Mittwoch 01.11.17, 19:16 Uhr

Ein Graffito für Josef Gera!


Das Foto erreichte die Redaktion mit folgendem Text: »Vor 20 Jahren, am 17. Oktober 1997, verstarb Josef Gera in einem Bochumer Krankenhaus. Er erlag den schweren Verletzungen, die ihm zwei wohnungslose Rechtsradikale auf dem ehemaligen Bochumer Krupp-Gelände drei Tage zuvor zugefügt hatten. Die beiden Männer im Alter von 26 und 35 Jahren hatten Anstoß an der Homosexualität des Frührentners Josef Gera genommen und nach einer gemeinsamen Feier diesen mit einem Stahlrohr zusammengeschlagen. Bis heute gilt der homophobe Mord der beiden Rechtsradikalen als Exzesstat – und das obwohl die Täter mit der Tat und ihren schwulenfeindlichen Motiven in aller Öffentlichkeit prahlten und sie mit dem faschistischen Gruß feierten. Die Justiz definierte die Tat als den Folgen des Alkoholkonsums geschuldet und entpolitisierte die Gewalttat. Die örtliche Presse zeigte keinerlei Aufklärungsinteresse an dem Mord und seine Hintergründe und kolportierte die Behördenversion. Auf Grund dessen gibt es im offiziellen Bochum keinen rechtsradikalen Mord aus Schwulenhass und die sogenannte Stadtgesellschaft steht mit reiner Weste dar – das Image ist gewahrt.
Seit 1997 sind über 100 weitere rechtsradikale Morde in der Bundesrepublik Deutschland begangen worden. Bei manchen, wie bei den zehn rassistischen Morden des NSU, haben Polizei, Geheimdienste und Justiz bewusst weggeschaut, die rechte Täterschaft geleugnet und die Angehörigen der Opfer in aller Öffentlichkeit die Täterschaft zugewiesen. Flankiert wurden sie dabei von einer Presse, die die behördlichen Erklärungsmuster kritiklos wiedergab, von „Döner-Morden“ schwadronierte und beflissentlich rassistische Vorurteile schürte.
In diesem gesellschaftlichen Klima der sozialdarwinistischen Ausgrenzung und Gewalt gegenüber Anders-Denkende und Anders-Lebende, des Aufeinander-Eintretens – vor allem von Oben nach Unten, der Entsolidarisierung, der Ignoranz und des Schweigens konnte der Faschismus und der Rassismus gedeihen. Als eine Konsequenz dieses Versagens des NS-Nachfolgestaats und seiner Zivilgesellschaft kroch aus dem noch fruchtbaren Schoß der gesellschaftlichen Mitte das, was kommen musste: Die rechte Partei „Alternative für Deutschland“ sitzt seit dem 24. September 2017 in dem neu gewählten 19. Bundestag.
Mit dem Graffito, das wir am 1. November 2017 im Westpark (dem ehemaligen Kruppgelände) erstellten, wollen wir die Erinnerung an Josef Gera wach halten. Gleichzeitig verstehen wir das Graffito als Aufforderung, sich gegen die faschistische und rassistische Transformationen in diesem Land zu organisieren, diese zurückzudrängen und für eine gerechtere, sozialere und freiere Gesellschaft zu kämpfen.«

Zur Information diese Texte:
Der rechtsradikale Mord an Josef Gera
http://www.bo-alternativ.de/2017/10/02/der-rechtsradikale-mord-an-josef-gera

Gegen das Vergessen
https://www.lotta-magazin.de/ausgabe/51/gegen-das-vergessen

Cura: Josef Anton Gera
http://www.opferfonds-cura.de/zahlen-und-fakten/erinnerungen/oktober/josef-anton-gera

Die genutzten Zeilen für das Graffito stammen aus dem Lied „Why?“ von Bronski Beat aus dem Jahr 1984.
https://de.wikipedia.org/wiki/Why%3F_(Bronski-Beat-Lied)
https://www.youtube.com/watch?v=0_Ar_hhZuZA