Die Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum hat sich in den 20 Jahren ihres Bestehens zu einer international anerkannten Menschenrechtsorganisation entwickelt. Bianca Schmolze erinnerte auf der Jubiläumsfeier der MFH an einige wichtige Etappen in diesem beeindruckenden Prozess: »Wir feiern heute nicht nur 20 Jahre MFH, sondern auch 15 Jahre „Gerechtigkeit heilt“. Es gibt zwar mittlerweile in fast 40 Städten sogenannte Medi-Büros, doch ist die MFH Bochum die einzige Einrichtung, die ihre psychosoziale Arbeit für traumatisierte Flüchtlinge und Folterüberlebende in einen internationalen, politischen Kontext stellt.
Als wir 2002 damit begonnen haben den Kampf gegen die Straflosigkeit schwerer Menschenrechtsverbrechen in die Arbeit der MFH zu integrieren, war die Forderung nach Gerechtigkeit und die Täter vor Gericht zu stellen noch sehr provokant und in vielen Ländern sind für diese Forderung Menschen in Gefängnisse gesteckt, gefoltert und ins Exil getrieben worden, denn es waren vor allem Überlebende und Angehörige von Opfern selbst, die diesen Kampf vorangetrieben haben. In unserer psychotherapeutischen Arbeit mit traumatisierten Flüchtlingen zeigte sich, dass die Straflosigkeit der Täter in den Herkunftsländern ein wesentlicher Faktor war, der die Stabilisierung der KlientInnen verhinderte. Da wir immer mit dem Ansatz arbeiteten, an der Seite unserer KlientInnen zu stehen und zu kämpfen, widmeten wir uns diesem Themenkomplex aktivistisch aber auch wissenschaftlich. Dabei stützten wir uns auf die im Jahr 2004 von Kofi Annan erarbeiteten Prinzipien über die Rechte von Überlebenden schwerer Menschenrechtsverbrechen auf Wahrheit, Gerechtigkeit, integrale Entschädigungen und politische Maßnahmen, die ein „Nie Wieder!“ der Verbrechen gewährleisten sollen.
Mein persönlicher Einstieg in die Arbeit zu „Gerechtigkeit heilt“ begann mit einer Aktion, die wir „Anklagebank statt Lehrstuhl“ nannten. Zum Sommersemester 2003 und Wintersemester 2003/04 hatte die Ruhr-Universität Bochum den ehemaligen Ministerpräsidenten der Türkei, Mesut Yilmaz, eingeladen, an der Hochschule zu lehren. Die MFH sowie Initiativen von Studierenden forderten die Universität auf, diese Einladung zurückzuziehen. Der ehemalige türkische Ministerpräsident Mesut Yilmaz gehörte in den 90er Jahren zu jenen, die an den Menschenrechtsverbrechen in der Türkei eine wesentliche Mitschuld trugen, jedoch nie zur Rechenschaft gezogen wurden. Yilmaz war in der Zeit vom Juni 1991 bis zum November 1998 mit Unterbrechungen dreimal Ministerpräsident, später hatte er unter Ministerpräsident Ecevit das Amt des Stellvertreters inne. Dennoch blieb die RUB damals bei ihrer Einladung, doch fanden die Lehrveranstaltungen immer unter großem und lautstarkem Protest statt.
Richtig los ging es dann aber 2004 mit dem Forschungsprojekt zum internationalen Kampf gegen Straflosigkeit in dessen Rahmen wir 2005 einen internationalen Kongress realisierten mit MenschenrechtsanwältInnen, PsychologInnen und Überlebenden aus 17 Ländern die erstmals zusammenkamen und gemeinsamen über Wege zur Bekämpfung der Straflosigkeit diskutierten. Wir waren damals sehr stolz, dass Beate Klarsfeld, die berüchtigte Nazijägerin, die Schirmherrschaft übernommen hat und wir waren überglücklich zu sehen, dass die ReferentInnen aus Lateinamerika, Afrika, Asien und Europa unseren Ansatz „Gerechtigkeit heilt“ sofort verstanden und unterstützten.
Der international bekannte Autor Eduardo Galeano schrieb uns damals: „Eurem Zusammentreffen kann ich leider nicht beiwohnen. Schuld daran tragen meine Arbeit und die Geographie, die mich in weit von euch entfernte Gegenden geführt hat.
Aber gerade deshalb ist es mir ein Anliegen, Euch meine Solidarität mit jener solidarischen Aufgabe auszudrücken, die Ihr erfüllt. Und meine begeisterte Unterstützung für diesen Schritt, die Gerechtigkeit und die Gesundheit wieder miteinander zu verbinden.
Gerechtigkeit und Gesundheit sind durch die Kultur der Dominanz voneinander geschieden worden – durch eine Kultur des Auseinanderreißens, die alles, was sie berührt, trennt und isoliert.
Der Wiederaufbau und die Entwicklung einer verbindenden Kultur, die es uns erlaubt, zu vereinen und uns zu vereinen, ist eine der großen Herausforderungen, die dieses neue Jahrtausend an uns stellt. Es ist notwendig, Gerechtigkeit und Gesundheit zu verbinden, so, wie es notwendig ist, die Gerechtigkeit mit der Demokratie zusammenzuführen, die Erinnerung mit der Gegenwart, den öffentlichen Diskurs mit dem alltäglichen Leben, das individuelle Leben mit dem Leben in der Gemeinschaft, die Seele mit dem Körper und alles mit uns allen, die wir einzelne Teile eines Ganzen sind, voranschreitend auf der Suche nach einer gemeinsamen Bestimmung.“
Da der Kongress erstmals einen kontinentalübergreifenden Erfahrungsaustausch zwischen MenschenrechtlerInnen ermöglichte, wurden wir als mfh gebeten, ein weltweites Netzwerk im Kampf gegen Straflosigkeit zu koordinieren. Zwischen 2005 und 2009 haben wir mit insgesamt 80 Individuen und NGOs in 30 Ländern kooperiert. Ziel war es, Mitglieder des Netzwerkes zusammenzubringen, damit sie gemeinsame Aktivitäten oder Kampagne entwickeln um den Kampf gegen Straflosigkeit in ihren jeweiligen Ländern zu forcieren.
So gab es auf der Konferenz viele spannende Debatte zwischen den teilnehmenden Akteuren, so z.B. diskutierten die Referenten aus Peru und Sierra Leone über die Bedeutung integraler Entschädigungen.
Eine weitere länderübergreifende Kooperation vermittelten wir zwischen Dr. Martin Almada, Überlebender der Strössner Diktatur in Paraguay und Entdecker der Archive der „Operacion Condor“, welches wichtige Beweise enthielt für die Zusammenarbeit der lateinamerikanischen Militärdiktaturen bei der Verfolgung von Oppositionellen, und dem damaligen Ombudsman für Menschenrechte in Honduras Ramon Custodio. Almada forderte die Auslieferung des ehemaligen Chefs der Geheimpolizei und Innenministers Sabino Montanaro aus Honduras nach Paraguay, um ihm dort den Prozess machen zu können. Doch bevor es dazu kam starb Montanaro im Jahr 2011, doch waren mehrere Verfahren wegen Menschenrechtsverbrechen gegen ihn anhängig.
Auch vermittelten wir in Lateinamerika zwischen der chilenischen Organisation ehemaliger politischer, gefangener Minderjähriger und einer ähnlichen Organisation in Uruguay, die in der Folge regelmäßige Treffen organisierten um gemeinsame Aktivitäten im Kampf gegen Straflosigkeit zu entfalten.
Auf dem Kongress, aber auch bei unseren Reisen nach Lateinamerika oder durch Europa haben wir zahlreiche Menschen kennengelernt, die als Überlebende oder Angehörige von Opfern alles versuchten, um Wahrheit, Gerechtigkeit und Entschädigungen zu erwirken, sei es vor Gerichten oder im Rahmen der Aufarbeitung durch Wahrheitskommissionen. All diesen Menschen, die ich hier gar nicht alle nennen kann, möchte ich an dieser Stelle noch einmal danken, wir haben so viel von ihnen gelernt und ihren Mut bewundert. Sie alle haben unseren Ansatz „Gerechtigkeit heilt“ ohne weitere Erklärungen verstanden. Sie wussten genau, dass wenn schon keine gerichtliche Gerechtigkeit erreicht werden kann zumindest der Kampf für Gerechtigkeit eine heilende Wirkung hat.
Eine weitere große Inspiration für unsere Arbeit war seit 2005 auch die dänische Menschenrechtlerin Inge Genefke, die im Jahr 1988 für ihre Arbeit im Kampf gegen Folter den Alternativen Nobelpreis verliehen bekam und Gründerin unseres internationalen Dachverbandes IRCT ist. Das IRCT hat mehr als 150 Therapiezentren für Folterüberlebende als Mitglieder in mehr als 70 Ländern. Die MFH ist eines von drei Mitgliedszentren seit 2008. Mit dem IRCT hat die MFH einen internationalen Partner gewonnen im Kampf gegen Straflosigkeit, denn auch das IRCT fordert, dass jene die für Folter und andere schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, strafrechtlich verfolgt werden sollen, auch um zukünftige Verbrechen zu verhindern.
Zwischen 2005 und 2008 recherchierten Knut Rauchfuss und ich die unterschiedlichen Herangehensweisen an den Kampf gegen Straflosigkeit in ausgewählten 12 Ländern für ein Buchprojekt. Im Jahr 2009 erschien das Buch „Kein Vergeben, kein Vergessen. Der internationale Kampf gegen Straflosigkeit“ beim Verlag Assoziation A. Wir wollten herausarbeiten, wie die Überlebenden selbst die Straflosigkeit beenden wollten, aber auch wie auf internationaler Ebene versucht wurde Mechanismen einzurichten, um die Täter vor Gericht stellen zu können. Das Buch wurde mehrfach rezensiert und als „wichtiger Beitrag für die Gerechtigkeitsforschung“ oder auch als „Handbuch der Vergangenheitsaufarbeitung“ bezeichnet.
Eines der Länderkapitel, die wir in dem Buch behandelten, war auch Ruanda und der Versuch der Aufarbeitung des Völkermords von 1994. Noch während wir an dem Buch schrieben wurden wir auf den Fall Murwanashyaka aufmerksam. Wir arbeiteten zu der Zeit eng mit einer kongolesischen Partnerorganisation des IRCT. Damals gab es im Osten des Kongos massive Gewalt gegen die Zivilbevölkerung durch die vielen Milizen, die dort seit Jahren wüteten. Eine der Milizen war die aus Ruanda stammende Hutu Miliz FDLR, die Demokratische Front zur Befreiung Ruandas, die über viele Jahre hinweg Verbrechen gegen die Menschheit sowie Kriegsverbrechen beging, um die Zivilbevölkerung zu terrorisieren. Viele hochrangige Offiziere der FDLR waren an dem Völkermord beteiligt und hatten die Miliz im Exil neu formiert um die Regierung in Ruanda zu stürzen. Ihr Präsident Ignace Murwanashyaka lebte in Deutschland, er konnte nicht mit dem Völkermord in Verbindung gebracht werden, daher galt er als die perfekte Führungsfigur für die Miliz. Im Jahr 2008 machte die MFH in einem Interview mit der kongolesischen Partnerorganisation öffentlich, dass Murwanashyaka vor Gericht gestellt werden sollte für seine Verantwortung für die von seinen Soldaten begangenen Verbrechen im Ostkongo. Auch die taz wurde früh aktiv und veröffentlichte immer mehr Informationen über ihn und die FDLR. 2009 fuhr ich dann nach Berlin zur Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses des Bundestags Herta Däubler Gmelin, um über rechtliche Schritte gegen Murwanashyaka zu sprechen und zu überlegen wie ZeugInnen und mögliche NebenklägerInnen gefunden werden könnten. Gemeinsam riefen wir die Generalbundesanwaltschaft an, um nachzufragen warum Murwanashyaka nicht verhaftet werde. An jenem Tag erfuhren wir, dass die Bundesanwaltschaft ermittelte und die Verhaftung nicht lange auf sich warten lasse. Drei Monate später, Knut und ich schrieben gerade an den letzten Seiten unseres Buches als wir die Nachricht bekamen, dass Murwanashyaka verhaftet wurde. Der erste Fall in Deutschland! Für mich stand bereits fest, diesen Prozess wird die MFH beobachten um zu sehen ob Überlebende in Deutschland einen Ort der Gerechtigkeit finden, ungeachtet wo Menschenrechtsverbrechen begangen wurden. Doch der Prozess sollte noch bis 2011 auf sich warten lassen.
Währenddessen haben wir uns vermehrt auf Projekte gestürzt, um den Kampf gegen Straflosigkeit zu stärken. Menschenrechtsorganisationen weltweit forderten nun, Täter vor Gericht zu stellen. Mit dieser Forderung standen wir also nicht mehr ganz so allein wie noch wenige Jahre zuvor. Doch welche Instrumente standen uns zur Verfügung, um Prozesse gegen Täter zu ermöglichen? Durch unsere Zusammenarbeit mit dem IRCT kamen wir in engen Kontakt mit jenen MenschenrechtlerInnen und medizinischen ExpertInnen, die das Istanbul Protokoll erarbeitet haben, um Folgen von Folter gerichtsverwertbar zu dokumentieren und so den Kampf gegen Folter mit Beweisen zu stärken. Seit 2009 arbeiten wir daran, das Istanbul Protokoll als Dokumentationsstandard in Folterfällen zu implementieren, einerseits um Folterüberlebende als Flüchtlinge in ihren Asylverfahren zu unterstützen, in denen sie beweisen müssen, dass sie gefoltert wurden, andererseits um ihnen ein rechtsmedizinisches Gutachten in die Hände geben zu können, welches beweist was man ihnen angetan hat. Dies ist eine wichtige Anerkennung dessen was die Überlebenden erlitten haben sowie wichtiger Beweis für eventuelle rechtliche Schritte gegen die Täter.
Nachdem im Jahr 2009 unser Buch publiziert wurde entwickelten wir verschiedene Aktivitäten, um weiter auf den Kampf gegen Straflosigkeit und dessen Bedeutung für die Überlebenden und betroffenen Gesellschaften aufmerksam zu machen. Wir haben eine Vielzahl an Veranstaltungen organisiert, so z.B. zur Ermordung der russischen Menschenrechtsanwältin Anna Politkowskaya am 7. Oktober 2007, morgen also genau vor 10 Jahren. Auch die Straffreiheit in Indonesien war unser Thema, wir zeigten die sehr eindringlichen Dokumentarfilme von Joshua Oppenheimer „Act of Killing“ und „Look of Silence“, welche zeigen, wie Straffreiheit sich auf eine Gesellschaft auswirken kann, dessen Täter bis heute als Helden verehrt werden und die Überlebenden und Angehörigen der Opfer dazu verdammt sind, über die erlebte Gewalt nicht offen sprechen zu können. Neben länderbezogenen Aktivitäten informierten wir auch über wichtige neue Menschenrechtsstandards wie der UN Konvention gegen das Verschwindenlassen von Personen die im Jahr 2006 verabschiedet wurde oder eben das deutsche Gesetz zur universellen Rechtsprechung, das Völkerstrafgesetzbuch. Wir haben auch viel zum Wiederaufleben und Legalisierung von Folter gearbeitet im Rahmen des sogenannten Kriegs gegen Terror gearbeitet, über die Rolle von Ärzten während der Folter, über die Situation der Gefangenen in Guantanamo, über die Missachtung des absoluten Folterverbots. Ein besonderer Gast war im Jahr 2010 der spanische Menschenrechtsanwalt Joan Garcés, der im Jahr 1998 als Pinochet in Großbritannien war die Auslieferung des Diktators nach Spanien beantragte um ihm dort den Prozess zu machen. Damit war Garcés mitverantwortlich für den sogenannten Pinochet Effekt, der auf der ganzen Welt einen wichtigen Einfluss auf den Kampf gegen Straflosigkeit bedeutete. Für den Kampf für Gerechtigkeit für die chilenischen Überlebenden und Angehörigen der Opfer erhielt Garcés im Jahr 1999 den Alternativen Nobelpreis.
Wir forderten nicht nur, dass einzelne Täter und die Hauptverantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, sondern auch Unternehmen, die mit den Tätern kooperierten. Daher unterstützten wir 2010 die Kampagne von Medico International gegen den Autokonzern Daimler für dessen Mitverantwortung an den Verbrechen des südafrikanischen Apartheidregimes und forderten Entschädigungen für die Überlebenden.
Wir haben uns also nicht nur mit den Problemen der Gegenwart beschäftigt, sondern auch jenen Konflikten, die die Medien schon lange nicht mehr interessierten, deren Auswirkungen auf die Gesellschaft jedoch so massiv waren, dass sie niemand ignorieren darf.
Von 2011 bis 2015 fand der erste Prozess auf der Basis universeller Rechtsprechung in Deutschland statt gegen den bereits erwähnten Anführer der ruandischen Hutu Miliz FDLR, Ignace Murwanashyaka und die MFH hat diesen Prozess vom ersten Tag an bis zum letzten beobachtet und gemeinsam mit der taz exklusiv darüber berichtet. Eine umfassende Analyse des Prozesses sowie eine detaillierte Beleuchtung der Hintergründe der Miliz wurde mit den taz JournalistInnen Dominic Johnson und Simone Schlindwein im Jahr 2016 unter dem Titel „Tatort Kongo. Prozess in Deutschland“ veröffentlicht, dieses Werk wird bald auch auf französisch erscheinen und meine KollegInnen haben für das Buch den Journalistenpreis „Der lange Atem“ gewonnen, u.a. auch weil dieses Buch die einzige Quelle weltweit zu diesem wichtigen Prozess ist.
Seit 2011 beschäftigten uns auch die politischen Umbrüche im arabischen Raum und insbesondere die Situation in Syrien. Im Zuge der Arabellion zeigte sich, dass der Kampf gegen die Straflosigkeit der seit Jahrzehnten herrschenden Despoten zu den zentralen Forderungen der DemonstrantInnen gehörte und auch in unserer Arbeit begegnen wir immer wieder politisch sehr bewussten Menschen, die rechtliche Schritte gegen das Regime gehen möchten, doch leider wird dies ein langer und schwieriger Weg, denn die Vetomächte der UN werden alles daran setzen, Prozesse gegen Täter und die Entschädigung der Überlebenden und Angehörigen der Opfer zu verhindern. Umso wichtiger ist die Arbeit von Menschenrechtsanwälten wie Anwar al Buni, der die erste Klage eingereicht hat gegen das syrische Regime wegen Folter und Verbrechen gegen die Menschheit. Wir unterstützen Anwar so gut wir können und wir prüfen Wege, wie wir als MFH die Arbeit der UN Untersuchungskommission zu Syrien unterstützen können.
Seit dem vermeintlichen Putschversuch in der Türkei im Sommer vergangenen Jahres sind die Menschenrechte in dem Land, mit dessen Regime die Bundesregierung lange über die Rücknahme von Flüchtlingen verhandelte, de facto außer Kraft gesetzt. Die Massenverhaftungen und politische Repression trafen Hunderttausende Menschen, unter ihnen auch einige die die MFH persönlich kennt, wie die Menschenrechtlerin und Forensikerin Sebnem Korur Fincanci oder die Menschenrechtsanwältin Eren Keskin, gegen die eine Vielzahl von Gerichtsverfahren eingeleitet wurde. Wir werden das Unrecht in der Türkei nicht hinnehmen, sondern wir werden uns weiter dafür einsetzen, dass Erdogan und seine Komplizen vor Gericht gestellt werden. Dabei erklären wir unsere uneingeschränkte Solidarität mit all jenen, die sich dem Schutz der Menschenrechte widmen und dabei hohe Risiken eingehen müssen. Im Juni 2016 unterzeichneten wir daher die erste Klage gegen die türkische Regierung und hochrangige Mitglieder der Sicherheitskräfte und des Militärs wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit nach dem Völkerstrafgesetzbuch. Hierbei geht um die Menschenrechtsverbrechen in der Stadt Cizre, die im vergangenen Sommer begangen wurden. Dabei geht es um den Tod von 178 Menschen, die während einer Ausgangssperre in Kellern Schutz vor Angriffen des türkischen Militärs gesucht hätten. Später wurden ihre verbrannten Leichen gefunden. Die Anklage beruht auf dem Verdacht, dass Sicherheitskräfte die Keller mit Benzin in Brand gesteckt hätten oder die Menschen mit schweren Waffen getötet und die Leichen verbrannt hätten. Wir hoffen sehr, dass die Bundesanwaltschaft Ermittlungen aufnehmen wird. Es gibt mittlerweile so viele Fälle von Menschenrechtsverletzungen in der Türkei. Wir müssen den Druck aufrechterhalten und sogar intensivieren und immer wieder fordern, dass die Täter und Hauptverantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Daher ist die Bedeutung von „Gerechtigkeit heilt“ und der Kampf für die Rechte von Überlebenden auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Entschädigung heute von wesentlicher Bedeutung in der Menschenrechtsarbeit.
Am Ende möchte ich noch ein paar persönliche Worte verlieren, denn ich möchte mich ganz herzlich beim Vorstand und der Geschäftsführung der MFH bedanken, dass sie die Arbeit für „Gerechtigkeit heilt“ immer unterstützt haben, so komplex sie auch war. Ganz besonders aber möchte ich mich bei Knut Rauchfuss bedanken, ohne den ich wahrscheinlich nie diese Arbeit begonnen hätte. Knut hat den Ansatz „Gerechtigkeit heilt“ erfunden und damit ein hohes Maß an Verständnis für die Situation Überlebender schwerer Menschenrechtsverletzungen gezeigt. Knut war die ersten Jahre meiner Arbeit bei der MFH ein unerlässlicher Mentor für politische, soziale und menschliche Belange und er war derjenige der die internationale Dimension unserer Arbeit stets betont hat. Ohne ihn hätte ich wohl nie so viele interessante und mutige Menschen kennengelernt, die auf allen Kontinenten dieser Welt versuchen, für Gerechtigkeit zu kämpfen und ich bin dankbar dafür, dass ich auch heute noch mit vielen dieser Menschen zu tun habe im Rahmen unserer Arbeit mit dem IRCT. Daher möchte ich mich auch nochmal bei Mushegh ganz herzlich bedanken, dass er für das IRCT zu uns heute Abend gekommen ist.
Doch nun genug von mir. Ich freue mich nun auf tolle Musik und nette Gespräche und wünsche Ihnen allen einen wundervollen Abend. Ich danke Ihnen allen dass Sie gekommen sind und die Arbeit der MFH so unterstützen.«
Donnerstag 12.10.17, 18:59 Uhr
Bianca Schmolze anlässlich der Jubiläumsfeier der MFH: