Montag 12.09.16, 21:51 Uhr
Der ADFC fordert:

Radwege an der Viktoriastraße aufheben


Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) fordert die Aufhebung aller Radwege an der Viktoriastraße und begründet dies folgendermaßen: »Die Auswahlkommission der Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in NRW (AGfS) hat nach ihrer Bochum-Radtour im Mai den inflationären Gebrauch der Beschilderung „Gehweg, Radfahrer frei“ in Bochum deutlich kritisiert.Verbunden mit der Kritik war die Mahnung, eine klare, eindeutige und verständliche Radverkehrsführung herzustellen. Negativbeispiel war die Radverkehrsführung an der Wittener Straße, stadteinwärts etwa ab Lohring/Steinring: Radweg – Radfahrstreifen – Schutzstreifen – Gehweg, Radfahrer frei – Nichts.
An der Viktoriastraße beweist die Stadt Bochum, dass sie in 30 Jahren nur gelernt hat, wie man schlimm noch schlimmer macht. Seit Jahren redet die Stadt Bochum davon, die Situation für den Radverkehr müsse verbessert werden. Priorität habe es, die Lücken im Bochumer Radverkehrsnetz zu schließen. Tatsächlich produziert die Stadt immer neue Lücken.
Vor einunddreißig Jahren, 1985, als es noch keinen ADFC in Bochum gab, verschenkte der aus Bochum kommende NRW-Minister für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr, Christoph Zöpel, das „Pilotprojekt Radwege- und Beschilderungsplan Bochum“ in seine Heimatstadt. Die Broschüre, die dieses Projekt dokumentiert, enthält die bis heute erste und einzige Konzeption eines Radverkehrsnetzes für Bochum. Teil des Projektes war die Analyse der vorhandenen Wege.
Schon damals stellten die Autoren fest: Die geringe Benutzung des Fahrrads als Alltagsverkehrsmittel ist das Resultat einer jahrzehntelangen Straßenbaupolitik, die das um 1960 vorhandenen Radwegenetz zu Parkplätzen und Autofahrbahnen umgewidmet hat. Wenn überhaupt neue Radwege entstehen, dann werden „aus Finanzierungsgründen in der Regel nur kurze Radwegsegmente angelegt“. Diese Analyse trifft auch dreißig Jahre später unverändert zu.
Als „Musterbeispiel“ für völlig verfehlten Radwegebau, „das alle genannten Fehler auf weniger als 1 km Streckenlänge aufweist“ führten die Autoren den damals gerade neu gebauten Radweg an der Viktoriastraße an. Gerade diesen Radweg hat die Stadt Bochum im Umfeld der Baumaßnahmen für das neue Musikforum an der Viktoriastraße „verbessert“. Und die Verwaltung hat es fertiggebracht, die Situation durch den Neubau des Radweges weiter zu verschlechtern. Aus „schlimm“ wurde „noch schlimmer“.
Charakteristisches Merkmal dieser Verbesserung: Noch mehr Lücken in der Radverkehrsführung bei gleichzeitiger Beibehaltung der alten Mängel. Die Grundanforderung der Straßenverkehrsordnung an Radwege lautet aber: Stetigkeit, also unterbrechungsfreie Führung.
Die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 2010) stellen darüber hinaus klare Anforderungen an die Ausführung von Radweganfang und -ende:
„An Radwegenden wird der Radverkehr durch entsprechende Bordführungen oder Schutzinseln baulich vom Kraftfahrzeugverkehr getrennt auf die Fahrbahn geführt.“
Diese Grundanforderung an Radwege wird von der Stadt Bochum bei jeder sich bietenden Gelegenheit missachtet. Es gibt in Bochum unzählige – auch neue – Radwege, die einfach irgendwann zu Ende sind und den Radfahrer ratlos da stehen lassen, wo er sich gerade vorfindet.
An der Viktoriastraße hat die Stadt Bochum gerade überall da neue Radwegenden geschaffen, wo im Verlauf des früheren Radweges die Beschilderung „Gehweg, Radfahrer frei“ aufgestellt wurde. An dieser Stelle endet der Radweg und vorher muss der Radfahrer eben „baulich vom Kraftfahrzeugverkehr getrennt auf die Fahrbahn geführt“ werden. Der Wechsel vom Radweg auf die Fahrbahn bzw. umgekehrt muss so ausgeführt sein, dass der Radfahrer den Übergang ohne Rücksicht auf den Autoverkehr vollziehen kann!
Zwischen Marienplatz und Humboldtstraße und zwischen Viktoria-Quartier und Alte Hattinger Straße gibt es stadtauswärts gar keine Radwege an der Viktoriastraße mehr. Musikforum statt Radverkehr lautet die Devise. In Gegenrichtung ist in Höhe des neuen Übergangs zum Musikforum ebenfalls der Radweg entfallen. Vorher war schon der Radweg zwischen Oskar-Hoffmann-Straße und Clemensstraße beseitigt worden. Dafür wurden andere Bruchstücke neu gebaut. Benutzungspflichtige Radwege hat die Viktoriastraße schon lange nicht mehr. Was die Stadt Bochum dabei ignoriert hat: Die baulichen Anforderungen an Radwege sind immer dieselben, egal ob mit oder ohne Benutzungspflicht. Wenn ein Radweg Mängel hat, die die Sicherheit von Radfahrern oder Fußgängern gefährden, muss er weg. Der Entfall der Benutzungspflicht löst das Problem nicht.
Die ERA verlangen noch wesentlich mehr: „Ein Radweganfang oder -ende ist auch erforderlich, wenn sich die Benutzungspflicht im Verlauf baulich angelegter Radwege ändert.“ Selbst wenn also der eigentliche Radweg gar nicht endet oder anfängt, sondern nur die Benutzungspflicht eines Radweges beginnt oder endet, muss ein baulich ausgeführter Übergang zwischen Radweg und Fahrbahn hergestellt werden. Das gibt es in Bochum derzeit gar nicht. Die ERA verlangen beim Übergang zwischen Radweg und Fahrbahn „eine Verflechtungslänge von 10 bis 20 m, die als Radfahrstreifen oder Schutzstreifen ausgeführt ist.“
Mit anderen Worten: Alle Radwege beginnen und enden auf der Fahrbahn. Für Bochum wäre das etwas ganz Neues.
Für die Viktoriastraße wäre auf der ganzen Länge, von der Königsallee bis zum Rathaus und zurück, eine geradlinige, durchgehende, konfliktfreie Radverkehrsführung erforderlich. Und Radwege dürfen nicht auf Kosten der Fußgänger angelegt werden. Die erste Pflicht der Stadt Bochum wäre also, eine ausreichende Gehwegbreite herzustellen. Davon kann insbesondere im Bereich des Bermudadreiecks mit der Außengastronomie keine Rede sein.
Nach Auskunft der Verwaltung ist die Viktoriastraße die am stärksten befahrene Straße der Stadt (21.800 Fahrzeuge pro Tag). Gerade deshalb braucht die Viktoriastraße vorbildliche Radverkehrsanlagen – in beiden Richtungen.
Als Notlösung fordert der ADFC Bochum: Alle Radwege an der Viktoriastraße aufheben und durchgängig die Beschilderung „Gehweg, Radfahrer frei“ aufstellen. Nur würde die Stadt Bochum damit eingestehen, dass sie das Geld für die stadteinwärts gerade neu gebauten oder gepflasterten Abschnitte schlicht zum Fenster hinaus geworfen hat.
Diese Stadt muss sich bewegen – am besten mit dem Rad.«