Mittwoch 27.09.17, 22:02 Uhr
Zweckentfremdungssatzung: Die SPD muss Farbe bekennen

Kein Votum weit und breit


Auch am Tag vor der morgigen Ratssitzung eiert die SPD in Sachen Zweckentfremdungssatzung noch herum. Auf der Webseite des Mietervereins ist dazu zu ein bemerkenswerter Beitrag zu lesen: »Der Rat der Stadt Bochum hat die von der Verwaltung spät, aber doch noch vorgelegte Zweckentfremdungssatzung am 30. 8. zur Beratung an die Bezirksvertretungen und Fachausschüsse überwiesen. Doch während die Bezirksvertretungen sich ihre – unterschiedlichen – Meinungen bildeten, herrscht in den Ausschüssen Meinungslosigkeit. Wer von Parlamentarismus nichts versteht, verwechselt ihn oft mit echter Demokratie – und versteht seine Spielregeln nicht. Als auf der Ratssitzung am 30. August SPD, CDU und AfD „Beratungsbedarf“ zum Thema Zweckentfremdungssatzung anmeldeten, hätte man als Laie auf die Idee kommen können, dass diese Beratung nun in den Fachausschüssen des Rates stattfinden würde. Der Planungsausschuss hätte sich Gedanken über die wohnungspolitischen Sinnhaftigkeit einer solchen Satzung machen können, der Finanzausschuss über ihre Finanzierbarkeit und der Sozialausschuss über die sozialpolitische Notwendigkeit, Leerstände energischer zu bekämpfen.

Doch weit gefehlt. Ein Ausschuss nach dem anderen schob das Thema ohne Aussprache und ohne Votum weiter. Die CDU positionierte sich allerdings schnell und klar gegen die Satzung, die AfD sagt vorsichtshalber gar nichts. Grüne und Linke outeten sich schon im Rat als „pro Satzung“. Allein die SPD hatte immer weiter Beratungsbedarf. Und solange auch nur eine Fraktion „Beratungsbedarf“ hat, ist es „demokratische“ Sitte, dass niemand ein Votum abgibt.

Die Bezirksvertretungen hatten diese Möglichkeit nicht, denn sie werden nur einmal gefragt. Die Bezirke Süd, Nord, Ost und Wattenscheid haben sich für den Erlass einer Zweckentfremdungssatzung ausgesprochen, Mitte und Südwest dagegen. SPD-Mitglieder stimmten dabei uneinheitlich ab.

Zum Showdown kam es dann heute im Strukturentwicklungsausschuss, dem einzigen Fachausschuss, der erst nach der Bundestagswahl tagte. Zufall? Vertreter von Mieterverein, Haus + Grund, der institutionellen Wohnungswirtschaft und von empirica, jenem Institut, dass das Handlngskonzept Wohnen erstellt, waren gebeten worden, ein Statement abzugeben. Für sie wurde eigens die Sitzung unterbrochen.

Gleiches hätten sich auch einige Aktivisten des Netzwerks „Stadt für Alle“ gewünscht, die im Publikum die Debatte aufmerksam verfolgten. Vergeblich hatten sie im Vorfeld um ein Gespräch mit der SPD-Fraktion nachgesucht. Anders als bei den Grünen stießen sie bei den Sozialdemokraten auf taube Ohren. Und auch in der heutigen Ausschusssitzung lehnte der Vorsitzende Peter Reinierkes (SPD) eine weitere Unterbrechung kategorisch ab. Ein darauf zielender Geschäftsordnungsantrag von Ratherr Günter Gleising (Soziale Liste) fand außer bei ihm selbst nur bei den Grünen Zustimmung.

Und trotz mehr als einer Stunde Debatte schob auch der Strukturentwicklungsausschuss das Thema ohne Votum zur morgigen Ratssitzung durch.

Ursache für das erneut ausbleibende Votum war, dass die SPD in ihrer Entscheidungsfindung immer noch nicht fertig ist und sich bis morgen noch weiter beraten will. Martina Schmück-Glock erklärte für ihre Fraktion, dass es zwar eine Tendenz zur Ablehnung gebe, diese aber noch nicht eindeutig sei.

Die Stadtverwaltung, die im Zweifelsfalle die Satzung anwenden müsste, ist übrigens keineswegs neutral in dieser Frage. Stadtbaurat Markus Bradtke hatte sich (und die gesamte Verwaltung) schon im Vorfeld und auch heute wieder eindeutig gegen die Satzung positioniert. Doch außer Günter Gleising schien das im Ausschuss niemand zu stören.

Zum Eklat kam es am Ende des Tagesordnungspunktes, als eine Zuhörerin sich lautstark über die erneute Meinungslosigkeit auch des vierten Ausschusses hintereinander empörte. Peter Reinierkes machte daraufhin von seinem Hausrecht Gebrauch und verwies sie des Saales.

Falls irgendjemand in der Bochumer SPD sich in den letzten drei Tagen Gedanken über die Ursachen der 20-Prozent-Klatsche von Sonntag gemacht haben sollte – im Umgang seiner Partei mit diesem Thema könnte er/sie eine Antwort finden.