Montag 04.05.20, 10:46 Uhr

Braucht Bochum ein neues 100 Millionen Prestige-Projekt? 1


Die Soziale List schreibt: »Der Rat der Stadt Bochum hat am 30. April 2020 mit großer Mehrheit ein weiteres teures Großprojekt auf den Weg gebracht. Mit einem finanziellen Aufwand von fast 100 Millionen Euro soll das „Haus des Wissens mit Markthalle“ im ehemaligen Gebäude der Post und Telekom gegenüber vom Rathaus entstehen. Der Ratssitzung lag das Ergebnis eines Wettbewerbs vor, an dem sich 15 Architekturbüros beteiligt hatten. Mit den ersten 3 Siegern will die Stadt nun über die Realisierung verhandeln. Außerdem wurde zum Betriebskonzept für die Markthalle im Haus des Wissens ein Beschluss gefasst.

Für die Soziale Liste begründete Ratsmitglied Günter Gleising in der Debatte die Ablehnung der Pläne: „Aus meiner Sicht ist das Verhältnis der Realisierung der Entwürfe der Preisträger zum technischen, wirtschaftlichen und finanziellen Machbaren nicht geklärt. Im Klartext: horrende 90 Mio. € sollen 2020 bis 2014 im städtischen Haushalt für das „Haus des Wissens mit Markthalle“ bereitgestellt werden. Aber ob dieser Rahmen ausreichen wird, um die anspruchsvollen Pläne zu realisieren, ist mehr als ungewiss. Auch fehlen Angaben zu Betriebskosten ganz, Zusagen für Fördermittel liegen ebenso nicht vor.

Insgesamt stellt die aktuelle Gesamtsituation (Corona-Pandemie) große Herausforderungen, auch finanzielle, an die Stadt. Noch ist unsicher, wie und wann wir aus der Pandemie-Krise herauskommen. Auch vor diesem Hintergrund sind die Risiken derzeit für das Projekt einfach zu groß. Alles in allem plädiere ich für ein Moratorium!“

Zur Beschlussvorlage zum Betriebskonzept für die Markthalle im Haus des Wissens erklärte Günter Gleising: „Grundsätzlich stellt sich die Frage, hat die Stadt Bochum überhaupt das Potential für eine solche Markthalle? Die Markthallen von Kopenhagen und Amsterdam werden ja immer als Beispiele genannt. Aber mit Verlaub, sind das die Städte, mit denen Bochum sich vergleichen kann. Die Kaufkraft in unserer Stadt liegt deutlich unter dem Durchschnitt in NRW. Auch die nationale Bedeutung und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist wesentlich geringer als die von Kopenhagen oder Amsterdam.

Das von der Bochumer Wirtschaftsentwicklung vorgestellte Betriebskonzept für die Markthalle enthält viel Lyrik aber wenig Greifbares, Realistisches.

Zentraler Punkt: Die Markthalle soll ein „Alleinstellungsmerkmal im kommunalen Standort-Wettbewerb des Ruhrgebiets“ werden. Neben Touristen sollen über 1 Million Besucher in einem „20-Minuten PKW-Radius“ gewonnen werden.

In der Sitzung des Strukturausschusses ist zudem deutlich geworden, dass die Markthalle auf viele Jahre ein städtischer Zuschuss-Betrieb sein wird. Ich frage: Kann sich Bochum nach dem Ruhr-Kongress, der Jahrhunderthalle und dem Konzerthaus erneut einen solch hohen Zuschussbetrieb leisten?

Die Markthalle soll ein Paradigmenwechsel einleiten. Ich sehe folgenden Wechsel:

Ich entsinne mich an viele Diskussionen in den letzten Jahren als es um die Wochenmärkte ging und um die Frage der Kostendeckung. Viele Jahre haben wir im Rat über die Erhöhung der Gebühren für die Markthändler debattiert, immer gegen die Stimmen von Links, wurde deren Erhöhung beschlossen. Und nun spielt das alles keine Rolle mehr. 1 € Miete pro Stand in den ersten 2 Jahren sind als Lockangebote geplant. Und – Natürlich wird vorgeschlagen den bisherigen Innenstadt Wochenmarkt zu schließen.“

Die Soziale Liste stimmte gegen beide Beschlussvorlagen zum Projekt Haus des Wissens mit Markthalle. In der Ratssitzung wurde ein aus Sicht der Sozialen Liste problematischer Umgang mit dem Thema Bürgerbeteiligung deutlich. Allein die Teilnahme von 220 Menschen an der Präsentation der Entwürfe zum Haus des Wissens am 5. Dezember 2019 wurde schon als ein Bürgerdialog dargestellt. Natürlich blieben kritische Stimmen, wie die vom Netzwerk »Stadt für Alle« unerwähnt. Diese Initiative hatte gefordert, die Beschlussvorlage zur Vergabe der Architekten-Planung für das Haus des Wissens mit Markthalle von der Tagesordnung der Ratssitzung zu streichen und formuliert: „Sie entbehrt angesichts des weltweiten Ausnahmezustands jeder Dringlichkeit. Während alle vitalen Grundrechte eingeschränkt oder ganz ausgesetzt sind, ist zur Wahrung des gesellschaftlichen Anstands und der Möglichkeit der Bürgerbeteiligung bei wichtigen Entscheidungen mindestens ein Innehalten geboten.“«


Ein Gedanke zu “Braucht Bochum ein neues 100 Millionen Prestige-Projekt?

  • Peter

    Wow, man hat keine Ahnung wie die Folgen der Pandemie im sozialen, kulturellen und ökonomischen Sektor ausfallen werden. Wer und wie viele Menschen in ihrer Erwerbsbiographie getroffen werden und an den äußeren Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Aber die Damen und Herren im Rat denken über das Prestige der Stadt nach und darüber, dass die Bochumer Innenstadt Tourist*innen gefallen soll.
    Man merkt, dass sich in dieser Stadt auch so gar nichts seit dem Kriegsende geändert hat. Das Sagen haben hier die Baukonzerne und ihre Helfer*innen im Rat.

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