Der Rat der Stadt Bochum hat heute den Haushalt für das kommende Jahr beschlossen. Der Vorsitzende der Linksfraktion Ralf-D. Lange hat in seiner Rede eine umfassende Kritik an der rot-grünen Haushaltspolitik erläutert: »Alle Jahre wieder unterhalten wir uns hier über die kommunale Mängelverwaltung. Der Bochumer Haushalt ist ein Mängelhaushalt. Wenn Politikerinnen und Politiker lieber Mängel verwalten, statt notwendige Entscheidungen für eine gerechtere Vermögensverteilung zu fällen, wird sich der Bochumer Rat noch in zwanzig Jahren mit Überschuldung befassen müssen. Und wir wissen, wer dafür eigentlich verantwortlich ist. Ich sage es aber trotzdem noch einmal: Es sind Schwarz-Rot im Bund und Rot-Grün im Land. Aber trotzdem: Sie als lokale Verantwortliche müssen sich leider vorwerfen lassen, unter diesen falschen Rahmenbedingungen auch noch das Falsche zu tun.
Statt wenigstens jetzt, kurz vor dem Superwahljahr 2017, endlich mal den Druck auf Ihre Parteifreund*innen in Berlin und Düsseldorf spürbar zu erhöhen, halten Sie ihnen weiter den Rücken frei – und legen hier vor Ort erneut einen Katalog an Unsinnigkeiten und Grausamkeiten vor. Das Haushaltssicherungskonzept, das Sie heute verabschieden wollen, ist eine Fortsetzung einer Privatisierungspolitik, die zugunsten von Profiten für Privatfirmen kommunale Substanz und städtische Infrastruktur gefährdet und abbaut. Es geht los bei der Privatisierung der Verkehrsüberwachung von Ampelverstößen: Die – so nennen Sie das – „Bewirtschaftung“ der Ampeln soll zukünftig eine Privatfirma übernehmen. Weiter geht es mit dem Outsourcing der Schulhausmeistervertretungen. Auch hier sollen zukünftig Mitarbeiter*innen einer privaten Facility-Management-Firma zu einem reduzierten Stundensatz ran. Auch die städtische Gebäudereinigung wollen Sie teilweise outsourcenund bis zu 25 Prozent nicht mehr mit eigenen Beschäftigten erledigen, sondern private Reinigungsfirmen daran verdienen lassen.
Eine Begründung, die Sie für diese Outsourcing-Pläne anführen, ist geradezu zynisch. Zitat: „Insbesondere die positive Wirkung auf die städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Stichwort: Gesundheitsquote) soll erprobt werden“. Ja, es ist richtig: Ihre Personalpolitik führt nach wie vor nicht nur zu ewig langen Wartezeiten in den Bürgerbüros – sondern auch dazu, dass sich bei den Beschäftigten in ganz unterschiedlichen Bereichen Überstunden anhäufen, dass viele städtische Mitarbeiter*innen überlastet sind und krank werden. Ihre Logik ist jetzt offensichtlich: Was macht man mit kranken Mitarbeiter*innen? Man stellt ihnen Kolleg*innen zur Seite, die sie entlasten? Nein, Sie wollen ihnen private Billigkonkurrenz ins Haus schicken.
Als Linksfraktion bleiben wir dabei: Diese arbeitnehmer*innenfeindlichen Pläne lehnen wir ab. Für eine vernünftige und sachgerechte Personalpolitik muss der mit diesem Haushalt nur wenig aufgeweichte Personalkostendeckel vollständig weg. Der Personalkostendeckel ist ein Korsett, das hohen zusätzlichen Verwaltungsaufwand verursacht und sachgerechte Entscheidungen in den Fachämtern verunmöglicht.
Und wir wissen auch alle, dass die nominelle Einhaltung des Personalkostendeckels vor allem dadurch erkauft wird, dass Stellen nicht zeitnah wiederbesetzt werden. Nach dem Ausscheiden von Beschäftigten bleiben ihre Stellen erstmal absichtlich unbesetzt. Wer wissen will, was das an Druck, Stress und Leistungsverdichtung für die verbliebenen Kolleg*innen bedeutet, muss sich nur mal mit den Betroffenen unterhalten. Dringend notwendige Stellen einfach erstmal nicht zu besetzen, und darauf zu hoffen, dass die Kolleg*innen das schon irgendwie abfangen – ein Arbeitgeber, der so denkt, handelt unverantwortlich!
Außerdem es ist doch ein offenes Geheimnis: An ganz vielen Stellen führt der Deckel noch nicht einmal zu weniger Ausgaben, sondern nur zu einem Verschiebebahnhof in Richtung Fremdvergabe an Privatfirmen. Und die sind dann trotz all Ihrer hochtrabenden Outsourcing-Kürzungspläne häufig unter dem Strich sogar noch teurer, als wenn die Aufgaben mit eigenem, städtischen Personal erfüllt würden.
Leider haben wir auch wenig Hoffnung, dass das mit dem neuen Konzept zur strategischen Personalplanung besser wird, über das gerade diskutiert wird, und das möglicherweise sogar schon in den Planungen für den nächsten Haushalt berücksichtigt werden soll. Diese Überlegungen orientieren sich noch nicht einmal an dem Ziel, städtische Infrastruktur zu erhalten. Stattdessen sind dabei weitere Einschränkungen von städtischen Leistungen und Reduzierungen von Standards fest eingeplant.
Aber wir sind ja noch nicht am Ende der Grausamkeiten, die sie in dem Kürzungskonzept ankündigen. Bei den Trägern der Jugendhilfe sollen ab 2017 200.000 Euro und ab 2018 sogar 500.000 Euro gekürzt werden. Und natürlich soll es auch mal wieder die Ärmsten in unserer Stadt treffen.
Bereits vor einem Jahr haben Sie, Frau Sozialdezernentin Anger, versucht, ohne Beschluss der politischen Gremien die Erstellung eines sogenannten „grundsicherungsrelevanten Mietspiegels“ durchzusetzen. Und zwar, weil die teuer bezahlte Consulting-Agentur Rödl & Partner in Aussicht gestellt hatte, dass Sie damit Sozialkürzungen in Höhe von bis zu 1,38 Millionen Euro pro Jahr durchsetzen können. Diese Zahlen der Selbstvermarktungs-Profis von Rödl & Partner haben sich schnell als Luftnummer erwiesen. Und nicht nur von uns, sondern zum Beispiel auch vom Mieterverein gab’s massiven Gegenwind, und so waren diese Pläne glücklicherweise nicht durchsetzbar.
Aber trotzdem können Sie es nicht lassen: Um jährlich insgesamt 800.000 Euro wollen Sie ab 2018 die Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Empfänger*innen kürzen. Und das, obwohl bereits jetzt das Bochumer Jobcenter pro Jahr fast zwei Millionen Euro an tatsächlich angefallenen Kosten der Unterkunft nicht übernimmt. Dadurch zwingen Sie viele Betroffene dazu, das fehlende Geld von ihrem viel zu knappen ALGII-Regelsatz abzuzwacken. Durch diese Politik sind Sie maßgeblich mitverantwortlich dafür, dass in Bochum jeden zweiten Tag eine Wohnung zwangsgeräumt wird. Und wenn Sie dieses Kürzungskonzept wirklich durchsetzen, wie Sie das heute per Beschluss gegenüber der Bezirksregierung Arnsberg versprechen wollen, dann wird das alles noch schlimmer.
Aber auch, was Sie uns unter dem Punkt „Optimierung Standorte Technischer Betrieb“verkaufen wollen, ist eine Mogelpackung. Und zwar nicht nur, weil ich mir sicher bin, dass auch Sie genau wissen: Wer zur Miete wohnt, wohnt teurer. Gegen unsere Stimmen haben Sie beschlossen, den neuen Standort nicht kommunal selbst zu bauen. Stattdessen wollen Sie den Betriebshof von einem privaten Investor ausbauen lassen und dann für Jahrzehnte Miete dafür zahlen. Das wird den Haushalt auf lange Sicht belasten, denn das bedeutet ja auch, dass die Stadt Bochum die Profitmarge des Investors mitfinanzieren muss.
Aber nicht nur das: Uns haben Sie die geplante Zentralisierung der Technischen Betriebe vor allem auch mit dem Hinweis auf mögliche Einsparungen und Synergieeffekte verkauft. Jetzt lesen wir im 1. Veränderungsnachweis in der Erläuterung zu diesem Haushaltsposten: „Durch die Anmietung eines Zentralen Baubetriebshofes fallen Mehraufwendungen […] in Höhe von 1,5 Mio € jährlich an. Dem stehen, durch die Aufgabe der vorhandenen Standorte, Einsparungen für Miete und Gebäudewirtschaft in Höhe von ca. 1 Mio. € jährlich gegenüber.“ Mit anderen Worten: Anders als von Ihnen angekündigt verursacht die Zusammenlegung des Technischen Betriebs hier erst einmal Mehrkosten von einer halben Million Euro jährlich – die wohlgemerkt noch nicht einmal wie von uns gefordert als Investition in den Aufbau von städtischem Eigentum fließen, sondern die als Mietzahlungen verbraucht werden und hinterher weg sind.
Angesichts all dessen wird es Sie nicht wundern, dass wir als Linksfraktion heute gleich drei Mal „Nein“ sagen müssen: Erstens zu Ihrem auf dem schädlichen Personalkostendeckel beruhenden Stellenplan, zweitens zu Ihrem Haushaltssicherungskonzept mit den ganzen Kürzungs- und Privatisierungsversprechen an die Bezirksregierung, und drittens auch zu Ihrer Haushaltssatzung.
Soziale, solidarische und finanziell verantwortungsvolle Stadtpolitik geht wahrlich anders. In vielen Bereichen, zum Beispiel beim kommunalen Wohnungsbau, liegen unsere Vorschläge ja bereits seit einiger Zeit auf dem Tisch. Für den Moment bleibt mir daher nur noch zu sagen: Auch wenn Sie heute mit Ihrer Mehrheit eine neue Kürzungsrunde durchsetzen, wir werden weiter für einen Politikwechsel streiten – als linke Opposition im Rat und zusammen mit den sozialen Bewegungen auch im außerparlamentarischen Raum.«