Mittwoch 03.06.15, 16:25 Uhr

Sperrklausel gegen kleine Parteien?


Die Soziale Liste schreibt: »Die neuerliche Diskussion der Landesparteien SPD, CDU und Grüne für eine neue Drei-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen ist kein Beitrag, der sich ausbreitenden „Politikverdrossenheit“ und der sinkenden Beteiligung an den Kommunalwahlen entgegen zu wirken. Im Gegenteil, rund 15 % der Wähler der letzten Kommunalwahl in NRW (Bochum 11 %) mittels einer Drei-Prozent-Sperrklausel auszugrenzen und ihnen die Vertretung in den Räten zu verweigern, ist kein Beitrag zur Stärkung der Demokratie und Selbstverwaltung (Artikel 28 Grundgesetz).
Die jahrelangen Bemühungen der Landes-SPD, den Einzug von kleineren Parteien und Wählervereinigungen in die Kommunalparlamente zu erschweren, sollen jetzt mit einem Gutachten von Prof. Dr. Jörg Bogumil (RUB-Bochum) unterstützt werden. Auf 91 Seiten wird in dem Gutachten versucht den Eindruck zu erwecken, dass nach dem Wegfall der Sperrklausel 1999 die Arbeit und Funktionsfähigkeit der Städte, Gemeinden und Kreistage gestört ist. Konkret belegt und begründet wird das nicht. Stattdessen wird immer wieder auf die Befragung der Bürgermeister und Landräte verwiesen.
Diese kommen zu dem vernichtenden Urteil: „Nicht koalitionsfähig, nicht mehrheitsfähig, aber inhaltlich überfordert“ und attestieren den kleineren Fraktionen, Gruppen oder fraktionslosen Mitglieder ein „niedriges Informationsniveau“ und eine geringere Professionalisierung (Seite 60/61). Das von den Kleinen Themenfelder besetzt werden, die von etablierten Parteien nicht berücksichtigt werden, ist eigentlich im Wesen der Demokratie begründet, wird aber in den Gutachten negativ bewertet (Seite 53). Im Gutachten heißt es: „Fragt man Bürgermeister vor dem Hintergrund der laufenden Beratungen im Landtag nach ihrer Meinung zur Wiedereinführung der Sperrklausel, ist das Bild eindeutig. 91% der Befragten befürworten über die Parteigrenzen hinweg die Wiedereinführung“ (Seite 59). Unbeantwortet bleibt die Frage, ob die Etablierten nur lästige Fragen und Probleme aus den Räten verbannen wollen.
Am Ende kommt Bogomil, der in den 1980er Jahren Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bochumer Rat war, zu dem Schluss: „Eine kommunale Sperrklausel von 3% bei Rats- und Kreistagswahlen erscheint aus der Sicht der Autoren zwingend erforderlich zu sein. Die Frage warum dies in NRW unbedingt notwendig sein soll, in den meisten Bundesländern aber keine Sperrklausel existiert, bleibt völlig unbeachtet.
Die Begründung der großen NRW-Landesparteien, eine neue Sperrklausel sei notwendig, sonst würden die Städte und Gemeinden „unregierbar“, ist aus Sicht der Sozialen Liste völlig überzogen und unschlüssig. Auch in Bochum hat sich gezeigt, dass die Vielfalt zwar zu mehr Diskussionsbedarf und manchmal auch zu erhöhtem Abstimmungsbedarf geführt hat, dem steht aber positiv eine höhere Beteiligung verschiedener politischer Kräfte an der konkreten Kommunalpolitik entgegen. „Nachtsitzungen“ oder „chaotische Zustände “, wie in der Öffentlichkeit kolportiert, hat es jedenfalls zu keinem Zeitpunkt gegeben.
Günter Gleising, Ratsmitglied und Oberbürgermeisterkandidat der Sozialen Liste: „Es handelt sich ganz offensichtlich um ein Gefälligkeitsgutachten, das den Auftraggeber, die SPD-Landtagsfraktion, sicher zufrieden stellen wird. An der Sicht des Bundes- und des Landesverfassungsgerichtes, die zuletzt immer wieder gegen Sperrklauseln geurteilt haben, dürfte sich durch das Bogomil-Gutachten nichts ändern.
Die Soziale Liste befürchtet aber, dass der politische Schaden durch die Diskussion groß ist. Die Bemühungen der großen Landesparteien für eine neue kommunale Sperrklausel ist kein Beitrag für die Demokratie, sondern ein Beitrag zum Abbau demokratischer Rechte und zu Politikverdrossenheit! «