Am Donnerstag, 27. August 2020, wird in der letzten Ratssitzung vor der Kommunalwahl erneut über das städtische Mobilitätspaket zur Wiederbelebung von Handel und Gastronomie diskutiert. Das Radwende Bündnis erklärt dazu: »Das „Umsonstparken“ soll verlängert werden. Immerhin gibt es auch Ideen, um mehr Radfahrer*innen und ÖPNV-Nutzer*innen in die Stadt zu locken. Radwende hatte vor zwei Wochen bereits eine eigene Anregung zum Thema eingebracht. Unter dem Namen #wodaswirnochzählt sollte eine städtische Marketingkampagne besonders Gastronomie und Einzelhandel in der Innenstadt stärken. Mit Blick auf den Probleme des Einzelhandels in der Coronakrise hatte Oberbürgermeister Eiskirch zusammen mit der CDU versucht, die Erreichbarkeit der Innenstadt zu verbessern. Das Bündnis Radwende Bochum, das sich für eine Verkehrswende einsetzt, hatte daran kritisiert, dass trotz des Klimanotstandsbeschlusses vor über einem Jahr und im Gegensatz zu vielen anderen Städten nicht der Radverkehr und ÖPNV sondern prioritär der Autoverkehr in den Blick genommen wurde.
Dabei ist der Verkehr laut dem Bochumer Klimaschutzkonzept 2030 seit Jahrzehnten der größte CO2-Verursacher in Bochum und der einzige Bereich, dessen Emissionen nicht sinken. „So wird das nichts mit der Bochumer Verantwortung für den Klimaschutz“, stellt die Radwende fest. „Die Pariser Klimaschutzziele lassen sich in der Stadt ohne deutliche Reduktion der Verkehrsemissionen nicht erreichen. Erfolgreicher wäre dagegen eine Förderung von ÖPNV und Radmobilität.“ Eine Kampagne #hierwodaswirnochzählt zeigt inzwischen entsprechende Alternativen zur Förderung des WiR in Bochum auf.
Und obwohl die Stadt das „Umsonstparken“ ab Mitte Mai in den städtischen Parkhäusern bei einem Einkaufsnachweis über zehn Euro einführte und ab Juli dafür noch die Gebühren für die erste Stunde übernahm, war die Aktion offenbar bisher kein Erfolg. So ist wohl erst ein geringer Teil des dafür vorgesehenen Budgets genutzt worden. Das geht aus Informationen der Initiative Bochumer City (iBO) hervor, die der Radwende vorliegen.
Stattdessen wird nun diskutiert (siehe Tagesordnungspunkte 2.5 bis 2.10 der Ratssitzung), die Aktion trotzdem fortzusetzen – Geld scheint noch genug vorhanden. Das fordern zumindest die CDU-Fraktion und die SPD im Rat in ihren Anträgen. Während die CDU ÖPNV und Radmobilität komplett ignoriert, setzt die SPD, die im Wahlkampf immerhin die gleichberechtigte Behandlung verschiedener Verkehrsformen verspricht, ihre langjährige Bevorzugung des Autoverkehrs fort. Für den Radverkehr gibt es im Antrag lediglich die Bitte an die Verwaltung einige Maßnahmen wie mehr Radstellplätzen zu prüfen. Dabei sollen sich die SPD-Kandidat*innen laut Wahlwerbung angeblich dafür einsetzen, „dass Klima- und Umweltschutz heute für morgen gemacht wird – und dass weniger Stress auf Wegen und Straßen herrscht und alle mit Bus und Bahn mitkommen.“
Begrüßenswert empfinden wir jedoch drei andere Anträge. Die Stadtgestalter regen für Schienenüberquerungen von Radfahrer*innen, bei denen es immer wieder zu schweren Unfällen kommt, ein neues sturzsicheres Schienensystem an. Und Linksfraktion und Grüne haben in zwei recht ähnlichen Anträgen unsere Forderungen nach Förderung von ÖPNV und Radmobilität aufgenommen: Bus und Bahn sollen an allen Samstagen bis zum Jahresende kostenlos zu nutzen sein. Zusätzliche Fahrradstellplätze sollen kommen und temporäre Radspuren (PopUpRadwege) für schnellen und sicheren Radverkehr eingerichtet werden.
Für die Rad- und Verkehrswende würden wir es natürlich sehr begrüßen, wenn sich am Donnerstag eine Ratsmehrheit für diese Forderungen findet. Schließlich fände sich dafür auch eine offensichtliche Mehrheit der Wähler*innen. Denn bei der Bürgerkonferenz 2019 Mobilität kam für Stadt und Verwaltung heraus, dass „die Bürgerinnen und Bürger durchaus bereit wären, andere Verkehrsmittel zu nutzen – wenn das Alternativ-Angebot gut genug und leicht verfügbar ist: Während 62 Prozent „heute“ mit dem Privat-Pkw unterwegs sind und nur 38 Prozent die Alternativen dazu nutzen, könnten sich 87 Prozent vorstellen, „morgen“ umzusteigen auf einen Mix aus Rad, Bus und Bahn oder „Schusters Rappen“ und nur noch selten ihr Auto zu bewegen.“ (https://www.bochum.de/Ergebnisse-der-Buergerkonferenz-2019)
Und dann gibt es noch die Einsicht aus dem offiziellen Leitbild Mobilität zum sozialen und wirtschaftlichen Potenzial von Radfahrer- und Fußgänger*innen. Dort heißt es: „Voraussetzung dafür, dass Ziele in der Nähe angenommen werden und sich damit auch wirtschaftlich für den Standort Bochum lohnen, ist eine Förderung des Fuß- und Radverkehrs. Nur dort, wo Fußgänger*innen und Radfahrer*innen sich sicher fühlen, wird das Auto nicht mehr zwangsläufig die häufigste Verkehrsmittelwahl darstellen. Zudem ist es Ausdruck einer lebenswerten Stadt, wenn Fußgänger*innen und Radfahrer*innen das Straßenbild prägen.“ (https://www.bochum.de/C125830C0042AB74/vwContentByKey/W2BEBFAR715BOCMDE/$File/Leitbild_Mobilitaet.pdf)
So ist eben Bochum, #hierwodaswirnochzählt. Am 29. August laden wir deshalb zur großen Raddemonstration ab 14 Uhr am Rathaus ein. Unter dem „Bochum steigt aufs Rad“ wollen wir in den schönsten Verkleidungen für eine umweltfreundliche Verkehrswende werben. Ab 16:30 Uhr geht es in einer anschließenden Podiumsdiskussion um „Radentscheide“.«