Sonntag 24.02.19, 13:25 Uhr

Das KZ des Bochumer Vereins


Am vergangen Donnerstag haben im Bochumer Stadtarchiv die AutorInnen das von der VVN-BdA herausgegebene Buch über das Bochumer Außenlager des KZ Buchenwald  vorgestellt. Die Leiterin des Stadtarchivs Ingrid Wölk beschreibt darin die Geschichte des KZ-Lagers auf dem Gelände des Bochumer Vereins. Gegen Kriegsende wurden mehr als 1.000 Gefangene gleichzeitig unter unmenschlichen Bedingungen in der Granaten- und Bombenproduktion eingesetzt. Die Dokumente über die Verbrechen wurden von den Verantwortlichen des Bochumer Vereins vor Kriegsende weitgehend vernichtet, um später erklären zu können, dass sie zum Einsatz der KZ-Gefangenen gezwungen worden seien. Der äußerst brutale Lagerleiter, der eigenhändig Gefangene erschossen hatte, wurde zum Tode verurteilt und im Gegensatz zu vielen anderen Nazi-Verbrechern nicht begnadigt, sondern hingerichtet. Der heute 94-jährige Rolf Abrahamson hat als Überlebender des KZ in Gesprächen mit Ingrid Wölk eine gewisse Vorstellung darüber vermitteln können, wie eigentlich unvorstellbar unmenschlich der KZ-Alltag war.
Der Bochumer Historiker Hubert Schneider berichtete, wie es mit Hilfe von John Chillag, dessen Vater im Bochumer KZ-Lager umgekommen ist, gelungen ist, einigen wenigen der Bochumer KZ-Opfer wieder ihre Individualität zu geben. Die toten KZ-Gefangenen wurden bis kurz vor Kriegsende verbrannt und ihre Asche nicht aufbewahrt. Erst in den letzten Monaten vor der Befreiung, als die Krematorien in Bochum und Essen durch Bomben zerstört waren, fanden 52 Erdbestattungen auf dem jüdischen Friedhof an der Wasserstraße statt. Der Vater von John Chillag gehört zu denjenigen, die dort bestattet sind. Zusammen mit Hubert Schneider hat er recherchiert, wer die anderen Toten auf dem Friedhof waren. In dem vorliegenden Buch werden teilweise erstmals biografische Angaben zu einzelnen der dort Bestatteten veröffentlicht.
Wolfgang Dominik zeigt in einem Kapitel historische Kontinuitäten auf. Die Verbrechen der deutschen Besatzungstruppen an der Zivilbevölkerung im ersten Weltkrieg sind die Vorläufer der Vernichtungsindustrie der Nazis. Die jüdische Bevölkerung sollte sofort ermordet und ursprünglich keine Zwangsarbeit leisten. Erst der Arbeitskräftemangel, wie auch im Bochumer Verein, zwang die Nazis dazu, Juden als Arbeitssklaven einzusetzen.
Günter Gleising fasste schließlich die Bedeutung des Buches zusammen. Hierzu schreibt er im Vorwort: »„Ein Konzentrationslager in Bochum?“, diese ungläubige Frage ist alltäglich, wenn ein Gespräch über den Widerstand und die Verfolgung in Bochum geführt wird. Es scheint vergessen zu sein, dass in Bochum im Sommer 1944 ein Außenlager des KZ-Buchenwald aufgebaut wurde. Im Rahmen der faschistischen Doktrin des „totalen Krieges“ sollte die Rüstungsproduktion des Bochumer Vereins gesteigert werden. Direktoren des Bochumer Vereins waren an der Planung ebenso wie an der Auswahl von KZ-Häftlingen beteiligt. Das Lager am Ende der kleinen Brüllstraße, die von der Kohlenstraße kurz vor der Eisenbahnunterführung abzweigte, wurde von der SS geführt, war mit Elektrozäunen und Wachtürmen gesichert. Bis zum März 1945 mussten in den nahe gelegenen Hallen die meist jüdischen Häftlinge Granaten und Bomben fertigen. 12 Stunden am Tag bei schlechter Ernährung, vielen Krankheiten, ungenügenden hygienischen Bedingungen, überfüllten KZ-Baracken und ohne Bunkerschutz bei Luftangriffen.
Die Autorin und die Autoren der sieben Aufsätze gehen der Frage der Stellung des Bochumer Vereins im System der Zwangsarbeit, der Verbrechen der Wehrmacht und der SS ebenso nach wie der Geschichte des Bochumer KZ-Außenlagers und den Schicksalen von KZ-Häftlingen. Dass die Geschichte um das KZ-Außenlager nach der Befreiung von Faschismus und Krieg noch nicht zu Ende war, wird in dem Kapitel zur Auflösung und Nachkriegsgeschichte bearbeitet. Mit der Verlegung der Stolperschwelle im September 2018 endet das Buch. Es ist zu hoffen, dass die Texte, die Fotos und Dokumente auf reges Interesse vor allem auch bei jungen Menschen stoßen. Eine weitere Beschäftigung mit dem Thema ist wünschenswert. Das KZ-Außenlager Buchenwald mitten in der Stadt Bochum darf ebenso nicht in Vergessenheit geraten wie die Opfer, die fernab ihrer Heimat in Bochum den Tod fanden.«



Ein Bochumer Konzentrationslager –

Geschichte des Buchenwald-Außenlagers des Bochumer Vereins
Aufsätze, Fotos, Dokumente
Herausgeber Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) – Kreisvereinigung Bochum
112 S., Format A5, ISBN: 978-3-931999-25-4, 7.50 €