Das Bochumer „Bündnis gegen Rechts“ lädt am Dienstag, den 13. Oktober um 19.30 Uhr zu einer Veranstaltung mit Ulrich Chaussy in das ver.di-Haus, Universitätstrasse 76 ein. Die Veranstaltung trägt den Titel des neuen Buches von Ulrich Chaussy: Oktoberfest – Das Attentat. Es geht um das Attentat auf dem Münchner Oktoberfest, das sich am 26. September 1980 ereignet hat. Es war der blutigste Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik: 13 Tote und mehr als 200 zum Teil Schwerverletzte waren Opfer der Bombenexplosion. Sehr schnell wurde damals von den untersuchenden und beteiligten Institutionen, dem BKA, den Verfassungsschutzbehörden und den Landeskriminalämtern ein Einzeltäter zum alleinigen Ausführenden des Bombenattentats erklärt: Gundolf Köhler. Dieser war eine Zeitlang Mitglied der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ und auch sonst in Neonazikreisen aktiv.
Obwohl dies den ermittelnden Behörden klar war, wurde die These des Einzeltäters in der Öffentlichkeit vertreten:Gundolf Köhler hätte aus Liebeskummer (!) und wegen einer verpatzten Prüfung (!) Selbstmord begehen wollen und deshalb die Bombe in einem Papierkorb am Eingang zum Oktoberfest plaziert. Heute weitgehend vergessen sind die ersten öffentlichen Reaktionen der damaligen CSU-Parteispitzen. Der damalige Generalsekretär der CSU Gerold Tandler schrieb die Verantwortung für das Attentat der RAF (Rote Armee Fraktion) zu.
Es war das Jahr der Bundestagswahl: Franz-Josef Strauß wollte Bundeskanzler werden, mit der Parole „Freiheit statt Sozialismus“ kämpfte er gegen Helmut Schmidt. Da passte es gut, nicht über Neonazis zu reden, sondern die RAF verantwortlich zu machen. Ulrich Chaussy hat frühzeitig Zweifel an den Ergebnissen der Ermittler über die Hintergründe des Bombenattentats von 1980 geäußert und belegt, dass nicht konsequent in der militanten rechten Szene ermittelt worden ist.
Seit Dezember 2014 hat der Generalbundesanwalt entschieden, die Ermittlungen über das Attentat wieder aufzunehmen. Neue Zeugen sind aufgetaucht, es gibt Anhaltspunkte dafür, dass eine zweite Explosion stattgefunden hat:die Theorie des Einzeltäters gerät ins Wanken. Vergleiche und Parallelen zur Aufdeckung der Mordserie des„NSU“(„Nationalsozialistischer Untergrund“) drängen sich auf. Auch die Gruppe des „NSU“ kann nicht ohne Unterstützung aus einem breiten Umfeld mehr als 7 Jahre im Untergrund gelebt habe. Vom Verfassungsschutz geführte „V-Leute“ waren dicht an der Gruppe dran und trotzdem konnten 10 Morde geschehen.
Die Ermittlungsversäumnisse und Vertuschungen von Polizei, Staatsanwaltschaften und Geheimdiensten im Fall des „NSU“ sind eben nicht neu. Schon 1980 wurde durch die Theorie des Einzeltäters das Gefahrenpotential der militanten Rechten verharmlost und verdrängt. Ulrich Chaussy wird seine neuesten Rechercheergebnisse vorstellen und seine Indizien dafür vorlegen, dass es Mittäter gegeben hat. Die Veranstaltung vom „Bündnis gegen Rechts“ wird unterstützt vom Kinder- und Jugendring Bochum und der VVN-BdA Bochum.
Mittwoch 07.10.15, 08:49 Uhr
Vortrag von und Diskussion mit Ulrich Chaussy
Ehrlich gesagt verwundert mich die herangehensweise an das Oktoberfestattentat, NSU etc. von linker Seite immer wieder. Es geht hier nicht darum, dass der Staat rechtsextreme terroristische Umtriebe oder Milleus verharmlost, vertuschen will oder dergleichen. Das ist doch etwas zu naiv gedacht, wie ich finde.
Es handelt sich hierbei vielmehr um Staatsterrorismus. Rechte Strukturen werden von Geheimdiensten infiltriert, gefördert und mit aufgebaut, um sie als Werkzeug zu verwenden.
Wer sich nur ein bisschen mit dem NSU-Fall beschäftigt und die zahlreichen geleakten Dokumente von Behörden/ Diensten durchforstet, der wird schnell feststellen, dass es das “NSU-Trio” so nie gegeben hat und es relativ unwahrscheinlich ist, dass die 3 Personen auch nur an einem der Mordfälle direkt beteiligt waren (wofür es im übrigen auch nichtmal Beweise gibt). An Banküberfällen, sowie Bombenbau etc. sehr wahrscheinlich schon.
Je mehr man sich mit allen Ungereimtheiten befasst und die Leaks studiert, desto mehr zeichnet sich ebenfalls ab, dass das alles einem riesigem (grenzüberschreitendem!) Sumpf aus organisierter Kriminalität, Geheimdiensten und braunen Strukturen entspringt, der stellenweise nahtlos auch an Gladio anknüpft (wo wir wieder beim Oktoberfestattentat wären).
Ernsthafte Beschäftigung damit sucht man in linken Kreisen größtenteils leider vergebens! Aber es ist natürlich auch bequemer sich nur oberflächlich damit zu beschäftigen. Alles was über “Staat verharmlost Rechte” hinausgeht scheint vielen einfach zu komplex. Schade!
@Rioja guter Kommentar.
Das Problem ist Verhältnis vieler Linker zum Staat. Im Gegensatz zu vielen Anarchist*innen haben sie nämlich keine tiefgreifende Analyse dieser Institution oder den Auswirkungen von Hierachien und Herrschaftsstrukturen. Es geht ihnen oft immer nur darum Köpfe zu ersetzen anstatt zu erkennen, dass die Institutionen an sich das Problem sind. Meiner Meinung nach liegt, dass oft an den Folgen, die sich daraus ergebenden Schlüsse. Wenn ich Geheimdienste, Polizei und Staat nicht „demokratisch reformieren“ (was auch immer das sein soll), muss ich überlegen wie wir ohne sie leben können, was aber ein ganz andere Art des Zusammenleben wäre. Dafür wären radikale Änderungen erforderlich und Radikalität schreckt leider viele Menschen (auch in der Linken) ab.
Die wenigsten Linken habe außerdem Alternativkonzepte und mit den anarchistischen Ideen dazu wollen sich viele nicht auseinandersetzen.