Samstag 23.11.19, 18:10 Uhr

Es reicht! Schluss mit der islamistischen Diktatur im Iran!


Im Iran demonstrieren seit mehreren Tagen die Menschen gegen die dortige Diktatur. In Bochum fand heute eine Solidaritätskundgebung vor dem Rathaus statt. Knut Rauchfuss (Redner auf dem Foto) von der Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum beschrieb in seiner Rede eindrücklich den mutigen Protest im Iran: »Vor etwas mehr als einer Woche begannen in zahlreichen Städten im Iran nie dagewesene Massenproteste gegen das islamistische Regime. In mehr als zwei Drittel aller Provinzen, in allen Ecken des Landes, erhoben sich die Menschen gegen die Diktatur, blockierten Straßen und forderten Freiheit – mehrheitlich friedlich.

Anlass war eine drastische Erhöhung der Benzinpreise um 300 %. Doch war dies lediglich der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Wut und Zorn brodeln schon lange im Iran. Orientierten sich vor 10 Jahren die Demonstrationen noch an einem Wahlbetrug, so ist heute wohl kaum noch jemand im Land bereit daran zu glauben, dass Wahlen etwas ändern könnten. Die Menschen auf der Straße machen keinen Unterschied mehr zwischen Hardlinern und vermeintlichen Reformern. Sie wissen: Das System muss weg.
Den meisten von ihnen steht das Wasser bis zum Hals. Schätzungsweise die Hälfte aller Iranerinnen und Iraner lebt heute an der Armutsgrenze. Die Preise im Land aber steigen täglich – auch für Grundnahrungsmittel – und vielfach sind nicht einmal diejenigen, die Arbeit haben, in der Lage von ihren geringen Löhnen das Nötigste zu bezahlen. Auch eine immer besser ausgebildete Jugend findet oft keine Arbeit. Und selbst die Regierung spricht offen von 18 Millionen Haushalten in Not. Bereits zum Jahreswechsel 2017 auf 2018 verschärften sich die Proteste vor dem Hintergrund von Korruption, Privatisierung, sozialer Ungerechtigkeit und weit verbreiteter Armut. Sie wurden damals gewaltsam niedergeschlagen, aber heute kehren sie mit vielfacher Wucht zurück.
Doch so wichtig die Rolle der sozioökonomischen Verhältnisse für die Explosion des Zornes ist: Es geht um mehr. Über vier Jahrzehnte islamistischer Tyrannei hinweg haben weite Teile der Bevölkerung die Vorherrschaft der religiösen Überzeugungstäter und -täterinnen nie wirklich akzeptiert. Sie wehren sich tagtäglich gegen das Wertesystem einer Theokratie, die die Bevölkerung bis weit in den privaten Alltag hinein bevormundet, dirigiert, einschränkt und jeden emanzipatorischen Gedanken brutal unterdrückt. Die Menschen unterlaufen schon lange, beharrlich die gesellschaftlichen Regeln der islamistischen Gesinnungsdiktatur. Ziviler Ungehorsam ist selbstverständlicher Teil des Alltags geworden. Öffentlich wahrnehmbar wird er – auch weit über die Landesgrenzen hinaus – z. B. an den so genannten „weißen Mittwochen“. An Mittwochen ignorieren Frauen gezielt den Kopftuchzwang, stellen die Bilder ins Internet und lassen sich dafür sogar verhaften und aburteilen.
Nicht die Verfolgung von Oppositionellen, nicht Haft und Folter, keine Organisationsverbote, Zensur oder Zwangsmaßnahmen vermochten die Proteste aufzuhalten. Weder die Ermordung von Menschen mit und ohne Gerichtsbeschluss, noch feige Attentate und auch nicht die Massenhinrichtungen von politischen Gefangenen konnten den Widerstand im Iran ersticken. 40 Jahre Unterdrückung führten nur dazu, dass heute weite Teile der Gesellschaft das System nicht mehr für reformierbar halten.
Den Menschen im Iran reicht es. Ihre Geduld ist erschöpft und das Misstrauen in die herrschende Klasse hat einen Höhepunkt erreicht. Heute brennen Plakatwände, auf denen das Bild des obersten religiösen Führers, Ali Khamenei, zu sehen ist. Heute sind auch Statuen des Gründers der islamistischen Diktatur, Ayatollah Khomeini, nicht mehr von den Attacken der Demonstrierenden ausgenommen. Wo früher „Wo ist meine Stimme?“ skandiert wurde, heißt es heute: „Nieder mit Diktator Khamenei!“.
Die Protestierenden lehnen aber nicht nur die Innen-, Wirtschafts- und Sozialpolitik des Regimes ab, sondern auch dessen Außenpolitik. Sie fordern den sofortigen Rückzug aus den Konflikten der Region, aus den Kriegen in Syrien und im Jemen, aber auch die Suspendierung der Unterstützung für die Hamas in Palästina und die Hizbollah im Libanon sowie ein Ende der Einflussnahme im Nachbarland Irak. Sie verbünden sich auf diese Weise mit den aktuellen Revolten im Libanon und im Irak, wo ebenfalls Hunderttausende neben einem gesellschaftlichen Wandel auch den Stopp der iranischen Einmischung verlangen.
Das Regime spürt diesen geballten Druck. Ökonomisch und politisch am Ende, kennt die klerikale Diktatur nur noch eine einzige Antwort: die zügellose Gewalt. Polizei und die verhassten Basidj-Milizen schießen mit scharfer Munition wahllos in die unbewaffnete Menge. Nach nur vier Tagen landesweiter Proteste wurden nach Angaben von amnesty international in 21 iranischen Städten mindestens 106 Demonstrant*innen ermordet. Die Dunkelziffer dürfte noch deutlich höher liegen. Ärztinnen und Ärzte melden überfüllte Notaufnahmen in den Krankenhäusern und das Gesundheitsministerium ordnete an, Behandlungen, die nicht unbedingt erforderlich sind, aufgrund der Überlastungssituation aufzuschieben. Blutspendedienste beklagen, dass die Konserven knapp würden.
Um die Massaker vor der Weltöffentlichkeit geheim zu halten, schnitten die Herrschenden die Bevölkerung bis gestern nahezu vollständig vom Internet ab. Tagelang gelangten nur noch vereinzelt Bild- und Filmdokumente an die Öffentlichkeit. Diese spärlichen Nachrichten aber, decken sich derzeit mit Informationen, die über Telefon eingeholt werden konnten: Im Iran fand in der vergangenen Woche scheinbar der größte Aufstand seit der Revolution vor 40 Jahren statt. Und das Regime beißt um sich, wie ein getretener Hund: mit unvorstellbarer Brutalität. Die Massaker in den Straßen werden begleitet von Massenverhaftungen. Vermeintliche Rädelsführer, sollen unter Folter angeblich gestanden haben, sie seien vom Ausland ferngesteuert. Die üblichen Verdächtigen werden öffentlich vorgeführt und gedemütigt. Und Hassprediger fordern im Freitagsgebet offen ihre Hinrichtung.
Ob die Repression die Demonstrant*innen derzeit einzuschüchtern vermag, wissen wir nicht. Es wird sich in den kommenden Tagen zeigen. Eins aber ist gewiss: Dieser Aufstand ist nicht zu Ende. Die vergangene Woche war erst der Anfang. Der Widerstand geht weiter, solange bis sich die religiösen Eiferer ein für alle Male aus der Politik zurückziehen. Alle! Restlos! Und bis die Mullahs dorthin verschwinden, wohin sie gehören, nämlich auf den Müllhaufen der Geschichte.
Liebe Freundinnen und Freunde, wir stehen heute hier, weil wir diesen Kampf unterstützen.
Weil wir den Mut derer bewundern, die auf den Straßen der iranischen Städte ihren Kopf für eine bessere Zukunft hinhalten.
Weil wir nicht vergeben und nicht vergessen dürfen, was zahllosen freiheitsliebenden Menschen im Iran angetan wurde und nach wie vor angetan wird. Und weil wir die Täter nicht straffrei davonkommen lassen wollen.
Wir senden heute ein Zeichen der Solidarität an diejenigen, die aufbegehren, die sich nicht unterkriegen lassen, die für echte Freiheit und Demokratie kämpfen. Das heißt aber auch, dass wir solidarisch warnen, nicht schon wieder eine Despotie durch die nächste zu ersetzen. Freiheit kommt ganz sicher nicht mit Unterstützung der USA, deren blutbefleckte Marionette die persische Monarchie einst war. Sie kommt nicht von den USA, nicht von deren saudischen Waffenbrüdern und nicht von den Handlangern der Trump-Bande: den iranischen Volksmujaheddin.
Wir stehen hier in Solidarität mit den iranischen Aktivist*innen, mit den emanzipatorischen Strömungen der Zivilbevölkerung, die jeden Tag aufs Neue die Menschenrechte verteidigen.
Wir bekunden hier unsere Solidarität mit den Frauen des Iran, die die Zukunft des Landes sind.
Wir haben uns hier versammelt, um den Anspruch der Menschen auf ein selbstbestimmtes Leben und Glück gegen die Borniertheit der religiösen Eiferer zu verteidigen.
Wir sind hier, weil wir immer dann, wenn irgendwo auf der Welt die Forderung nach Freiheit und Würde zum Schweigen gebracht werden soll, besonders laut schreien.
Wir stehen hier, an der Seite der Revolte, denn diese Revolte verdient unser aller Solidarität … … weil die Solidarität die Zärtlichkeit der Völker ist.«