Donnerstag 26.12.19, 16:11 Uhr

Bürgerinitiative „Dicke Luft“ zieht Bilanz


In Herne kämpft die sehr rege Bürgerinitiative (BI) „Dicke Luft“ gegen den häufig gesetzwidrigen Betrieb einer Giftmüllverbrennungsanlage an der Stadtgrenze zu Bochum. Die Bl „Dicke Luft“ ist inzwischen zwei Jahre alt und zieht Bilanz: »Das ereignisreiche Jahr 2019 zeigte uns, wie wichtig es war und ist, dass diese Bürgerinitiative gegründet wurde. Mitglieder der Bl stehen weiterhin in ständigem Kontakt mit der Bezirksregierung Arnsberg. Sie fordern Einsicht in Dokumente, zeigen Mängel an und geben Bürgerbeschwerden, die der Bl gemeldet werden, an die zuständigen Fachbereiche weiter. Einige Beispiele: Bei der Durchsicht von Dokumenten, die wir von der Bezirksregierung Arnsberg angefordert hatten, fiel uns auf, dass die FA. SUEZ bei der Eingangskontrolle von angelieferten Abfällen in ihrem Betriebslabor ein Prüfverfahren verwendet, dessen DIN-Norm schon im Jahr 2002 zurückgezogen worden war. Der Grund dafür war der Einsatz eines extrem klimaschädlichen Stoffes in diesem Verfahren. Darüber hinaus gilt dieses Verfahren für die Bestimmung von MKW’s [Mineralölkohlenwasserstoffe] und PAK`s [Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe] schon lange als viel zu ungenau, wurde im Betriebslabor von SUEZ mit Billigung der Bezirksregierung noch 17 Jahre lang munter weiter eingesetzt.
Nun wurde es der Fa. SUEZ endlich untersagt, die Kontrolle von Grenzwerten im eigenen Betriebslabor mit diesem Verfahren durchzuführen. Alle Proben müssen nun von einem Fremdlabor bearbeitet werden. -Wir stellten außerdem eine mangelhafte Führung der Probenahmeprotokolle fest, bis hin zu nachweislichen Manipulationen einiger Angaben. Sogar in der offiziellen Notifizierung (Beschreibung der Art und Zusammensetzung des Abfalls, erstellt durch den Versender) befanden sich Fehler, die keiner verantwortlichen Person aufgefallen sind. So wurde übelriechender Abfall angenommen, obwohl er laut Notifizierung als geruchlos eingestuft worden war. – Ein Bl-Mitglied entdeckte eine offene Stelle in der Umzäunung des Betriebsgeländes, welche bei einer kurz vorher durchgeführten Überprüfung durch die Bezirksregierung scheinbar nicht gesehen wurde. Diese Zaunlücke wurde erst nach unserer lntervention geschlossen, so dass nun insbesondere spielende Kinder nicht mehr ungehindert auf das sensible Gelände gelangen können. – Als Erfolg werten wir auch, dass die Suez-Anlage, die vom Betreiber gerne als „Thermische Bodenreinigungsanlage“ bezeichnet wurde, inzwischen explizit den Zusatz Abfallbehandlungsanlage tragen muss. All diese Vorkommnisse wurden von der Bezirksregierung zunächst verharmlost, führten aber doch dazu, dass die aktuell gültige Betriebsanweisung zur Kontrolle und Annahme von Abfällen, überarbeitet wird. In vielen Schreiben der Bezirksregierung wird immerwieder auf die einzuhaltenden Grenzwerte hingewiesen, die uns Bürger doch vor gesundheitlichen Gefahren schützen würden. Wenn aber die Überprüfung von Grenzwerten viele Jahre im firmeneigenen Labor mit mehr als zweifelhaften Methoden durchgeführt wurde, klingen die Beteuerungen der Bezirksregierung fast wie blanker Hohn. Im Laufe des Genehmigungsverfahrens hatte der zuständige Dezernent immer betont, dass er keinerlei Spielräume in der Interpretation der Gesetze hat und somit genehmigen muss. Bei der Überwachung und Überprüfung der Anlage hat er aber scheinbar sehr große Spielräume, wenn man seine Antworten liest. Auch in diesem Sommer war die Geruchsbelästigung, ausgehend von angelieferten Abfällen, wieder enorm. Etliche Male haben wir die Bezirksregierung im Namen von Anwohnern und Betrieben aus dem Gewerbepark über den Gestank informiert. Da sich kaum eine Verbesserung einstellte, haben 22 Betriebe aus dem Hibernia-Gewerbepark einen von der Bl verfassten Beschwerdebrief, gerichtet an unseren Oberbürgermeister und an den Regierungspräsidenten, unterzeichnet. ln seinem Antwortschreiben erklärt der OB, dass er die Bezirksregierung nochmals auf die Dringlichkeit einer Lösung des anstehenden Geruchsproblem gedrängt hat, außerdem erinnert er an den Ratsbeschluss vom 27. November 2018, der ein neues Geruchsgutachten einfordert.

Arnsberg bestätigte zwar Gerüche, verwies aber gleichzeitig darauf, dass die Geruchshäufigkeit im Sinne der geltenden Verordnungen zumutbar sei. Leider verschleppt Arnsberg auch den Termin zur Klage des BUND beim Oberverwaltungsgericht Münster. Es fehlt seit nun mehr als einem Jahr eine Klageerwiderung von der Bezirksregierung. Das Gericht hat nun eine Frist zur Abgabe der Erwiderung zum 17. Dezember gesetzt. Dies heißt aber auch, dass es erst in einigen Monaten zu einer Verhandlung kommen wird. Warum sich die Bezirksregierung so viel Zeit lässt, ist uns unerklärlich. Obwohl die Herner Bürger*innen schon eine enorme Bereitschaft gezeigt haben, die Klage des BUND finanziell zu unterstützen und diese daher auch abgedeckt ist, sind wir auch weiterhin auf Spenden angewiesen, um gegebenenfalls erforderliche Gutachten zu finanzieren. Dafür bedanken wir uns schon im Voraus. Wir werden auch in Zukunft die Vorgänge im Zusammenhang mit der Firma SUEZ genau beobachten und werden weiter darüber informieren. Das Aktuellste zum Schluss: Laut Bezirksregierung hat die Fa. SUEZ den Bau einer Entstickungsanlage beantragt (WAZ 6.12.19). Das hat uns überrascht, denn jahrzehntelang hat Suez behauptet, dass eine Entstickungsanlage für den Betrieb das „Aus“ bedeuten würde. Die Bezirksregierung folgte diesen Argumenten stets und erteilte viele Jahre die Genehmigung mehr Stickoxide zu emittieren als gesetzlich erlaubt. Erst im letzten Genehmigungsbescheid wurde dies zeitlich begrenzt bis 2022. Wir werden bei der Bezirksregierung jetzt weitere technische Informationen anfordern und ein öffentliches Verfahren beantragen. Die Reduktion von Stickoxidemissionen ist grundsätzlich gut, aber die viel gefährlicheren Schadstoffe aus den Sonderabfällen werden durch eine Entstickungsanlage leider nicht verringert.«