Rede am 8. Mai 2015 auf dem Friedhof am Freigrafendamm
Samstag 09.05.15, 11:58 Uhr

Michael Niggemann, VVN – BdA Bochum



Wenn man an den Widerstand gegen den Faschismus denkt, fallen einem erst einmal bekannte Namen ein, wie z.B. Stauffenberg, oder – gerade aktuell durch die Verfilmung seines Lebens – Georg Elser.

Aber dass es in den Städten und Dörfern auch Widerstand gab, ist vielen Menschen kaum mehr in Erinnerung, da dieser Widerstand leider bereits kurz nach dem Krieg kleingeredet und verschwiegen wurde.

Umso wertvoller ist die Erinnerung an Bochumer Widerstandskämpfer, die in Konzentrationslagern bzw. Zuchthäusern der Faschisten umgebracht wurden.

Wir stehen hier am Ehrenrundplatz, eine der wenigen Gedenkstätten in Deutschland für die im allgemeinen Bewusstsein vergessenen Widerstandskämpfer. An dieser Stelle, wo sich die Hauptwege des Friedhof treffen, an diesem besonderen Platz, gedenken wir 8 Widerstandskämpfern gegen Faschismus und Krieg, die der linkssozialistischen und kommunistischen Arbeiterbewegung angehörten.

Sie waren – wie viele andere – in Bochumer Betrieben und Zechen verankert und kämpften bereits vor 1933 gegen Hitler und seine Bewegung.

Die Leitungen der Betriebe unterstützten häufig die Nazis indem sie sie u.a. finanzierten. Aber große Teile der Beschäftigten stellten sich dem drohenden Faschismus entgegen. Eine Vielzahl von ihnen wurde dafür gemaßregelt oder entlassen!
Die ersten Ziele des Nazi-Terrors waren die Arbeiterbewegungen. Schon im Februar und März 1933 wurden Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter das Ziel von Terror, Verfolgung und Gewalt. Sie wurden in zahlreichen Bochumer Folterkellern und dem früheren KZ Gibraltar gequält und schon bald in die Konzentrationslager Dachau, Papenburg und Oranienburg verlegt, in die hunderte Bochumer und Wattenscheider verschleppt, viele misshandelt und eine Unzahl ermordet wurden.

Bald folgten die ersten Pogrome gegen jüdische Bürger, Bücher wurden verbrannt, die Gewerkschaften verboten. Es bewahrheitete sich die Erkenntnis, die in großen Teilen der Arbeiterschaft verankert war: „Hitler bedeutet Krieg“.

Diese Kissensteine stehen für acht Arbeiter, die sich trotz Lebensgefahr dem faschistischen System widersetzten, sie leisteten Widerstand gegen den Krieg. Sie informierten sich verbotenerweise über ausländische Sender und schlossen sich in Gruppen zusammen. Im Schutze der Nacht verbreiteten sie Flugblätter und Handzettel und riefen zum Sturz von Adolf Hitler auf, den sie als einen „Bluthund“ bezeichneten. Sie sind ihrer Überzeugung treu blieben und bezahlten ihren antifaschistischen Einsatz mit dem Leben. Aber ihr Tod ist nicht vergessen. Ihr Vermächtnis lebt in uns fort. Die Kommunisten Moritz Pöppe und Johann Schmidtfranz waren jahrelang die Köpfe Bochums größter und aktivster Widerstandsgruppe während des 2. Weltkrieges. Mitglieder der Pöppe/Schmidtfranz-Gruppe verbreiteten Nachrichten von BBC und Radio Moskau, gaben von alliierten Flugzeugen abgeworfene Flugblätter weiter und verteilten selbstgefertigte Zettel mit der Aufschrift: „Nieder mit dem Bluthund A. Hitler“.

Nun einige Erklärungen zu diesem Ehrenrundplatz: Die Gedenkstätte wurde bereits 1947 von der VVN, die in Bochum bereits im Jahre 1946 gegründet wurde, und der Stadt Bochum geschaffen und durch die Urnenbeisetzung von 7 Bochumer Widerstandskämpfern am 23. März 1947 eingeweiht. Eine weitere Urne wurde am 13. September 1947 von Dortmund zum Ehrenrundplatz umgebettet Die acht Kissensteine stehen auch stellvertretend für alle Opfer des Faschismus. Zur gleichen Zeit veröffentlichte die VVN eine Zusammenstellung von 223 Namen von Bochumer Opfern der Nazigewalt aus allen politischen, sozialen und weltanschaulichen Lagern.

Der Platz, der 1947 noch am Rande des Friedhofes lag, wurde im Jahr 2008 neu gestaltet und bepflanzt – nach jahrelangen Bemühungen von Angehörigen und überlebenden Antifaschisten. Der von der VVN gestiftet Gedenkstein, der von Käthe Wissmann entworfen und von dem Steinmetz Rüttershof aus Castrop-Rauxel geschaffen worden ist, wurde aufgestellt.

Der obere Teil der Stele aus Sandstein zeigt ein Dreieck, das an die Kennzeichnung der KZ-Häftlinge erinnern soll. Dieses Dreieck, gemeint ist das rote Dreieck, das auch das Zeichen der VVN ist, geht auf die politischen Häftlinge zurück, die damit im KZ gekennzeichnet wurden.

Die Stele hat die Inschrift: „Zum Gedenken an die ermordeten Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime“

Eine Gedenkveranstaltung der VVN findet hier ununterbrochen seit 1947 statt.

Ich bitte jetzt um einige Augenblicke der Stille, während ich die Namen und Daten der Arbeiter vorlese:

Friedrich Hömberg,
geb. 1912, umgebracht im Alter von 31 Jahren am 4.10.1943

Josef Langner,
geb. 1900, umgebracht im Alter von 43 Jahren am 13.12.1943

Bernhard Nast,
geb. 1900, umgebracht im Alter von 42 Jahren am 22.12.1942

Moritz Pöppe,
geb. 17.11.1897, umgebracht im Alter von 47 Jahren am 6.11.1944

Johann Schmidtfranz,
geb. 20.2.1898, umgebracht im Alter von 46 Jahren am 6.11.1944

Wilhelm Schpenk,
geb. 1900, umgebracht im Alter von 44 Jahren am 2.5.1944

Wilhelm Thiesbürger,
geb. 1915, umgebracht im Alter von 28 Jahren am 15.1.1943

Erich Schröder,
geb. 1897, umgebracht im Alter von 40 Jahren am 8.2.1937.

Die Urne von Erich Schröder wurde am 13.9.1947 von Dortmund zum Ehrenrundplatz umgebettet.

Ohne die Widerstandskämpfer, die Toten und die Überlebenden, ohne die, die auf dem Appellplatz im KZ Buchenwald den Schwur leisteten „Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg“, wäre der Neubeginn schwer möglich gewesen. Ihr beispielhafter Kampf war ein wesentlicher Grundpfeiler für den Wiederaufbau nach 1945.

Im Jahr 2010 wurde das Denkmal geschändet. Spuren sind noch heute zu sehen.