Freitag 24.07.20, 15:50 Uhr

Internationalen Tag der Seenotrettung


Anlässlich des internationalen Tages der Seenotrettung, am 26.07.2020, erklärt Knut Rauchfuss für den Vorstand der Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum: »Die Seenotrettung ist nach dem Völkerrecht sowie nach dem jeweiligen nationalen Recht der europäischen Küstenstaaten verpflichtend. Sie entspricht zudem dem Menschenrecht auf Leben, welches in verschiedenen nationalen und internationalen Rechtswerken und Verträgen festgeschrieben ist. Der Schutz des menschlichen Lebens, einschließlich der Verpflichtung zur lebensrettenden Nothilfe, gilt zudem kulturübergreifend als hohes ethisches und moralisches Gut.

Dass im Jahr 2020 dennoch für diese fundamentalen Rechte gekämpft werden muss, weil ausgerechnet die europäischen Staaten und ihre politischen Akteure sich an die rechtlichen und moralischen Verpflichtungen nicht mehr gebunden fühlen, wäre noch vor wenigen Jahren unvorstellbar gewesen.

In Europa verdrängen Rassismus und Nationalismus das Recht auf Leben zunehmend auf einen der hinteren Plätze des Wertesystems. Insbesondere Italien, Griechenland und Malta kommen ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht mehr nach, ebenso wenig die Friedensnobelpreisträgerin EU selbst, die sich so gerne als Hüterin der Menschenrechte inszeniert. Flüchtlingsboote in Seenot werden bestenfalls ignoriert, nicht selten aber auch rechtswidrig zurückgeschickt z. B. nach Libyen, wo Flüchtlinge systematisch gefoltert und versklavt werden. Staatliche und überstaatliche Rettungsmissionen sind lange schon eingestellt und schlimmer noch: Private Rettungsaktionen werden systematisch kriminalisiert und an ihrer Arbeit gehindert. Das Anlaufen sicherer Häfen wird ihnen verweigert und ihre Schiffe wieder und wieder beschlagnahmt. Auch die deutsche Bundesregierung trägt Verantwortung für diese menschenverachtende Politik, vom unwürdigen Feilschen um die Aufnahme der Geretteten, über die Kooperation mit diktatorischen Regimen zur Abwehr von Flüchtlingen, bis hin zur Änderung der Rechtsgrundlagen, nach denen private Boote nur noch zu „Sport- und Erholungszwecken“ eingesetzt werden dürfen und nicht mehr zur Rettung von Menschen.

Wer so agiert macht sich schuldig:

  • Schuldig daran, dass das Mittelmeer heute die tödlichste Grenze der Welt darstellt,

  • schuldig an der Unterlassung von Hilfeleistung,

  • schuldig an der Auslieferung von Menschen in die Hände von Folterregimen,

  • schuldig an der Zerstörung des Völkerrechtes,

  • und schuldig an einer Verrohung menschlicher Werte, die das Recht auf Leben und Sicherheit einer von rassistischen Reflexen getriebenen Flüchtlingsabwehr opfert.

Europa muss zum sicheren Hafen für Menschen werden, die vor Verfolgung oder vor der systematischen Zerstörung ihrer ökologischen oder ökonomischen Überlebensgrundlagen fliehen:

  • Legale Einreisemöglichkeiten müssen den lebensgefährlichen Seeweg überflüssig machen

  • Ein solidarischer europäischer Verteilmechanismus muss die nationalistische Engstirnigkeit ersetzen.

  • Kein Mensch in Not darf zurückgelassen werden

Diese Ziele können wir auch in der Kommune unterstützen. Aus dem Beschluss des Stadtrats, Bochum zum sicheren Hafen für geflüchtete Menschen zu erklären, muss gelebte Praxis werden. Hierzu gehören:

  • die Entfaltung von entsprechendem Druck auf die Bundes- und Landesregierung zur Aufnahme von Flüchtlingen

  • die aktive Förderung der Seenotrettung

  • die europäische Vernetzung Bochums in einem Bündnis sicherer Häfen

  • die Flüchtlingsaufnahme über bestehende Quoten hinaus

  • und die Verbesserung der kommunalen Aufnahmebedingungen für Geflüchtete