Dienstag 12.02.19, 20:29 Uhr

„Arisierung“ in Bochum


Im Zusammenhang mit einer Show in der Bochumer Starlight-Halle hat Jan Böhmermann nach einem lokalen Aufreger gesucht und wurde auf einen TAZ-Artikel aus dem Jahr 2006 aufmerksam. Holger Pauler berichtete damals zum Jahrestag der Reichspogromnacht  in der TAZ, was er in einem Gespräch mit dem Bochumer Historiker Dr. Hubert Schneider über die „Arisierung“ in Bochum u. a. erfahren hatte: „Die Metzgerei Jakob Meyer in Bochum wechselt in den Besitz von Otto Dönninghaus und wird von der Gauleitung als ‚Frei von jüdischen Einflüssen‘ beschrieben.“ Böhmermann kritisiert nun, dass die Firma Dönninghaus diese Tatsache in ihrer Geschichtsdarstellung verschweigt. Der aktuelle Firmenchef von Dönninghaus, Dirk Schulz versichert, dass er von der „Arisierung“ nichts gewusst habe.
Es gibt ein Dokument der NSDAP Gauleitung Westfalen Süd aus dem Jahr 1939, in dem die 28 Betriebe in Bochum und Wattenscheid aufgelistet sind, die im Faschismus in Bochum „arisiert“ wurden. Dr. Schneider hat das Dokument der Redaktion von bo-alternativ.de zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Das Dokument als PDF-Datei.
Für Dr. Schneider ist der Raub an jüdischem Eigentum durch die sogenannte Arisierung kein Forschungsschwerpunkt. Die Aktenlage bzw. die systematische Aktenvernichtung macht es schwierig, dieses Kapitel aufzuarbeiten. Wahrscheinlich ist die Übernahme  der Metzgerei von Jakob Meyer durch Dönninghaus keine besonders brutale Aneignung. Dönninghaus hat eine hohe Hypothek von Jakob Meyer übernehmen müssen. Andere Beispiele von Raub an jüdischem Eigentum fallen gar nicht unter die Rubrik „Arisierung“. So haben zum Beispiel noch heute existierende namhafte Bochumer Firmen die Warenbestände von Geschäften übernommen, deren jüdische Besitzer ausgewiesen oder deportiert worden waren. Da gab es nach dem Krieg dann sog. Wiedergutmachungsverfahren, die nichtjüdischen Betriebe mussten i.d.R. Entschädigung bezahlen. Das ist alles längst bekannt und zum Teil auch publiziert. Bekannt ist auch, dass natürlich auch in Bochum 1942 der Zutritt von Juden in diese Geschäfte verboten war. Solche „Vorkommnisse“ werden in den Geschäftschroniken der Betriebe, die anlässlich von Jubiläen veröffentlicht werden, nicht erwähnt. Eigentlich erstaunlich: Sind es doch heute die Enkel oder gar Urenkel der damaligen Firmeninhaber, die keiner haftbar machen wird für das, was die Vorfahren getan haben. Aber erwarten darf man von ihnen, dass sie sich der braunen Vergangenheit ihrer Betriebe stellen, dass sie diese aufarbeiten.