Dienstag 28.01.20, 21:59 Uhr

Keine echte Bürgerbeteiligung ohne frühzeitigen und kontinuierlichen Dialog auf Augenhöhe


Für das Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung erklärt Nadja Zein-Draeger zu mehreren Bauvorhaben, die auf der Tagesordnung für die erste Sitzung des Rates der Stadt Bochum in 2020 stehen: »Auf der Tagesordnung der Sitzung des Rates der Stadt Bochum am 30.01.2020 finden sich Bauvorhaben, zu denen Bürgerbeteiligungen erfolgt sind oder noch durchgeführt werden sollen, die sich nach Art und Umfang jeweils erheblich voneinander unterscheiden. Sämtliche Bauvorhaben sind Bestandteile des Wohnbauflächenprogramms, welches durch den Rat im Sept. 2018 beschlossen (siehe Vorlage Nr. 20181415) und mittlerweile aktualisiert (siehe Vorlage Nr. 20191481) wurde. Die Verwaltung hat die betroffene Bevölkerung vorab nicht über die Vorhaben informiert.

Im Verfahren zum Bebauungsplan Nr. 958 – Querenburger Straße (Vorlage Ratssitzung 30.01.2020 – Nr. 20193763) ist bereits bei der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung im Juni /Juli 2017 in der Bürgerversammlung sowie durch anschließende schriftliche Stellungnahmen mehrfach eine zweite Bürgerversammlung gefordert worden. Diese Forderung ist dann anlässlich der öffentlichen Auslegung Juni /Juli 2019 wiederholt worden.

Eine zweite Bürgerbeteiligung ist aber jeweils mit Verweis auf die Einhaltung der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung abgelehnt worden.

Dabei verbietet das Baugesetzbuch keineswegs eine Beteiligung, die über die gesetzlich vorgeschriebene hinausgeht!

So hat der zuständige Bezirksbürgermeister in der Bürgerversammlung zum Bebauungsplan Nr. 862 – Neubebauung Markstraße/Stiepelerstraße im Mai 2019 eine zweite Bürgerversammlung nach Eingang der einzuholenden Gutachten zugesagt.

Für einen Dialog auf Augenhöhe, in dem sich die Betroffenen vor Ort ernst genommen fühlen können, reicht aber allein eine zweite Bürgerversammlung nicht. Ein solcher Dialog müsste bereits zu einem Zeitpunkt ansetzen, in dem noch kein Plankonzept erstellt ist.

Für eine Bebauung in Hiltrop/Gerthe soll nun das Rahmenplanverfahren Gerthe-West vorgeschaltet werden. Die Verwaltung soll bereits im Vorfeld zum Bebauungsplan- verfahren mit der Bevölkerung vor Ort in Dialog treten. Nach der Verwaltungsvorlage (Nr. 20193889) für die Ratssitzung am 30.01.2020 hat das Moderationsbüro plan-lokal bereits einen ausführlichen Planungsprozess ausgearbeitet, der u.a. aufzeigt, wie die Öffentlichkeit bis zum Abschluss der Rahmenplanung beteiligt werden soll.

Aber auch hier tritt die Verwaltung zu spät mit der Bevölkerung in einen Dialog!

Nachdem das Wohnbauflächenprogramms 2018 bekannt geworden war, hat sich in Teilen der Gerther Bevölkerung sofort erheblicher Widerstand gegen eine Bebauung formiert. Dieser hat sich noch verstärkt, als erkennbar wurde, dass auch die beabsichtigte Rahmenplanung keinen Dialog auf Augenhöhe vorsehen sollte. Nachdem das Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung mit einer Eingabe gemäß § 24 GO mehr Bürgerbeteiligung gefordert hat, will die Verwaltung den Gerther Initiativen nun einen festen Platz in dem als Kernstück des Planungsprozesses vorgesehenen Begleit- und Empfehlungsgremium einräumen. Dadurch allein ist aber noch kein kontinuierlicher Dialog auf Augenhöhe garantiert!

Vorgesehen sind zwar eine Online-Befragung zum Auftakt sowie 2 Planungswerkstätten und eine Abschlussveranstaltung jeweils mit Öffentlichkeitsbeteiligung – und damit weit mehr als gesetzlich vorgesehen. Ergebnisse der Gutachten sollen aber erst am Tag der 1. Werkstatt, Zwischenentwürfe der Planungsteams erst am Tag der 2. Werkstatt und die Entwürfe selbst erst am Tag der Abschlusspräsentation der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Unmittelbar im Anschluss an die Vorstellung soll dann jeweils die Möglichkeit der spontanen Stellungnahme eingeräumt werden.

Echte Bürgerbeteiligung sieht anders aus!

Ein Dialog auf Augenhöhe, in dem sich die Bürger*innen ernst genommen fühlen können, bedarf der Vorbereitung. Diese setzt nun einmal eine kontinuierliche Vorabinformation über die einschlägigen Unterlagen voraus.

Auch über eine Bebauung der Fläche Hattinger Straße / Hinter der Kiste ist die Öffentlichkeit vor Aufnahme in das Wohnbauflächenprogramm nicht informiert worden.

Erst durch Antworten der Verwaltung (Vorlage Ratssitzung 30.01.2020 – Nr. 20193895) auf Anfragen der Politik wurde bekannt, dass

  • es bereits einen Workshop ohne Bürgerbeteiligung gegeben hat, in dem erste städtebauliche Ideen entwickelt wurden,
  • die Ergebnisse aus dem Workshop bereits im November 2019 im (nicht öffentlich tagenden) Gestaltungsbeirat präsentiert wurden und
  • auf Grundlage der Empfehlungen des Gestaltungsbeirats der Entwurf weiter konkretisiert werden soll.

Die Beteiligung der Öffentlichkeit soll dann nach Vorlage des städtebaulichen Konzepts in den zuständigen politischen Gremien im Rahmen einer frühzeitigen Beteiligung erfolgen.

Ein Dialog mit den Betroffenen soll offensichtlich wieder einmal nur im gesetzlich vorgegebenen Rahmen erfolgen. Aufgrund der Ergebnisse der mit der Verwaltung 2019 geführten Gespräche und angesichts der ersten Erweiterungen der gesetzlich vorgesehenen Öffentlichkeitsbeteiligung in den Verfahren zur Neubebauung Markstraße/Stiepelerstraße und zum Rahmenplan Gerthe-West glaubte sich das Netzwerk da in Bochum bereits einen kleinen ersten Schritt weiter hin zu echter Bürgerbeteiligung.

Baubeginn soll auf der Fläche Hinter der Kiste erst 2023 sein. Es würde also durchaus noch eine Chance für einen – wenn auch verspätet eingeleiteten – Dialog bestehen. Verwaltung und Politik müssten es nur wollen!

Oberbürgermeistere Eiskirch hat in seinem Grußwort zum Jahreswechsel 2019/2020 dazu aufgerufen, gemeinsam mehr Demokratie durch mehr Bürgerbeteiligung zu wagen. Dieser Aufruf muss aber auch umgesetzt werden. Ansonsten werden sich in betroffenen Stadtteilen wohl auch im Kommunalwahljahr 2020 weitere Bürgerinitiativen formieren, die frühzeitigen und kontinuierlichen Dialog auf Augenhöhe fordern.«