GewerkschafterInnen für Frieden und Solidarität Demonstration und Kundgebung am 9.Mai 2015 in Bochum
Sonntag 10.05.15, 12:16 Uhr

Horst Schmitthenner


Horst SchmitthennerEs gilt das gesprochene Wort!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
in der Tat: es ist an der Zeit und wir sagen, Krieg und Militär
lösen keine Probleme.
Kriege kommen nicht über uns, sie werden verbreitet und
gemacht.
Die aktuelle weltweite Kriegslandschaft von Mali über den Sudan
dem Horn von Afrika, Libyen, Jemen, Naher Osten, Gaza,
Syrien, dem Irak, der Ukraine und Afghanistan zeigt die
Sinnlosigkeit militärischer Intervention.
Nirgendwo haben Kriegseinsätze zu mehr Frieden, Demokratie
oder Stabilität geführt, sondern nur soziale Verwüstungen
angerichtet.
Dennoch: für die heute Verantwortlichen werden Militär und
Krieg wieder zunehmend zum Mittel der Politik. Die Bundeswehr
wird seit Jahren für internationale Kriegsführungsfähigkeit und für
weltweite militärische Intervention umgerüstet.
Die höchsten Spitzen des Staates beanspruchen wieder eine
deutsche Großmachtrolle in der Welt.
Die Friedensbewegung, wir als Teil davon, findet das nicht nur
falsch, sondern auch obszön.
Seit der Münchner Sicherheitskonferenz Ende Januar 2014
wissen wir es noch genauer.
Deutschland soll „die Kultur der Zurückhaltung“ endlich
überwinden, es soll die USA bei der Verteidigung „der freien
und friedlichen Weltordnung“ nicht alleine lassen.
Wir sollen stärker als bisher „Verantwortung“ übernehmen,
notfalls auch mir militärischer Gewalt.
Tatsächlich hat Deutschland sich seit seiner Beteiligung am
völkerrechtswidrigen Jugoslawien-Krieg längst aktiv an
Angriffskriegen beteiligt. Dies allerdings stets gegen den Willen
der eigenen Bevölkerung. Sie lehnt mit einer überwältigenden
Mehrheit von 75 % deutsche Kriegseinsätze weiterhin ab.
Das ist gut so.
Wir brauchen keine „Auslandseinsätze“.
Wir brauchen auch keine milliardenschweren Rüstungsgüter wie
Eurofighter, Military-Airbusse, Atombomber, Drohnen,
Raketenabwehrsysteme, Kampf- und Transporthubschrauber,
Marschflugkörper, Schützenpanzer, Fregatten und Korvetten,
U-Boote, Laser- und Streubomben.
Auch wir sind dafür mehr Verantwortung zu übernehmen.
Aber mehr Verantwortung für den Frieden überall in der Welt.
Wir brauchen eine vorausschauende Friedenspolitik, die weltweit
auf Beseitigung der Konfliktursachen gerichtet ist.Die Versuche,
die Probleme der Welt militärisch zu lösen, sind opferreich
gescheitert.
Denn wir haben aus der Geschichte gelernt:
Krieg löst keine Probleme.
Zu einem gesicherten Frieden gehören nichtmilitärische
Konfliktlösungen, internationale Zusammenarbeit, Abrüstung,
Wahrung der Menschenrechte und des Völkerrechts.
Wir wollen die Beendigung der Rüstungsproduktion und ihre
Umstellung auf zivile Produktion. Wir wollen Rüstungskonversion
und die Einstellung der Rüstungsexporte. Oft wird die Forderung
nach Einstellung der Rüstungsexporte und der
Rüstungsproduktion mit dem notwendigen Erhalt der
Arbeitsplätze in diesem Bereich zurückgewiesen.

Kolleginnen und Kollegen,
ich frage, müssen wir auf Rüstungsexporte setzen um
Beschäftigung zu sichern? Die Fakten jedenfalls sprechen
dagegen. Lediglich 80.000 Arbeitsplätze sind von der
Rüstungsproduktion abhängig. Das ist schon angesichts der
3,4 Mio. Beschäftigten in der Metallindustrie sehr überschaubar
und zu bewältigen. Und angesichts der über 40 Mio.
Beschäftigten in der Gesamtwirtschaft leicht denkbar, dass
Ersatzarbeitsplätze zu schaffen sind. Der Anteil der
Rüstungsexporte an allen Ausfuhren liegt unter 1 %.

Der Titel des Exportweltmeisters ließe sich auch locker ohne
Rüstung holen.

Kolleginnen und Kollegen,
es stimmt: Wohlstand und Arbeitsplätze hängen in diesem Land
nicht von der Rüstungsindustrie und nicht vom Export von
Waffen ab. Was fehlt ist der entschiedene Wille der Politik, aber
auch der Gewerkschaften, die Rüstungskonversion wirklich
ernsthaft zu betreiben.

Für Toleranz und Demokratie!

Kolleginnen und Kollegen,
Solidarität und Sicherheit sind unverzichtbare Stützen einer
solidarischen Gesellschaft.
Wo sie wanken, geraten Demokratie und Toleranz in Gefahr.
Und wo Zukunftsängste und verweigerte Anerkennung um sich
greifen, schlägt die Stunde der großen Vereinfacher. Es beginnt
mit einfachen Antworten auf komplizierte Fragen, es folgen
Intoleranz und Sündenbocktheorie!
Und nur allzu oft endet es mit Terror gegen Andersdenkende und
Anschläge auf die Demokratie.
Das lehrt uns gerade die deutsche Geschichte.
Noch in den 50-ziger und 60-ziger Jahren haben viele
Politikerinnen und Politiker den 8. Mai als Tag der Niederlage
gesehen. Das hat sich aufgrund einer intensiven Aufarbeitung
geändert. Heute bewertet die überwiegende Mehrheit der
Gesellschaft den 8. Mai als Tag der Befreiung.
Dies gilt auch für alle demokratischen politischen Parteien und
relevanten gesellschaftlichen Organisationen. Dennoch gibt es
keinen Grund die Wachsamkeit aufzuheben, denn am rechten
Rand des politischen Spektrums gibt es bis heute
neonazistische, rechtsextreme und rechtspopulistische Kräfte,
die in unterschiedlicher Erscheinungsform zu unterschiedlichen
Zeitpunkten und in unterschiedlichen Regionen auftreten. Auch
70 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus ist das
rechtsextreme und ausländerfeindliche Gedankengut in
Deutschland und in Europa nicht vollständig überwunden.
Mal sind es ausländerfeindliche und antisemitische Übergriffe,
mal sind es Wahlerfolge der NPD, dann sind es sogar
unfassbare Terrorakte und Morde der NSU, mal sind es
sogenannte schwarze Kameradschaften, die rechtsextremes
Gedankengut auf dem flachen Lande huldigen. Und immer
häufiger werden Flüchtlingsheime angegriffen, wie kürzlich in
Tröglitz in Sachsen-Anhalt.
Und wieder gebärden sich die großen Vereinfacher und
präsentieren sich unter dem Banner PEGIDA als Beschützer des
Abendlandes.
Menschen, die vor Terror, Krieg und Gewalt zu uns fliehen,
werden zu Aggressoren erklärt.
Wir machen diese Hetze gegen die, die Schutz suchen nicht mit.
Wir sagen „Nein“ zu Ausgrenzung, Fremdenhass und Intoleranz!

Kolleginnen und Kollegen,
wer über Arbeitslosigkeit und Hartz IV klagt, wer gegen soziale
Armut hier und perverse Reichtümer dort klagt und wer
Ungerechtigkeiten und soziale Kälte nicht länger hinnehmen
möchte, der hat uns an seiner Seite.
Aber wer auf der Flamme sozialer Zukunftsängste seine braune
Suppe kochen will, dem treten wir entgegen!
Mit Mut und Entschlossenheit und mit Fakten und Aufklärung!
Wir wissen: der Sieg über den alten und neuen Faschismus
muss in den Köpfen gewonnen werden.
Viele Aktivisten haben Springerstiefel und Bomberjacken gegen
feinen Zwirn getauscht.
Sie präsentieren sich als Kämpfer für soziale Gerechtigkeit und
als Anwälte der Resignierten.
Entlarven wir ihre Lügen – Nazis sind keine Sozialarbeiter,
sondern Propagandisten einer menschenverachtenden
Ideologie.
Wir sagen heute – 70 Jahre nach dem Ende der Nazi-Diktatur:
Faschismus hat so wenig mit sozialer Gerechtigkeit zu tun wie
Auschwitz mit freier Arbeit!
Wir sagen “Nein“!
Nein“ zur Hetze gegen Minderheiten, wir sagen „Nein“ zu
Rassismus!
Wir sagen „Ja“ zu Toleranz und Respekt!
Und wir sagen „Ja“ zu einer sozialen Demokratie, in der
Gerechtigkeit, Menschenwürde und der Kampf für Frieden und
Abrüstung keine leere Phrasen sind.

Kolleginnen und Kollegen,
unser Engagement gegen rechts kann sich nicht nur auf
notwendige Gegendemonstrationen beschränken. Engagement
gegen rechts beginnt im Alltag und im Betrieb, wenn
irgendjemand rechtsradikale oder ausländerfeindliche Sprüche
klopft. Hier ist nicht Weghören, sondern aktives Widersprechen
erforderlich. Je mehr Menschen dies tun, desto eher werden wir
rechtsextreme Tendenzen im Betrieb und in der Gesellschaft
überwinden.

Die Krise Europas überwinden
Kolleginnen und Kollegen!
Wenn ich heute nach Europa schaue, dann fällt mir ein Satz vom
großen deutschen Dichter Heinrich Heine ein.
Heute könnte er abgewandelt lauten: „Denk ich an Europa in der
Nacht, so bin ich um den Schlaf gebracht.“
Früher, ja früher, da stand Europa für die Hoffnung auf eine
grenzenlose Zukunft; für die Hoffnung auf Wohlstand, Freiheit und
Demokratie!
Doch was ist daraus geworden?
Heute steht Europa für Millionen seiner Bürgerinnen und Bürger nicht
mehr für eine grenzenlose Zukunft.
Heute steht Europa für eine Zukunft in grenzenloser Unsicherheit!
Ist das unser Europa? So frage ich.
Man zwingt Menschen für lebensnotwendige Dinge auf die Straße zu
gehen, weil sie ihnen im Namen von Bankenrettung und
Schuldenabbau verweigert werden.
ln manchen Teilen Südeuropas hat mehr als die Hälfte aller jungen
Menschen keinen Job.
Große Teile der Gesellschaft verarmen und einer ganzen Generation
fehlt die Perspektive.
Ein nachhaltiges Konzept zur Krisenbewältigung – das aber fehlt!
Stattdessen werden Sozialleistungen radikal gekürzt und die Rechte
der Parlamente beschnitten.
Kein Zweifel: Viele Probleme sind auch hausgemacht; sind Resultat
einer falschen Politik in den Schuldenstaaten.
Aber ich frage: Warum sollen Beschäftigte, Rentner, Arbeitslose und
vor allem die Jugend dafür büßen;
durch Arbeitsplatzverluste, Lohnsenkung und Rentenklau?

Nein, Kolleginnen und Kollegen, das ist nicht unser Europa!
Unsere Botschaft nach Berlin und Brüssel ist eindeutig:
Buhlen Sie nicht um das Vertrauen der Märkte, werben Sie um die
Zustimmung der Menschen.
Setzen Sie die Finanzmärkte – und nicht die Sozialstaaten unter
Druck!
Damit unser Europa eine Zukunft bekommt – braucht Europa kein
„Weiter-So“;
Europa braucht einen radikalen Politikwechsel:
Verschuldete Staaten müssen durch faire Zinsen und öffentliche
Investitionen unterstützt werden.
Statt Sparprogramme zu erzwingen, müssen Wachstumsprogramme
gefördert werden!
Das braucht Europa – und nicht „Privilegien-Schutz“ und Sozialabbau!
Ein soziales,
– ein gerechtes, friedfertiges und friedenschaffendes
– ein demokratisches Europa –
dafür treten wir ein und davon werden wir nicht lassen!
Und wenn die Menschen in Griechenland, Spanien, Portugal und
anderswo in Europa dafür kämpfen, dann ist unser Platz an ihrer Seite
An ihrer Seite und nirgendwo anders!

Gegen die Spaltung der Welt
Kolleginnen und Kollegen,
an den Grenzen Europas sterben die Menschen.
Männer, Frauen und Kinder, die nichts anderes suchen als eine
sichere Zukunft für sich und ihre Familien.
Live und in Farbe müssen wir mit ansehen, wie die, die vor Hunger,
Tod und Vertreibung fliehen, nicht den sicheren Hafen Europa
erreichen, sondern in den Fluten des Mittelmeers jämmerlich
ertrinken.
Das ist unerträglich! Das Sterben im Mittelmeer muss aufhören und
zwar sofort!
Wir wollen von den Politikern in Brüssel und in den Hauptstädten
Europas keine Beileidsbekundungen mehr hören. Wir wollen endlich
Taten sehen:
Das Einsatzgebiet der Seenotrettung muss ausgeweitet werden.
Und die unsägliche europäische Abschottungspolitik muss beendet
werden: Wir brauchen legale und sichere Wege für Flüchtlinge nach
Europa.
Und wenn die Bekämpfung der Fluchtursachen nicht nur ein
Lippenbekenntnis von Politikern bleiben soll Kolleginnen und
Kollegen, dann muss die Kluft zwischen Wohlstands- und
Armutszonen kleiner werden. Das hilft, und eben nicht militärischen
und kriegerische Maßnahmen.
Und lassen wir uns auch hier nicht erzählen, mehr Gerechtigkeit sei
nicht zu finanzieren.
Geld ist da, doch die Verteilung stinkt zum Himmel!
lm Jahr 2016 wird nur 1 % der Bevölkerung mehr Vermögen besitzen,
als der Rest der Welt zusammengenommen.
Unvorstellbar!
Wenn wir diese Vermögen wenigstens so versteuern wie die
Einkommen der Arbeiter-innen und Angestellten und das Geld nehmen
würden, um die Kluft zwischen den Wohlstands- und Armutszonen zu
verkleinern, kämen wir schon ein gutes Stück vonıvärts.
Und wenn wir die vielen 1.000 Mrd., die wir für Militär und Rüstung
verpulvern dazu nähmen, würden wir nicht nur die Gerechtigkeit
finanzieren, sondern noch was übrig haben, um andere sinnvolle soziale
Projekte finanzieren zu können.

Kolleginnen und Kollegen,
wir sind der friedlichen Entwicklung und der internationalen Solidarität
verpflichtet.
Aber heute endet unser Blick zu oft am Gartenzaun der eigenen
Sorgen.
Ja, es geht um den Kampf gegen Arbeitslosigkeit, Armut und
Demokratieabbau bei uns ~ selbstverständlich!
Aber es geht auch um die Überwindung einer Wirtschaftsordnung, die
die Welt in Menschen mit und ohne Lebenschancen teilt.
Nicht Menschenwürde und internationale Solidarität, sondern dieser
Finanzmarkt~Kapitalismus, der Menschen verachtet und die Natur
zerstört, ist ein Irrtum der Geschichte.
Und deshalb wird es höchste Zeit, dass er von der historischen Bühne
abtritt. Je früher – desto besser!

Für eine soziale Bewegung der Solidarität
Kolleginnen und Kollegen!
Ich weiß, die Zeiten sind schwierig, wenn es darum geht für Abrüstung,
Konversion, zivile Konfliktbearbeitung und, weil das die Voraussetzung
ist, für Gute Arbeit, Solidarität und soziale Demokratie zu streiten, und
in Deutschland, in Europa, überall auf der Welt dafür zu mobilisieren.
Herkules-Aufgaben allesamt!
Wer soll das alles durchsetzen, wer hat die Kraft und den Mut?
Darauf gibt es nur eine Antwort: Wir!
Diesen Kampf werden wir führen müssen, den wird uns keiner
abnehmen.
Dabei treffen wir nicht nur auf Widerstand der Reichen und
Einflussreichen!
Wir treffen auch auf Zuspruch und Ermutigung von Vielen.
Ich habe dabei eine Hoffnung:
Vielleicht wächst in unserem Kampf auch die Überzeugung, dass wir
als Friedens- und Gewerkschaftsbewegung für ein weitergehendes
Ziel angetreten sind.

Gestern wie heute streiten wir: Für eine Gesellschaft, in der Solidarität
und Humanität nicht immer wieder gegen die Profit- und
Machtinteressen einer kleinen Minderheit durchgekämpft werden
müssen.
Das wäre zweifelsohne eine Gesellschaft jenseits der Zwänge des
heutigen Kapitalismus.
Diese Hoffnung wahr werden zu lassen, dafür ist die Friedens- und
Arbeiterbewegung angetreten.
Eine uralte Hoffnung, aber zugleich hochaktuell!
Auf geht’s!
Kolleginnen und Kollegen,
weiter geht’s, unser gemeinsamer Kampf lohnt sich.
Es lebe die Friedensbewegung.
Hoch die internationale Solidarität