Donnerstag 06.05.21, 10:05 Uhr
Radwegideen der Stadtverwaltung

Ein Kreuz in der Fahrradhölle 2


Die Stadtverwaltung hat eine Pressemitteilung veröffentlicht unter dem Titel „Neues Verkehrskonzept fördert den Radverkehr in der Innenstadt“. Stadtbaurat Bradtke erklärt darin, das Ziel sei, „mehr Aufenthaltsqualität und umweltfreundliche Mobilität bei gleichzeitig guter Erreichbarkeit in der Innenstadt zu ermöglichen.“ Er meint damit, dass den quengelnden Ökos ein paar Zugeständnisse gemacht werden müssen, aber die Innenstadt unverändert autofreundlich bleiben soll. Besonders deutlich wird das an der Feststellung in der Präsentation des Konzeptes (Folie 10): „Radverkehrsführung auf dem gesamten Ring ist derzeit nicht notwendig.“

Ein menschenfreundliches Verkehrskonzept fragt immer zuerst, wie können sich im innerstädtischen Verkehrsraum Fußgänger*innen sicher bewegen. Als zweites muss geklärt werden, wie Radfahrende sicher diesen Verkehrsweg nutzen. Als letztes muss überprüft werden, wie ein so gefährliches Verkehrsmittel, wie es das Autos nun mal ist, sich in diesem Bereich bewegen darf. Darf schneller als Temo 30 gefahren werden? Gibt es evtl. Platz für mehrere Autofahrspuren?

Ein solches zukunftsorientiertes Konzept ist für die Verantwortlichen in Bochum in Politik und Verwaltung noch unvorstellbar. Manchmal gelingt es, sie mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass der vorhandene Verkehrsraum unter den Beteiligten „gerecht“ verteilt werden soll; dass also der Autoverkehr nicht den Platz bekommt, der übrigbleibt, nachdem die Sicherheit von Fußgänger*innen und Radfahrenden garantiert ist, sondern dass die Sicherheit von Fußgänger*innen und Radfahrenden bewusst eingeschränkt wird, damit der Autoverkehr reibungsloser läuft. Das ist dann ein Kompromiss zwischen den drei Verkehrsformen.

Verwaltung und Politik in Bochum sind aber auch zu diesem Kompromiss noch nicht bereit. Ihre Verkehrsplanung orientiert sich daran, zunächst den Raum für einen reibungslosen Autoverkehr zu garantieren, um dann zu schauen, wie der dann übriggebliebene Verkehrsraum für Fuß- und Radverkehr verteilt wird. Damit die Brutalität dieser Verkehrsplanung nicht augenfällig wird, versprechen Politik und Verwaltung ein paar Zugeständnisse in Verkehrsbereichen, die für den Verkehrsfluss nicht notwendig sind und für Autofahrer*innen bisher vor allem zum bequemen Halten oder Parken genutzt werden.

Amt für Stadtplanung und Wohnen der Stadt Bochum

Anerkennenswert an der vorgestellten Planung ist, dass zum ersten Mal überlegt wurde, wie eine Radverkehrsführung innerhalb des Ringes aussehen könnte, wenn es weiterhin keine Radwege auf dem Ring geben soll. Ein „Fahrradkreuz“ wurde vorgestellt. Als Mittelpunkt wird die Kreuzung am Rathaus dargestellt. Die Hans Böckler Str. und die Viktoriastr. können Herner Str. (Nord) und Dorstener Str. (Nord-West) mit der Königsallee (Süd) verbinden. Bongardstr. und Willy Brandt Platz wären das Verbindungsstück zwischen Alleestr. (West) sowohl zur Castroperstr. über die Große Beckstr. als auch zur Wittener Str. über Bongardstr. Wichtig in dem Konzept ist noch die Brückstr.. Sie mündet in die Große Beckstr. und verbindet die Herner und Dorstener mit der Wittener Straße.

Bis auf die Universitätstraße könnten so alle Radialen (Hauptaus- und -einfahrtsstraßen) mit der Innenstadt verbunden werden, wenn denn tatsächlich entsprechende sichere Radfahrmöglichkeiten geschaffen würden. Für die Einbindung der Universitätsstraße blieb den Planer*innen nichts übrig als einzuräumen, dass dies nur über den Südring laufen kann.

Damit wäre immerhin ein erstes Stück der Radwege, die es bis in die 60 Jahre auf dem Ring gab, für den Radverkehr zurück erobert.

Die Erfahrung der letzten 20 Jahre rot-grüner Politik in Bochum lässt zweifeln, ob selbst die sehr bescheidenen sinnvollen Vorschläge in dem vorgestellten Verkehrskonzept ernsthaft umgesetzt werden sollen. Da Politik und Verwaltung an keiner Stelle zu erkennen geben, dass sich kurzfristig etwas Relevantes in der Fahrradhölle Bochum verbessern soll, ist das Konzept eine gelungene Einladung zum Radentscheid, mit dem eine andere Verkehrspolitik erzwungen werden soll.

Die Presseerklärung der Stadt mit dem Link zur Powerpointpräsentation des Radverkehrkonzeptes.


2 Gedanken zu “Ein Kreuz in der Fahrradhölle

  • El Critico

    Für das Fahrradkreuz sind für eine sichere Radverkehrsführung weitere Maßnahmen erforderlich: im Hier und Jetzt herrscht an einigen dieser Straßen tägliche Unfallgefahr durch fehlenden Sicherheitsabstand zum ruhenden Verkehr, sprich den rechten Parkstreifen. Das bedeutet kein sicheres und komfortables Radfahren, sondern die ständige Angst und Unsicherheit, mit einer unvorsichtig geöffneten Autotür zusammenzuprallen – das sogenannte Dooring. Das gibt es auf der Brückstraße, der Großen Beckstraße Richtung Castroper/Nordring und auch auf der Brückstraße/Dorstener Straße Richtung Ring. Dazu parken immer wieder PKW deutlich mit auf dem Radweg oder halten dort. Nur wenn diese Probleme mitgedacht werden, kann diese Planung ernst gemeint sein.
    Auch das Ende des Boulevards/Massenbergstraße ist teilweise nicht einladend zum Radfahren, wenn an der Kreuzung Südring/Wittener Straße auch mal für mehrere Minuten zwei Busse mit laufendem Motor hintereinander stehen und ein Vorbeikommen eigentlich nicht sicher möglich ist. Die Stadtgestalter haben dazu eine gute Anregung: https://die-stadtgestalter.de/2020/11/08/umgestaltung-des-zugangs-zum-bongard-boulevard/

  • Peter Heusner

    Ach damals, es war 1985, oder wwr es 1986?, Straßenfest auf der besetzten Kieferstraße in Düsseldorf, wir aus dem Heusnerviertel fuhren hin und hatten zwischen den ganzen Besetzer*innen, Autonomen, Feminsti*innen, Punks und Dropouts unsren Spaß, hockten vor den Bands auf der Straße und lauschten tollen Krach. da kamen zwei, drei vermummte Typen mit Presslufthämmerrn. rissen den Asphalt auf und, nachdem Teer und Steine weggeschafft waren, kam Erde in die großen Löcher und Bäume wurden gepflanzt …
    Ach ja damals, als Brot noch mit ö geschrieben wurde…
    https://www.facebook.com/Heusnerviertel-101061588733013/

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