Freitag 06.05.16, 14:32 Uhr

VVN – BdA zum 1. Mai 2016 in Bochum


Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) kritisiert die Vorgänge um die Demonstration der neonazistischen NPD am 1. Mai in Bochum als „hochgradig empörend“ und erklärt in einer Pressemitteilung: »Mit dem größten Polizeiaufgebot der letzten 20 Jahre sicherten weit über tausend hochgerüstete Polizisten eine Zusammenrottung von knapp 200 Neonazis aus dem ganzen Ruhrgebiet. Dass die Polizeikräfte ihre Pistolen, Schlagstöcke, Pfefferspraydosen  und Knebelungsbänder provokativ zur Schau trug, war sicher kein Akt der Deeskalation, sondern trug ebenso wie die Wagenburgen von Polizeifahrzeugen am Hbf und den Zugangsstraßen zum Südring und Husemannplatz zur Aufheizung der Stimmung bei.
Der Bochumer Öffentlichkeit und den über 50 zum Protest aufrufenden Organisationen vom DGB bis zur VVN-BdA billigte die Polizei nur einen abgesperrten und völlig blickdichten Bereich am Kurt-Schumacher-Platz zum „Ausleben“ ihres antifaschistischen Protestes zu und später in weiter Entfernung zum Ort der NPD-Kundgebung, dem Husemann-Platz.
Im Bochumer Hbf., am Südring und am Rande des Bermudadreiecks setzte die Polizei Pfefferspray und Schlagstöcke gegen Demonstranten oder Menschen, die die Polizei dafür hielt, ein. Dem gegenüber rollte die Polizei der NPD quasi einen roten Teppich aus, damit diese ihre widerlichen Hetzparolen auf dem Marsch über den Südring und Reden auf dem Husemannplatz skandieren konnten und damit das Gedenken an den von den Faschisten ermordeten Fritz Husemann mit Füßen zu treten.
Der mehr als provokative Polizeieinsatz fand in der Festnahme und der Durchführung von erkennungsdienstlichen Maßnahmen (widerrechtlich auch gegen Minderjährige!) von 306 Personen, die dem antifaschistischen Spektrum zugeordnet wurden. Die voreilige Verlautbarung der Polizeipressestelle, wonach es in Bochum „zu schweren Ausschreitungen“ gekommen sei, fiel allerdings schon wenige Stunden später in sich zusammen, und die Polizei musste diese Darstellung zurücknehmen. Leider aber dominierte diese übereilte Darstellung dann  alle überregionale Nachrichten und die öffentliche Diskussion.
Die VVN-BdA kritisiert diesen brutalen und völlig unverhältnismäßigen Polizeieinsatz als politisch dumm und juristisch äußerst fragwürdig. Das Auftreten der Polizei richtete sich gegen den antifaschistischen Protest und unternahm von vornherein den Versuch, diesen Protest zu kriminalisieren Auch Fragen von Bahnreisenden oder Passanten wurden vielfach brüsk und barsch abgewiesen.
Die VVN-BdA kritisiert aber auch den eminenten  Widerspruch zwischen den Reden  auf der Gewerkschaftskundgebung am Morgen des 1. Mai. Mit starken Worten rief z. B. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft dazu auf, sich den Neonazis entgegen zu stellen. Aber weder sie noch Vertreter ihrer Regierung beteiligten sich in irgendeiner Weise an dem Protest. Ihr Landesinnenminister erklärte am Abend des 1. Mai sogar, er sei entsetzt über den Hass und die Brutalität (damit meinte er nicht die Nazis!), die in Bochum geherrscht habe.
Die VVN-Bund der Antifaschisten kritisiert auch die Stadtspitze und Behörden der Stadt Bochum, die es noch nicht einmal versucht haben, einen Antrag auf Verbot der NPD-Kundgebung zu stellen. Dafür hätte es gute Gründe gegeben (1. Mai, jährliche Ausschreitungen der Nazis gerade an diesem Tag, die Nähe zum Kundgebungsort des DGB, den Schutz des Husemannplatzes als des Platzes, der dem Gedenken des von den Nazis ermordeten Fritz Husemann gewidmet ist, etc.) Zumindest wäre über den Klageweg eine Änderung der Route der Nazidemo möglich gewesen.
Fazit: Der friedliche, farbenfrohe und kreativen Protest von 2500 Bochumer Bürgerinnen und Bürgern gegen den Nazi-Aufmarsch wurde vielfach ignoriert. Bei vielen, die die Ereignisse des 1. Mai nur vom Hörensagen oder aus den Medien kennen, muss der Eindruck notwendigerweise entstehen, dass die Demonstrantinnen und Demonstranten gewalttätige und aggressive Krawallmacher waren und dass „man“ sich von antifaschistischen Demonstrationen  tunlichst fernhalten sollte.
Die Vorratsdatenspeicherung von Daten friedlicher Demonstranten durch die Polizei widerspricht jeder Rechtsstaatlichkeit und entmutigt viele, an antifaschistischen Protesten teilzunehmen, um nicht auch in die polizeilichen Akten zu geraten.
Diese Ereignisse um den 1. Mai in Bochum bedürfen einer gründlichen Bewertung durch alle demokratischen, antirassistischen und antifaschistischen Kräfte. Die VVN-BdA Bochum sieht in dem vielfältigen antifaschistischen Protest gegen die Neofaschisten ein gutes und Mut machendes Zeichen für zukünftige Aktionen gegen Neofaschismus und politischen Rechtsentwicklung.«