Sonntag 13.12.20, 14:30 Uhr

In NRW lohnt sich Verfassungsbruch: Wird Andreas Heusch nun OVG-Präsident?


Ricarda Brandts, die Präsidentin des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) Münster  tritt Ende Mai in den Ruhestand. Viele in Justiz und Politik in NRW erwarten, dass der Präsident des Verwaltungsgerichts Düsseldorf Andreas Heusch sich als ihr Nachfolger bewerben wird. Seine Wahl “wäre ein Trauerspiel für die Justiz des Landes”, erklärt der ehemalige Richter am Bochumer Amtsgericht Dr. Ralf Feldmann. Denn vor gut 10 Jahren brachte Heusch im offenen Affront gegen den Kruzifixbeschluss des Bundesverfassungsgerichts von 1995 im Treppenhaus des Düsseldorfer Gerichts ein Kreuz an. Es sei, teilte Heusch mit, “aus Überresten des Grenzzaunes gefertigt, der über Jahrzehnte West- und Ostdeutschland getrennt“ habe. (Foto) Dieser öffentlich inszenierte Verfassungsbruch war kein Karrierehindernis: Inzwischen ist er auch Vizepräsident des Landesverfassungsgerichts.
Ralf Feldmann berichtet über Heusch: Er hat seit den jungen Jahren seiner richterlichen Laufbahn einen Schwerpunkt im Verfassungsrecht. Am Bundesverfassungsgericht war er drei Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter, später als Richter am OVG Münster mit gleichen Aufgaben zum Landesverfassungsgerichtshof abgeordnet.
2010 zu Beginn seiner Amtszeit in Düsseldorf stellte er sich bewusst gegen das Bundesverfassungsgericht. Am Tag der Deutschen Einheit brachte der gläubige Katholik im Haupttreppenhaus des Verwaltungsgerichts ein Kreuz an. Das Bundesverfassungsgericht hatte 1995 im „Kruzifixbeschluss“ Kreuze in öffentlichen Räumen für verfassungswidrig erklärt: Dadurch sei die weltanschauliche Neutralität als Staatsprinzip verletzt und in einer pluralistischen, multikulturellen Gesellschaft zugleich das Grundrecht gleicher Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit nicht gläubiger Menschen.
Heusch brach damit zugleich mit einer Tradition der nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichte, in denen vor fast 50 Jahren auf Anordnung des damaligen OVG-Präsidenten Kreuze entfernt wurden. Das Bundesverfassungsgericht hatte schon 1973 entschieden, dass aus Respekt vor der Weltanschauungsfreiheit von Prozessbeteiligten auf deren Antrag in einem Gerichtssaal ohne Kreuz zu verhandeln sei.
Mit seiner Kreuzaktion setzte er sich auch über das Gebot zu politischer Neutralität im Amt hinweg. Allgemeinpolitisch wirbt das Kreuz für die mit ihm verbundenen christlichen Ideologien und Richtigkeitsvorstellungen zur Gestaltung von Staat und Gesellschaft. Ein Amtsträger darf aber nicht Mittel, die ihm von Amts wegen zur Verfügung stehen, zur politischen Meinungsäußerung einsetzen. Auch das ist Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. So war es Heusch, der dem Oberbürgermeister von Düsseldorf – höchstrichterlich bestätigt – vorwarf, mit der Aktion „Lichter aus“ gegen Dügida Amtsressourcen im politischen Meinungskampf zu missbrauchen. Dasselbe praktiziert er mit dem Kreuz in „seinem“ Gericht.
Der öffentlich inszenierte Verfassungsbruch war kein Hindernis für seine weitere Karriere. Die nun rotgrüne Landesregierung nahm ihn widerspruchslos hin. Justizminister Kutschaty lehnte es nach einem Protest der Neuen Richtervereinigung ab, dagegen vorzugehen. 2014 wählte der Landtag Heusch zum Richter am Landesverfassungsgericht, seit 2019 ist er dessen Vizepräsident. Seine Karriere verdankt er der CDU. 2006 wechselte er nach dem Wechsel zur CDU/FDP-Koalition vom Oberverwaltungsgericht in das Landesjustizministerium, leitete dort das für die Personalangelegenheiten der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit zuständige Referat und war Justitiar des Ministeriums. Von diesem Karrieresprungbrett kehrte er als Präsident des Verwaltungsgerichts Düsseldorf in die Justiz zurück. Einem schnellen Aufstieg zum OVG-Präsidenten standen 2013 neue Mehrheitsverhältnisse entgegen: SPD und Grüne entschieden sich damals für Ricarda Brandts.
In einer Streitschrift „10 Jahre Verfassungsbruch im Verwaltungsgericht Düsseldorf: Wie lange noch?“ wendet sich jetzt Ralf Feldmann gegen einen möglichen OVG-Präsidenten Heusch. Der widersetze sich, so Feldmann, in einer verfassungspolitisch bedeutenden Frage beharrlich der Letztentscheidungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts, missachte so die grundlegende Kompetenzordnung rechtsstaatlicher Konfliktlösung. „Verfassungsgehorsam ist eine Grundbedingung für jedes Richteramt, umso mehr für den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts. Dr. Heusch bietet dafür nicht immer Gewähr“. Die Bedeutung, die er im Amt seinem religiösen Bekenntnis gebe, erwecke Zweifel, ob er in der Lage sei, bei konkreten, insbesondere personellen Entscheidungen ohne Ansehen der Weltanschauung von Betroffenen zu entscheiden.
Die Streitschrift ist einem „Appell zur Förderung der weltanschaulichen Neutralität der Justiz in Nordrhein-Westfalen“ beigefügt, der die Verantwortlichen in Politik und Justiz dazu aufruft, im Erscheinungsbild der Gerichte alle Zeichen weltanschaulich/religiöser Identifikation zu beseitigen. An Ministerpräsident Laschet richtet der Appell die Frage, ob er 25 Jahre nach dem Kruzifixbeschluss getreu seinem Amtseid, Verfassung und Recht zu wahren, weltanschauliche Neutralität des Staates in allen Gerichten des Landes durchsetzen wolle „oder ob für Sie, wie für Ihren bayerischen Amtskollegen, Religion über dem Grundgesetz steht“. Justizminister Biesenbach wird für seine Inkonsequenz kritisiert, dass er mit einem Gesetz zur Förderung religiöser und weltanschaulicher Neutralität nur persönliche religiöse Symbole von Justizangehörigen wie das Kopftuch verbieten wolle, zu Kreuzen im Gericht aber schweige. „Wer sich am Grundgesetz orientiert, darf vom Kreuz nicht schweigen, wenn er das Kopftuch verbieten will“.
Der Appell ruft Richter*innen zusammen mit allen Justizangehörigen dazu auf, nicht auf Politik und Regierung zu warten, sondern in einem breiten Kommunikationsprozess von unten strikte weltanschauliche Neutralität der Justiz in ihrem Erscheinungsbild nach außen einzufordern und zu verwirklichen.