Donnerstag 23.04.15, 17:05 Uhr
Mieterverein kritisiert geplante Grundsteuer-Anhebung:

Rechnerisch falsch, unsozial
und unvernünftig


Der Mieterverein Bochum hat die geplante Anhebung der Grundsteuer B um 155 auf dann 800 Punkte scharf kritisiert und schreibt: »Grundsteuern werden zwar ausschließlich von Hauseigentümern erhoben, über die Nebenkosten aber an die Mieter weitergegeben. Geschäftsführer Michael Wenzel: „Seit Jahren wird immer wieder an der Steuer- und Gebührenschraube gedreht. Straßenreinigung, Müllabfuhr, Wasser und Entwässerung und eben auch die Grundsteuer werden jedes Jahr weit über die Inflationsrate hinaus angehoben. Wer das Wohnen immer wieder verteuert, schadet der Stadt.“
Der Mieterverein bemängelt unter anderem, dass die Kämmerei mit nicht repräsentativen Zahlen versucht, die Folgen ihrer Politik zu verharmlosen. So werde angeblich ein 100-qm-Eigenheim um 117 Euro pro Jahr teurer, eine durchschnittliche Mietwohnung um 36 bis 64 Euro. Wenzel: „Wenn man das aufaddiert, kommt man niemals auf 20 Millionen Euro Mehreinnahmen.“
Der Mieterverein macht folgende Rechnung auf:
Ausweislich des aktuellen Wohnungsmarktberichtes gibt es in Bochum 48.800 selbstnutzende Eigentümer-Haushalte. Wenn diese durchschnittlich 117 € mehr zahlen würden, ergäbe das in der Summe 5,7 Mio. Euro. Die übrigen 14,3 Mio. Euro müssten also
von den 140.900 Mieterhaushalten aufgebracht werden. Das macht im Schnitt 101,50 Euro pro Haushalt, also bedeutend mehr als die angegebenen 36 bis 64 Euro. Wenzel: „Hier wird entweder den Eigentümern oder den Mietern Sand in die Augen gestreut – oder auch beiden. Tatsache ist: Wenn 189.700 Bochumer Haushalte zusammen 20 Mio. Euro aufbringen müssen, dann ist das ein Schnitt von 105,43 Euro pro Haushalt.“
Milchmädchenrechnung
An einer weiteren Stelle bemängelt der Mieterverein die Rechenkünste der Kämmerei: „Es gibt in Bochum fast 30.000 Haushalte, die von Transferleistungen leben – Sozialhilfe, Hartz IV, Grundsicherung. Für deren Kosten der Unterkunft kommt die Kommune auf, überwiegend aus eigenen Mitteln. Zu den Kosten der Unterkunft gehören auch die Nebenkosten, unter anderem die Grundsteuer. Rechnet man das gegen, sind 3 von den 20 Millionen sofort wieder weg.“
Der Mieterverein sorgt sich aber nicht in erster Linie um die Transferleistungsempfänger, denn deren Wohnkosten übernimmt die öffentliche Hand. Wenzel: „Es gibt eine immer größere Anzahl an Haushalten, deren Einkommen zwar aus eigener Arbeit stammt, aber nur geringfügig über den Hartz-IV-Sätzen liegt. Für die sind 100 € mehr fürs Wohnen ein Schlag ins Kontor. Wer das Problem auf viele Schultern verteilt, der belastet eben auch schwache Schultern. Aus unserer Sicht hat der Plan eine erhebliche soziale Schieflage.“
Unvernünftig
Der Mieterverein findet den Versuch, das neuerliche Haushaltsloch allein durch eine weitere Belastung der Bewohner stopfen zu wollen, aber auch wirtschaftlich unvernünftig. „Unternehmen treffen Standortentscheidungen anhand einer Vielzahl von Kriterien. Dazu gehören auch die Wohnkosten für die Angestellten.  Drei Millionen Euro Entlastung bei der Gewerbesteuer sind da ein Tropfen auf den heißen Stein.“
Zur Wirtschaft gehören überigens auch die Vermieter, die über ständig steigende Nebenkoste auch nicht erfreut sind. Zwar werden die von den Mietern gezahlt, aber für die Mieter ist die Gesamtbelastung entscheidend. Je höher die Nebenkosten, desto weniger Spielraum gibt es für Mieterhöhungen. Weniger Mieteinnahmen aber bedeuten wiederum weniger Steuern.
Sorgen bereitet dem Mieterverein auch ein Vergleich mit den Nachbarstädten. Durch die geplante Anhebung der Grundsteuer werde der Wohnstandort Bochum nachhaltig geschwächt, vor allem gegenüber den direkten Nachbarn Dortmund, Essen, Gelsenkirchen, Herne und Hattingen, die dann erheblich niedrigere Sätze hätten. Wenzel: „Das sind genau die Städte, bei denen das Wanderungssaldo schon jetzt sehr negativ ist. Wir brauchen Ideen, wie wir diesen Trend umkehren, statt ihn noch zu verschärfen. Eine Stadt, die immer mehr Einwohner verliert, verliert auch Einnahmen!  Wir können nur hoffen, dass die Politik in sich geht und diesen Vorschlag nicht beschließt.“«