Sonntag 22.10.17, 11:58 Uhr
Staatsanwaltschaft stellt Verfahren nach acht Tagen ein

Brandanschlag auf das Soziale Zentrum


«Das Soziale Zentrum schreibt: »In der Nacht vom 27. auf den 28.09.2017 wurde versucht, den Rollladen vor der Haupteingangstür zu unserem Lokal in Brand zu setzen. Am Donnerstagabend entdeckten wir dort eine Pfütze die nach Brennstoff roch, mit Resten von verkohltem Papier darin sowie eindeutige Rußspuren am Rollladen selbst. Wir können nur spekulieren, wer aus welchen Gründen versucht hat, einen Brand zu verursachen, werten diese Brandstiftung aber auf jeden Fall als Angriff auf unser Zentrum sowie die Nachbar*innen, die über unserem Lokal wohnen.

Nur durch die Tatsache, dass sich nicht der gesamte vorhandene Brennstoff entzündet hat, wurde Schlimmeres verhindert. Es war also Glück, dass den Nachbar*innen, die teilweise ihre Schlafzimmer direkt über der angezündeten Tür haben, kein körperlicher oder materieller Schaden entstanden ist.
Mit dem Sozialen Zentrum haben wir einen Ort geschaffen, an dem Menschen und Gruppen sich unkompliziert frei bewegen und organisieren können. Ob man einen offenen Kneipenabend zur Sammlung von Spenden macht, sich mit einer Gruppe aus dem Bereich der Sozialen Bewegungen trifft, politische Diskussionsveranstaltungen abhält, eine Filmvorführung anbietet, einen Hackerspace gründet oder eine Alternative zur Konsum- und Tauschgesellschaft einrichten möchte – dies alles ist bei uns möglich und auch schon seit Jahren gelebte Praxis. Es soll ein Raum des Zusammenlebens unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, sexueller Orientierung und anderen Merkmalen sein, in dem alle an Kultur, Wissen und Politik teilhaben können, auch ohne über große (finanzielle) Ressourcen verfügen zu müssen. Wir sind freundschaftlich an die Nachbarschaft angebunden und bieten einen Raum außerhalb des konsumorientierten Bermudadreieckes an. Unser Konsens ist dabei immer präsent: Weder Rassismus noch Sexismus, Antisemitismus, Ableismus oder Trans- und Homophobie werden geduldet. Alle Aktiven (Gruppen) setzen sich gemeinsam dafür ein, dass diese vorurteilsbehafteten Denkmuster abgelegt werden.

Vielleicht war die Brandstiftung ein Angriff auf diese offenen, toleranten und diskriminierungsfreien Prinzipien. In Zeiten des gesellschaftlichen Rechtsruckes ist dies eine nahe liegende Vermutung. Die hohen Wahlergebnisse für Parteien die rassistische Politik propagieren und durchführen, die gestiegene Anzahl an rassisitischen, antisemitischen und trans- sowie homophoben Übergriffen, die von rechten Parteien geforderte Einstellung von Gleichberechtigungsmaßnahmen – dies alles macht uns große Sorgen und das SZ wäre nicht das erste alternative Zentrum, welches aus diesen Gründen angegriffen wird. In der Vergangenheit haben Rechte uns schon angepöbelt, bedroht und die Fassade des SZs mit Hakenkreuzen angesprüht. Allerdings haben wir keinerlei Hinweise auf einen solchen Hintergrund feststellen können. Es könnte sich ebenfalls um einen „Streich“ von Kindern handeln oder aber um das Werk des*der Brandstifter*in, welche*r schon seit Monaten in Bochum Hamme regelmäßig Dinge anzündet, etwa Kleidercontainer oder auch Autos. Uns ist auch egal, welchen Hintergrund diese Brandstiftung hat – wir verurteilen die Gefährdung unserer Infrastruktur und vor allen Dingen die Gefährdung des Lebens unserer Nachbar*innen. Es ist nicht lustig, nicht mutig und erst recht keine politische Aussage, einen Brand an einem Wohnhaus zu legen.

Als letztes sei noch gesagt, dass wir – wie auch so viele andere Zentren, Geflüchtetenwohnheime oder Opfer rassistisch, homo- oder transphob motivierter Gewalt – keine Hilfe von der Polizei erwarten konnten. Die Brandstiftung wurde unsererseits sofort nach Entdecken angezeigt. Die Beamten zeigten jedoch kein Interesse, haben keine Spuren aufgenommen und letztendlich nicht einmal eine richtig Anzeige aufgenommen. Anstatt eine Brandstiftung aufzunehmen, mussten wir am nächsten Tag erfahren, dass das ganze bei der Polizei als „Sachbeschädigung durch Feuer auf Straßen, Wegen oder Plätzen“ bearbeitet wurde, als habe niemand eine Eingangstür an einem bewohnten Haus angezündet, als wäre niemals auch nur ein Mensch in Gefahr gewesen. Um die Ernsthaftigkeit dieses Anschlages zu unterstreichen haben wir deshalb selbst gemachte Fotos bei der Polizei eingereicht, da die Polizisten vor Ort „keine funktionierende Kamera dabei hatten“. Doch die Staatsanwaltschaft Bochum schloss sich der ignoranten Vorgehensweise an und sendete den Einstellungsbescheid schon nach erstaunlichen 8 Werktagen an die Anzeigestellerin, ohne Rückfragen zu der offensichtlichen Diskrepanz zwischen der aufgenommenen Anzeige und den Beweisfotos zu stellen. Eine Aufklärung der Tat oder gar eine Stellung des*der Täter*innen haben wir eh nicht erwartet. Dass allerdings auch nur der Anfang einer Ermittlung weder seitens der Streifenpolizisten, noch der bearbeitenden KriPo-Beamten, noch der Staatsanwaltschaft als notwendig erachtet wird, erstaunt uns schon sehr. Wie gesagt, es geht hier um einen vorsätzlich gelegten Brand an einem Wohnhaus. Wir müssen mit dieser Stellungnahme daher auch eine Erklärung der Staatsanwaltschaft Bochum und der Polizeipräsidentin Kerstin Wittmeier zu den Nicht-Ermittlungen einfordern.