Freitag 01.04.16, 18:17 Uhr

Demonstration für Menschenwürde


Etwa 350 Menschen waren heute dem kurzfristigen Aufruf zu einer Solidaritätsdemonstration mit den Geflüchteten gefolgt, die seit zehn Tagen vor dem Rathaus für einen menschenwürdigen Umgang mit ihnen demonstrieren. In fast einem Dutzend kurzer Grußworte machten VertreterInnen verschiedener Initiativen und Organisationen deutlich, dass sie auch weiterhin die zentralen Forderungen des Protestcamps unterstützen. Ein Sprecher der Geflüchteten bedankte sich für die große Unterstützung, die sie in den letzten Tagen erfahren haben. Das Grußwort von Jochen Bauer von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und die Solidaritätsadresse des Bahnhof Langendreer liegen elektronisch vor:
Jochen Bauer:
»Liebe Bochumer, liebe neue Mitbürger
herzlich willkommen in Bochum.
Ihr habe eine lebensgefährliche Flucht vor Krieg und Gewalt sowie wirtschaftlicher Ausbeutung hinter euch gebracht.
Bochum soll eure neue Heimat werden und ihr sollt Teil der deutschen Gesellschaft werden.
Aus Sicht der Bildungsgewerkschaft GEW ist vor allem der Bildungsbereich gefragt. Dringend notwendig sind:

  • Deutschkurse für die Erwachsenen, denn ohne Sprachkenntnisse kann man sich in einer Gesellschaft nicht frei bewegen.
  • Berufliche Qualifikationskurse damit schnell eine Integration in die Arbeitswelt erfolgen kann – und das zu den Bedingungen des Mindestlohns!
  • Schulischer Unterricht für die Kinder, die neu zu uns gekommen sind ist ein Menschenrecht. Dazu gehört die Öffnung der Berufsschulen für junge Menschen bis 25 Jahre.

Das Land NRW hat eine Million Euro zur Beschulung zugewanderter Kinder und Jugendlicher zusätzlich zur Verfügung gestellt. Dieser Betrag reicht nicht aus.
Der Bildungsforscher Roman Jaich hat in einem Gutachten berechnet, dass allein die Beschulung der Kinder der Migranten bundesweit 4,2 Mrd. Euro kosten wird.
Mit der verfehlten Steuer- und Finanzpolitik des Finanzministers Schäuble, der allein an Sparpolitik interessiert ist, ist das nicht zu schaffen.
Deshalb ist es wichtig, dass die Politiker der Regierungskoalition die Politik der „Schwarzen Null“ aufgeben.
Das Geld für Bildung und die Beschulung der Kinder ist gut investiert. Als Teil der deutschen Gesellschaft werden sie später qualifizierte Bildungsabschlüsse erhalten, gute Berufe erlernen und in Deutschland Steuern zahlen und ihren Beitrag in die sozialen Sicherungssysteme leisten.
Darin liegt eine Chance, die genutzt werden muss. Ohne wenn und aber.
Letztlich geht es um Solidarität. Die Arbeiterklasse darf sich nicht durch das Getöse der Rechtspopulisten spalten lassen. Wir haben nur einen Feind: den Finanzkapitalismus!
Glück auf«

Der Bahnhof Langendreer:
»Solidarität mit dem Protest der Geflüchteten
Seit fast zwei Wochen protestieren Geflüchtete aus gutem Grund vor dem Bochumer Rathaus. Ihnen wird wie vielen anderen Geflüchteten seit Monaten verwehrt, einen Asylantrag zu stellen. Damit wird das Grundrecht auf Asyl durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge faktisch außer Kraft gesetzt. Stattdessen müssen viele Geflüchtete seit Monaten unter sehr schlechten Bedingungen in Notunterkünften ausharren – in nur durch Bauzäune abgetrennten Parzellen mit fremden Menschen, ohne Privatsphäre, ohne eine einzige ruhige Nacht, ohne weitergehenden Zugang zu Sprach- und Integrationskursen, ohne das Recht sich eine Wohnung zu suchen, ohne arbeiten oder studieren zu dürfen, und sogar ohne eine Terminzusage, wann endlich ein Asylantrag gestellt werden kann. Dies ist nicht akzeptabel.
Die Forderungen der Geflüchteten sind mehr als berechtigt:

  • Die Asylverfahren müssen bei voller Wahrung der Rechte der Betroffenen beschleunigt werden. Alle Geflüchtete sollten zeitnah einen Anhörungstermin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erhalten.
  • Eine Erlaubnis zur Anmietung von privaten Wohnungen sollte großzügig gewährt werden, um die unerträgliche Unterbringungssituation in Turnhallen zu beenden. Turnhallen und große Gemeinschaftsunterkünfte verschlechtern den gesundheitlichen und psychischen Zustand von Flüchtlingen. Deshalb sind dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten erforderlich.
  •  Der Zugang zu Sprach- und Integrationskursen ist allen Geflüchteten zu gewähren, auch, um die Voraussetzung zur Integration zu verbessern.
  • Der Zugang zu Arbeit, Ausbildung und Studium ist für alle hier lebenden Menschen zu gewährleisten.

Der Bahnhof Langendreer unterstützt die Forderungen der Protestierenden. Wir fordern die Zuständigen, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Stadt Bochum auf, sich den Forderungen der Protestierenden anzunehmen und für eine schnelle und nachhaltige Verbesserung der Situation zu sorgen.«