längst überfälliges Selbstbestimmungsgesetz für trans*, nicht-binäre und inter Menschen abgelehnt.
Somit bleibt es den Betroffenen weiterhin unmöglich, unkompliziert ihren Personenstand zu ändern oder selbstbestimmt über ihren Körper zu entscheiden. Stattdessen stehen ihnen übergriffige Begutachtungsprozeduren bevor, bei denen sie nicht nur den Gutachter*innen intimste Einblicke in ihr Privatleben geben müssen, sondern auch allen anderen am Transitionsprozess Beteiligten, zum Beispiel Ärzt*innnen. Trans*, nicht-binäre und inter Menschen werden also weiterhin bevormundet; es wird so getan, als könnte eine fremde Person besser darüber entscheiden, ob eine Transition sinnvoll ist, als sie selbst.
Wir stehen heute an der Seite unserer Trans*, nicht binären und intergeschlechtlichen Geschwistern! Genauso haben es auch 54 Abgeordnete der Linksfraktion getan, als sie am 19. für das Selbstbestimmungsgesetz stimmten. Einzelne Abgeordnete wendeten sich jedoch gegen die große Mehrheit der Fraktion und stimmten gegen den Gesetzentwurf, darunter auch Sahra Wagenknecht aus Düsseldorf und Sevim Dagdelen hier aus Bochum. Wer behauptet sich für die Arbeiter*innenklasse einzusetzen, aber ihre queeren Anteile nicht mitberücksichtigt oder sogar ausschließt, den*die können wir nicht beim Wort nehmen. Dem stimmt auch der Bundesarbeitskreis Die Linke.queer zu. Unser Klassenkampf ist intersektional!
Wo trans* und nicht binäre Mensche nicht mit dem Tod bedroht werden, sind sie besonders häufig von Gewalt, prekären Beschäftigungssituationen sowie Wohnungs- und Arbeitslosigkeit betroffen. Das ist relevant, weil durch die Ablehnung des Selbstbestimmungsgesetzes auch die Verankerung der Gesundheitsleistungen der betroffenen Gruppen im Sozialgesetzbuch abgelehnt wurde. Dieser Unterschied wäre nicht unerheblich gewesen: 1500 bis 2000 Euro kostet die Begutachtung, dazu kommt noch die bereits erwähnte Missachtung der Privatsphäre im Prozess; und alles für eine Gesundheitsleistung, die unserer Ansicht nach selbstverständlich sein sollte!
Dass eine trans* Abgeordnete im US-amerikanischen Congress sitzt oder eine Transfrau zuletzt Germanys next Topmodel gewonnen hat, mag für manche so wirken, als hätten wir transphobe Diskriminierung in unserer Gesellschaft überwunden. Aber die Ablehnung des Selbstbestimmungsgesetzes zeigt das Gegenteil. Selbstbestimmung und der Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung muss weiterhin erstritten werden. Da Transphobie ein systemisches Problem ist, kann es auch nur auf systemischer Ebene gelöst werden.
Wer in 2 oder 3 Jobs arbeitet oder gleichzeitig noch studiert, kann sich nicht notwendigerweise die Zeit für aufwändige Begutachtungen freischaufeln. Wer von Mindestlohn, Hartz IV oder Bafög lebt, kann sich die bis zu 2000 Euro, die diese Begutachtung kostet, nicht mal eben leisten. Die Forderung nach Rechten für genderqueere Menschen ist keine Nebensache und auch kein akademischer Unsinn; sie ist für viele Tausend Menschen in Deutschland Realität, Alltag und darüber hinaus eben auch eine Klassenfrage.